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VwGH 25.02.2010, 2008/06/0186

VwGH 25.02.2010, 2008/06/0186

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
BauG Vlbg 2001 §7 Abs1 lita;
BauRallg;
RS 1
Die Zustimmung zu einer Abstandsnachsicht im Sinne des § 7 Abs. 1 lit. a Vlbg. BauG hat zu einem konkreten Projekt zu erfolgen; eine bloß "grundsätzliche Zustimmung" entspräche nicht diesen Voraussetzungen. Nachträgliche Änderungen des Vorhabens sind von der zuvor erteilten Zustimmung nicht erfasst (vgl. zur Zustimmung eines Miteigentümers die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/06/0162, und vom , Zl. 95/06/0013).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2008/06/0104 B RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in Y, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in 6800 Feldkirch, Hirschgraben 4, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom , Zl. BHFK-II-4151-2008/0018, betreffend Versagung der Baubewilligung und Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes (mitbeteiligte Parteien: 1. A in Y, vertreten durch Rechtsanwälte Mandl GmbH in 6800 Feldkirch, Churerstraße 3/II, 2. Gemeinde Y), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der belangten Behörde in Bezug auf Schriftsatzaufwand wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines Grundstückes im Gemeindegebiet der zweitmitbeteiligten Gemeinde.

Mit Bauantrag vom suchte die Beschwerdeführerin um die Erteilung der baurechtlichen Bewilligung für die Renovierung des seit mehr als zehn Jahren auf ihrem Grundstück bestehenden Gartenhauses an und legte Planunterlagen, den Kaufvertrag über die Liegenschaft sowie eine Blanko-Zustimmungsklärung vor. Dazu brachte sie vor, dass der Erstmitbeteiligte, an dessen Grundstück das Gebäude nördlich und westlich unmittelbar angrenze, bei Errichtung des Gartenhauses dessen Lage im Mindestabstand gegenüber dem damaligen Eigentümer der Liegenschaft zugestimmt habe.

Aus einem im Akt einliegenden Email vom ergibt sich, dass ein Gespräch zwischen dem Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Gemeinde, einem Gemeindebediensteten, dem Sohn der Beschwerdeführerin und dem Erstmitbeteiligten betreffend das vorliegende Bauvorhaben stattgefunden hat, nach dem der Erstmitbeteiligte als "nicht einfach" beurteilt wurde, seine Zustimmung zu dem Bauvorhaben ist offensichtlich nicht erreicht worden.

Der Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Gemeinde wies mit Bescheid vom den angeführten Bauantrag ab (Spruchpunkt I.) und trug der Beschwerdeführerin die Entfernung des errichteten Gartenhauses binnen eines Monats nach Rechtskraft des Bescheides und die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes auf (Spruchpunkt II.). Begründend wurde ausgeführt, dass das Bauvorhaben die gesetzlichen Grenzabstände nicht einhalte und keine Zustimmung des Nachbarn zur Abstandsnachsicht vorgelegt worden sei. Die Baubewilligung könne daher nicht erteilt werden und es sei ein Auftrag gemäß § 40 Abs. 3 Vbg. BauG zu erlassen gewesen.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung, in der sie ausführte, dass der Voreigentümer ihres Grundstücks das Gartenhaus im Einvernehmen mit dem Nachbarn direkt an der Grundstücksgrenze errichtet habe und ein mündlicher Vertrag darüber bestehe. Nach nunmehr 12 Jahren verlange der Erstmitbeteiligte die Entfernung des Gartenhauses. Der Grund dafür sei, dass sie dem Bau seiner Garage nicht zugestimmt habe. Sie habe das Anwesen bereits mit dem errichteten Gartenhaus gekauft und habe nicht gewusst, dass kein konsentierter Bestand vorliege.

Die Baubehörde zweiter Instanz führte am einen Ortsaugenschein durch, bei dem das Gartenhaus begutachtet und vermessen wurde. Dabei wurde festgestellt, dass das Gartenhaus direkt an der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Erstmitbeteiligten hin errichtet worden sei und seine maximale Höhe ca. 3,05 m und direkt an der Grundstücksgrenze ca. 2,40 m betrage.

Die Berufungskommission der mitbeteiligten Gemeinde gab mit dem vom Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde ausgefertigten Bescheid vom der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid.

