VwGH 25.02.2010, 2005/09/0014
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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RS 1 | Die Öffentlichkeit einer mündlichen Verhandlung gehört zu den Grundsätzen eines fairen Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 MRK. Disziplinarverfahren gegen Beamte fallen nach der Rechtsprechung des VfGH in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung (vgl. E ; E 6. November, 2006, 2005/09/0053). (Hier: Eine (allfällige) Verschwiegenheitspflichtverletzung stellt keinen relevanten Verfahrensmangel dar.) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des Dr. PE in S, vertreten durch Dr. Peter Resch, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Franziskanergasse 12, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. LAD1-Dis-438/22, betreffend Disziplinarstrafe des Verweises, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich und stand zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung im Amt der Niederösterreichischen Landesregierung als Oberregierungsrat in Verwendung. Seit dem befindet er sich im zeitlichen Ruhestand.
Mit dem im gegenständlichen Fall angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, die Dienstpflicht des Dienstgehorsams gemäß § 27 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 (DPL 1972), wonach der Beamte an die Weisungen seiner Vorgesetzten gebunden ist, "verletzt zu haben, weil er in der Nacht vom 28. auf den in seinem (Arbeits-)Zimmer Nr. XY (Haus AB, AC. Stock) genächtigt hat, obwohl ihm dieses Übernachten mit mündlicher Weisung seines Dienstvorgesetzten vom ausdrücklich verboten wurde". Wegen dieser Dienstpflichtverletzung wurde dem Beschwerdeführer als Disziplinarstrafe gemäß § 96 Abs. 1 Z. 1 DPL 1972 ein Verweis erteilt und ihm gemäß § 114g Abs. 2 DPL 1972 die Verfahrenskosten des Disziplinarverfahrens auferlegt.
Dem war die Erlassung eines Einleitungsbeschlusses vom , eines Verhandlungsbeschlusses vom sowie - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die Erlassung des Bescheides der Behörde erster Instanz vom vorausgegangen. Auch die belangte Behörde als Berufungsbehörde führte eine mündliche Verhandlung durch.
Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der mündlichen Verhandlungen mehrfache Vertagungsanträge gestellt habe und letztlich zur mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde auch nicht erschienen sei, sondern nur durch seinen Rechtsvertreter vertreten gewesen sei. Im Rahmen des Berufungsverfahrens habe der Beschwerdeführer seine Vertagungsanträge unter Hinweis auf klinische Bestätigungen der Universitätsklinik für Psychiatrie des AKH Wien mit den darin beschriebenen psychischen Beschwerden (vor allem depressive Verstimmung, Panikstörung, Agoraphobie) begründet. Darin werde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer trotz entsprechender Therapie nicht arbeitsfähig sei und die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit nicht abgeschätzt werden könne. Schlüssige Feststellungen hinsichtlich der prozessualen Handlungsfähigkeit des Beschwerdeführers seien in diesen Bestätigungen jedoch nicht enthalten, sodass die belangte Behörde den Beschwerdeführer mehrfach aufgefordert habe, sich diesbezüglichen Untersuchungen einer Amtsärztin zu unterziehen. Der Beschwerdeführer habe jedoch diesen Aufforderungen keine Folge geleistet und nicht auf die Einladung der Amtsärztin zur Vereinbarung eines Hausbesuches oder der Verschiebung des Termines bei der Gesundheitsabteilung der Amtsärztin reagiert, weshalb ein amtsärztliches Gutachten hinsichtlich der Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht habe erstellt werden können. Wenn der Beschwerdeführer wiederholt die Auffassung vertrete, dass die Durchführung des gegenständlichen Disziplinarverfahrens und insbesondere die Abhaltung einer mündlichen Disziplinarverhandlung in seiner krankheitsbedingt erzwungenen Abwesenheit unzulässig und gesetzwidrig sei, so sei ihm zu entgegnen, dass er der an ihn gerichteten zweimaligen Aufforderung, sich einer diesbezüglichen amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, nicht nachgekommen sei, der Beschwerdeführer habe auf diese Weise eine ihm zumutbare Mitwirkung am Verfahren vernachlässigt. Die belangte Behörde habe als Verhandlungsort das Marktgemeindeamt der Wohnsitzgemeinde des Beschwerdeführers gewählt, um ihm die Möglichkeit zu geben, ohne weitere Entfernungen zurückzulegen, an der Verhandlung teilzunehmen. Das Erscheinungsbild des Beschwerdeführers für die belangte Behörde werde dadurch abgerundet, dass der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Gemeinderat dieser Wohnsitzgemeinde mehrfach an Gemeinderatssitzungen teilgenommen habe und auch von seinem Recht Gebrauch gemacht habe, vor den Gemeinderatssitzungen in die Unterlagen Einsicht zu nehmen, weiters nehme der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Kommunalpolitiker auch häufig an Bürgerversammlungen und dergleichen teil bzw. führe solche durch. Dass es dem Beschwerdeführer unmöglich gewesen wäre, an der am durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung in eigener Sache teilzunehmen, werde bei dieser Sachlage seitens der belangten Behörde als nicht glaubhaft befunden. Mit der Festlegung des Verhandlungsortes sei dem Beschwerdeführer, der vorgebracht habe, er wäre nicht in der Lage, weitere Entfernungen zurückzulegen, entgegen gekommen.
Zum Sachverhalt der vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung stellte die belangte Behörde fest, dass sich das Dienstzimmer des Beschwerdeführers während des für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Zeitraumes im Jänner 2002 im ersten Stock des Hauses AB (Zimmer Nr. XY) des Regierungsviertels in St. Pölten befunden habe. Das Betreten der Amtsgebäude im Regierungsviertel - und somit auch des Hauses AB - von der Straße sei jeweils in der Zeit von 18.00 Uhr (an Dienstagen 19.00 Uhr) bis 6.00 Uhr nur mittels eines Chipschlüssels möglich gewesen. Allerdings könne ein Betreten der Häuser während der vorstehend angeführten Schließzeit über die Tiefgarage nicht ausgeschlossen werden, da fallweise Türen in diesem Bereich defekt seien. Ein Verlassen der Amtsgebäude sei hingegen auch während der Nachtstunden ohne Chipschlüssel bzw. sonstiges technisches Hilfsmittel jederzeit möglich. Der Beschwerdeführer sei im fraglichen Zeitraum im Besitz von zwei Chipschlüsseln gewesen. Er habe in seinem Dienstzimmer bereits längere Zeit vor dem dem Disziplinarverfahren zu Grunde liegenden Ereignis verschiedene Schlafutensilien (Matratze, Decke, Polster) aufbewahrt und wiederholt in seinem Dienstzimmer übernachtet. Dies sei auch seinem Dienststellenleiter bekannt gewesen. Mitte Jänner 2002 sei der Dienststellenleiter von der Landesamtsdirektion beauftragt worden, dafür Sorge zu tragen, dass der Beschwerdeführer in Hinkunft das Nächtigen in den Amtsräumen unterlasse.
Am , nach der Mittagspause, habe der Dienststellenleiter den Beschwerdeführer zu sich gerufen und ihm mitgeteilt, dass nach Auffassung des Dienstgebers ein Übernachten in den Diensträumen unzulässig sei. Der Dienststellenleiter habe daraufhin in Anwesenheit des Beschwerdeführers den Leiter der Innenrevision angerufen und das Telefon auf "Lautsprecher" gestellt, sodass auch der Beschwerdeführer mithören habe können. Der Leiter der Innenrevision habe sodann nochmals den Standpunkt des Dienstgebers erklärt. Der Dienststellenleiter habe daraufhin dem Beschwerdeführer in mündlicher Form die Weisung erteilt - der Leiter der Innenrevision sei noch zugeschaltet gewesen -, in Hinkunft nicht mehr in den Amtsräumen zu nächtigen. Sodann habe der Dienststellenleiter die Telefonzuschaltung mit dem Leiter der Innenrevision beendet. Im Anschluss daran habe der Beschwerdeführer den Dienststellenleiter ersucht, ihm diese Weisung in schriftlicher Form zu erteilen. Der Beschwerdeführer habe jedoch dieses Verlangen sofort danach wieder zurückgenommen, indem er dem Dienststellenleiter gegenüber erklärt habe, dass der Dienstgeber ohne Zweifel eine solche Regel aufstellen könne und diese auch zu befolgen sei. Der Dienststellenleiter habe dem Beschwerdeführer auch mitgeteilt, dass die Einhaltung dieser Weisung überwacht werde.
Am habe der Mitarbeiter der Firma "G...", J.N., eine Überwachung im ersten Stockwerk des Hauses AB durchgeführt, und zwar vermutlich gegen 21.00 Uhr, auf jeden Fall vor Mitternacht. J.N. sei dabei im Bereich des Ganges/WC mit dem Beschuldigten zusammengetroffen, der verschiedene Schlafutensilien bei sich gehabt habe. J.N. habe den Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht, dass eine Übernachtung in den Amtsräumlichkeiten nicht erlaubt sei.
Am zwischen 2.00 und 4.00 Uhr habe J.N. neuerlich einen Kontrollgang im ersten Stock des Hauses AB durchgeführt. Mit seinem Generalhauptschlüssel habe J.N. versucht, das Schloss zum Amtszimmer des Beschwerdeführers aufzusperren, dies sei ihm aber nicht gelungen, als wäre das Schloss von innen versperrt. Dieser Vorfall sei von J.N. an die Zentrale gemeldet worden. Am habe der Dienststellenleiter den Bericht über die Ereignisse in der Nacht vom 28. auf den erhalten. Am folgenden Tag, dem , habe er den Beschwerdeführer damit konfrontiert, dieser habe eine Übernachtung im Amtszimmer bestritten. Er habe erklärt, zwar in St. Pölten, aber "an anderer Adresse" genächtigt zu haben, wobei er diese Adresse nicht bekannt geben könne, weil er erst die Zustimmung des Wohnungseigentümers bzw. der Wohnungseigentümerin einholen müsse.
Am habe der Dienststellenleiter im Beisein seiner Sekretärin mit dem Zweitschlüssel die versperrte Tür zum Amtszimmer des Beschwerdeführers aufgesperrt. Das Aufsperren sei problemlos möglich gewesen und im Amtszimmer seien Nächtigungsutensilien vorgefunden worden. Die vom Beschwerdeführer behauptete Störung des Schlosses habe nicht festgestellt werden können. Es sei auch weiterhin eine Reparatur des Schlosses nicht erfolgt bzw. auch nicht notwendig gewesen.
Diese Feststellungen gründete die belangte Behörde auf die Ergebnisse des gesamten Ermittlungsverfahrens, insbesondere die Darlegungen des Dienststellenleiters in der mündlichen Berufungsverhandlung sowie des Leiters der Innenrevision, auf deren Grundlage als klar erwiesen festgestellt werden könne, dass der Dienststellenleiter dem Beschwerdeführer eine eindeutige, klar verständliche mündliche Weisung erteilt habe, in Hinkunft das Übernachten in Diensträumen zu unterlassen, weil dies verboten sei. Gegen das Vorbringen des Beschwerdeführers, in den Ausführungen des Dienststellenleiters vom sei keine Weisung zu erblicken gewesen, spreche der Umstand, dass der Dienststellenleiter sowohl in der Disziplinaranzeige als auch anlässlich seiner Zeugeneinvernahme angegeben habe, dass der Beschwerdeführer zwar nach der ihm mündlich erteilten Weisung die Weisungserteilung in schriftlicher Form begehrt habe. Der Dienststellenleiter habe jedoch ausdrücklich dargelegt, dass der Beschwerdeführer unmittelbar darauf von diesem Verlangen wieder Abstand genommen habe, indem er begründend ausgeführt habe, dass "der Dienstgeber ohne Zweifel eine solche Regel aufstellen kann und diese auch zu befolgen ist". Schon daraus lasse sich eindeutig erkennen, dass dem Beschwerdeführer am bewusst gewesen sei, von seinem Dienststellenleiter eine mündliche Weisung bezüglich des Verbotes der Nächtigung in den Diensträumen erhalten zu haben.
Ihre Feststellungen hinsichtlich der Nächtigung des Beschwerdeführers in der Nacht vom 28. auf den in seinem Dienstzimmer im Haus AB, AC. Stock, Nr. XY, stützte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die in den Disziplinarverhandlungen getätigten Aussagen des Bediensteten des Sicherheitsdienstes J.N. und auf die Zeugenaussagen des Dienststellenleiters sowie auf die Verantwortung des Beschwerdeführers sowie sein Gesamtverhalten. J.N. habe anlässlich seiner beiden Einvernahmen übereinstimmend seine Beobachtungen in der Nacht vom 28. auf den geschildert und es stehe - auch vom Beschwerdeführer unwidersprochen - fest, dass der Zeuge den Beschwerdeführer in den Nachtstunden des auf dem Gang bzw. im Bereich des WC angetroffen habe. Der Zeuge habe insofern einen sehr glaubwürdigen Eindruck hinterlassen und den Ereignisablauf in durchaus schlüssiger und glaubhafter Art und Weise geschildert. Auch hinsichtlich des Umstandes, dass der Zeuge J.N. in der gegenständlichen Nacht zwischen 2.00 und 4.00 Uhr eine Kontrolle des Zimmers XY habe durchführen wollen und die Türe offensichtlich von innen versperrt vorgefunden habe, weil er sie mit seinem Generalhauptschlüssel nicht öffnen habe können, sei glaubwürdig, zumal auch nach dem Vorfall ein Defekt an dem Schloss nicht habe festgestellt werden können. Der Zeuge habe auch dargelegt, dass er nach dem vergeblichen Aufsperren des Zimmerschlosses sich durch Klopfen einer Türe bemerkbar gemacht habe. Da jedoch keine Reaktion erfolgt sei, habe er seinen Kontrollgang fortgesetzt und den Vorfall an die Zentrale gemeldet. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers könne eine Unglaubwürdigkeit des Zeugen auch nicht darin erblickt werden, dass er keine Schlafgeräusche des Beschwerdeführers wahrgenommen habe. Es sei schon nach den allgemeinen Lebenserfahrungen keinesfalls selbstverständlich, dass derartige Geräusche durch eine versperrte Türe wahrgenommen werden müssen, zumal sich der Zeuge ja auch nicht längere Zeit vor dieser Tür aufgehalten habe.
In rechtlicher Hinsicht zitierte die belangte Behörde die von ihr angewendeten Rechtsvorschriften und führte aus, dass eine derartige Dienstpflichtverletzung jedenfalls mit einer Disziplinarstrafe zu ahnden sei. Beim Verweis handle es sich um die "leichteste" Disziplinarstrafe. Auch wenn der Beschwerdeführer bis zum gegenständlichen Vorfall keine disziplinarrechtliche Vorstrafe aufweise, so sei nach Auffassung der belangten Behörde die Verhängung eines Verweises erforderlich. Dies insbesondere zu generalpräventiven Zwecken, um damit - auch anderen Bediensteten gegenüber - deutlich zu machen, dass Weisungen eines Dienstvorgesetzten beachtet bzw. eingehalten werden müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 27 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 (DPL 1972), LGBl. 2200-58, ist der Beamte an die Weisungen der Vorgesetzten gebunden und diesen für seine amtliche Tätigkeit verantwortlich. Er kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn sie von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder ihre Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde. Eine Weisung ist auf Verlangen des Beamten schriftlich zu erteilen. Geschieht dies nicht, gilt die Weisung als zurückgezogen.
Gemäß § 95 DPL 1972 sind Beamte, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, nach den Bestimmungen des IV. Teiles der DPL 1972 zur Verantwortung zu ziehen.
Gemäß § 96 Abs. 1 DPL 1972 sind Disziplinarstrafen 1. der Verweis, 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Dienstbezuges,
3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Dienstbezügen und 4. die Entlassung.
Gemäß § 97 Abs. 1 DPL 1972 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974, für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen. Auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten ist Bedacht zu nehmen.
Gemäß § 114v DPL 1972 sind Beamte des Ruhestandes nach den Bestimmungen dieses Gesetzes wegen einer im Dienststand begangenen Dienstpflichtverletzung oder wegen gröblicher Verletzung der ihnen im Ruhestand obliegenden Verpflichtungen zur Verantwortung zu ziehen.
Gemäß § 114w sind Disziplinarstrafen in diesem Fall 1. der Verweis, 2. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Ruhegenüssen und
3. der Verlust aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte und Ansprüche (Entlassung).
Soweit der Beschwerdeführer die Feststellung der belangten Behörde bekämpft, er habe in der gegenständlichen Nacht in seinem Amtszimmer tatsächlich genächtigt, zeigt er in der Beschwerde keine überzeugenden Argumente auf, diesbezüglich die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid erfolgreich in Zweifel zu ziehen. Die belangte Behörde hat nämlich auf schlüssige Weise dargelegt, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass gerade der von ihr festgestellte Sachverhalt vorliegt, und sie hat überzeugend dargelegt, welche Umstände (nämlich insbesondere die Aussagen des Zeugen J. N.) sie veranlasst haben, zu gerade diesen Feststellungen zu gelangen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Feststellungen der belangten Behörde diesbezüglich daher nicht als unschlüssig zu erkennen, zumal der Beschwerdeführer auch keine konkreten Umstände für seine Behauptung anführt, er habe in der gegenständlichen Nacht nicht in seinem Amtszimmer genächtigt.
Dieselben Überlegungen gelten auch hinsichtlich der Feststellung der belangten Behörde, der Dienststellenleiter habe den Beschwerdeführer am die mündliche Weisung erteilt, in Hinkunft nicht mehr in den Amtsräumen zu nächtigen. Wenn der Beschwerdeführer nunmehr bestreitet, dass ihm eine solche Weisung erteilt worden sei und dies damit zu begründen versucht, er habe am schriftlich darauf hingewiesen bzw. angemerkt, dass er bis zu diesem Tag keine diesbezügliche Weisung erhalten habe, so ist eine derartige nachträgliche Bestreitung nicht geeignet, die auf die Zeugenaussagen insbesondere des Dienststellenleiters gegründete Feststellung der belangten Behörde in Zweifel zu ziehen. Dass der Beschwerdeführer am gegen die ihm mündlich erteilte Weisung remonstriert hätte, wird von ihm in der Beschwerde nicht behauptet.
Die rechtliche Schlussfolgerung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer den Tatbestand der Verletzung seiner Dienstpflicht nach § 27 DPL 1972 erfüllte begegnet keinen Bedenken, zumal auch weder behauptet wurde oder ersichtlich wäre, dass die dem Beschwerdeführer erteilte Weisung wegen eines strafgesetzwidrigen Erfolges nicht zu befolgen oder von einem unzuständigen Organ erteilt worden wäre.
Auch die übrigen vom Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid ins Treffen geführten verfahrensrechtlichen Argumente führen nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Wenn der Beschwerdeführer insoferne meint, seine persönliche Aussage wäre zwingend für ein rechtmäßiges Verfahren erforderlich gewesen, so zeigt er keinen relevanten Verfahrensmangel auf. Gemäß § 114m Abs. 12 DPL 1972 kann die mündliche Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission nämlich ungeachtet eines Parteienantrages in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt werden, wenn der Beschuldigte ohne Rechtfertigungsgrund trotz ordnungsgemäß zugestellter Ladung nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, sofern er nachweislich auf diese Säumnisfolge hingewiesen worden ist. Diese Voraussetzung war im Beschwerdefall erfüllt, zumal die belangte Behörde mehrfache Versuche unternommen hat, die Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers festzustellen, denen der Beschwerdeführer offensichtlich ohne ausreichenden Grund nicht nachgekommen ist. Die belangte Behörde ist dem Beschwerdeführer auch bei der Wahl des Ortes der mündlichen Verhandlung in der Wohnsitzgemeinde entgegen gekommen. Zudem nahm der Beschwerdeführer im fraglichen Zeitraum Termine in Ausübung seiner politischen Funktion wiederholt wahr. Im Übrigen war der Beschwerdeführer bei der mündlichen Verhandlung durch seinen Rechtsanwalt vertreten.
Wenn der Beschwerdeführer die Wahl des Ortes der mündlichen Berufungsverhandlung im Hinblick darauf als rechtswidrig bekämpft, weil dadurch die in einem Disziplinarverfahren gesetzlich vorgeschriebene Verschwiegenheit nicht gewährleistet gewesen sei, weil durch die Anberaumung einer Berufungsverhandlung am Gemeindeamt seiner Wohnsitzgemeinde, in welcher er auch als Gemeinderat tätig sei, die Gefahr der Öffentlichmachung des Umstandes, dass gegen ihn ein Disziplinarverfahren geführt werde, vergrößert sei, zeigt der Beschwerdeführer schon deswegen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil nicht zu ersehen ist, inwiefern eine derartige Verschwiegenheitspflichtverletzung einen relevanten Verfahrensmangel darstellte. Das gegenteilige Argument wäre eher einleuchtend, zumal die Öffentlichkeit einer mündlichen Verhandlung zu den Grundsätzen eines fairen Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK gehört, und Disziplinarverfahren gegen Beamte nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1008/07, vgl. auch etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/09/0053).
Wenn der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie habe zu Unrecht einen von ihm namhaft gemachten Zeugen nicht einvernommen, so zeigt er deswegen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil er diesen Zeugen zum Beweis dafür geführt hatte, dass er zu einem späteren Zeitpunkt in einem Beherbergungsbetrieb in St. Pölten übernachtet hätte und dieser Beweisantrag nicht die Nacht vom bis zum betraf.
Seine Schuldfähigkeit wurde vom Beschwerdeführer weder bestritten noch gibt die Aktenlage Anlass daran zu zweifeln.
Da auch die von der Behörde festgesetzte Strafbemessung keinen Bedenken begegnet, war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2010:2005090014.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAE-74918