Die Beschwerdeführerin erhob daraufhin Vorstellung, die die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abwies. Die belangte Behörde führte im Wesentlichen aus, dass aufgrund der Ausmaße des Gartenhauses die Baubehörden zu prüfen gehabt hätten, ob der betroffene Nachbar der Bauführung zugestimmt habe. Nach dem § 7 BauG sei keine schriftliche Abstandsnachsicht erforderlich. Aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 lit. a BauG ("Einlangen bei der Behörde") ergebe sich, dass die Behörde Adressat der Zustimmung eines Nachbarn sei und eine erteilte Zustimmung nur dann als unwiderruflich gelte, wenn sie bei der Behörde eingelangt sei. Die Zustimmung des Nachbarn müsse sich aus einem entsprechenden Beleg oder Vorgang ergeben, auf Grund dessen keinesfalls fraglich sei, ob die Zustimmung erteilt worden sei. Dem Verwaltungsakt könne nicht entnommen werden, dass der Baubehörde eine Zustimmung des betroffenen Nachbarn, des Erstmitbeteiligten, für die Erteilung einer Abstandsnachsicht zugegangen sei. Dies werde von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet. Eine Aussage über die erteilte mündliche Zustimmung könne nicht den direkten Eingang der Zustimmung bei der Baubehörde ersetzen, zumal durch die Bestimmung des § 7 Abs. 1 lit. a BauG sichergestellt werden solle, dass sich die Baubehörde selbst davon überzeugen könne, dass die Zustimmung vom betroffenen Nachbarn stamme. Eine Glaubhaftmachung der Zustimmung durch den Bauwerber oder einen Dritten reiche bei der gegebenen Gesetzeslage nicht aus. Im Zuge des gegenständlichen Bauverfahrens habe der Erstmitbeteiligte der Baubehörde keine gültige Zustimmungserklärung zukommen lassen. Vielmehr habe er im Bauverfahren die Zustimmung verweigert. Es habe daher keine Ausnahmegenehmigung erteilt werden können. Auch eine Vernehmung des Voreigentümers des Baugrundstückes oder anderer Zeugen hätte an der Sachlage nichts geändert.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Erstmitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des im vorliegenden Beschwerdefall anzuwendenden Vorarlberger Baugesetzes, LGBl. Nr. 52/2001 (BauG), in der Fassung LGBl. Nr. 34/2008, lauten:

"§ 6

Mindestabstände

(1) Oberirdische Gebäude, ausgenommen kleine Gebäude nach § 19 lit. a bis c, müssen von der Nachbargrenze mindestens 3 m entfernt sein. Abweichend davon dürfen Bauteile nach § 5 Abs. 5 lit. b und c bis zu 2 m an die Nachbargrenze heranreichen.

(2) Oberirdische Bauwerke, die keine Gebäude sind, sowie oberirdische kleine Gebäude nach § 19 lit. a bis c müssen mindestens 2 m von der Nachbargrenze entfernt sein."

"§ 7

Abstandsnachsicht

(1) Die Behörde kann Ausnahmen von den Vorschriften des § 5 Abs. 1 bis 6 sowie des § 6 Abs. 1 bis 3 zulassen (Abstandsnachsicht), wenn die Interessen der Sicherheit, der Gesundheit sowie des Schutzes des Orts- und Landschaftsbildes nicht beeinträchtigt werden und überdies

a) der betroffene Nachbar zustimmt; die Zustimmung ist ab ihrem Einlangen bei der Behörde unwiderruflich; oder

e) bei der Errichtung oder Änderung von Nebengebäuden oder Nebenanlagen bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück die Nachbarn nicht stärker beeinträchtigt werden, als dies bei Errichtung einer Einfriedung oder einer sonstigen Wand bis zur selben Höhe der Fall wäre; oder

… ."

"§ 18

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

(1) Einer Baubewilligung bedürfen

a) die Errichtung oder wesentliche Änderung von Gebäuden; ausgenommen sind jene kleinen Gebäude, die nach § 19 lit. a bis c nur anzeigepflichtig sind".

"§ 19

Anzeigepflichtige Bauvorhaben

Wenn die Abstandsflächen und Mindestabstände eingehalten werden, sind folgende Bauvorhaben anzeigepflichtig:

a) die Errichtung oder wesentliche Änderung von Nebengebäuden zu Wohngebäuden, wenn das Nebengebäude eine überbaute Fläche von höchstens 25 m2 und eine Höhe von höchstens 3,5 m über dem Gelände hat und in einer Baufläche liegt;

… ."

"§ 40

Herstellung des rechtmäßigen Zustandes

(1) Ergibt eine Überprüfung nach § 38 Abs. 1 lit. a oder b einen Grund zur Beanstandung, so hat die Behörde - unabhängig von einem Vorgehen nach § 39 - den Bauherrn aufzufordern, innerhalb eines Monats

a) einen Bauantrag zu stellen, wenn das beanstandete Bauvorhaben oder der beanstandete Teil des Bauvorhabens bewilligungspflichtig ist; oder

b) eine Bauanzeige einzubringen, wenn das beanstandete Bauvorhaben oder der beanstandete Teil des Bauvorhabens anzeigepflichtig ist.

(3) Kommt der Bauherr der Aufforderung nach Abs. 1 durch Einbringung eines vollständigen Bauantrages bzw. einer vollständigen Bauanzeige nicht nach oder wurde die Baubewilligung versagt bzw. erfolgte aufgrund der Bauanzeige die Untersagung, so hat die Behörde die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes binnen einer angemessen festzusetzenden Frist zu verfügen. ..."

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Rechtsauffassung der belangten Behörde zu Grunde, dass das gegenständliche Gartenhaus als oberirdisches kleines Gebäude im Sinne des § 19 lit. a BauG wegen Nichteinhaltung des Abstandes von 2 m bewilligungspflichtig nach § 18 BauG sei und einer Abstandsnachsicht nach § 7 Abs. 1 BauG bedürfe. Aufgrund der Ausmaße des Gartenhauses (Höhe über 1,80 m) sei eine Abstandsnachsicht nur möglich, wenn der angrenzende Nachbar seine Zustimmung erteile. Eine gegenüber dem Voreigentümer vor 12 Jahren erteilte mündliche Zustimmung könne nicht als der Behörde zugegangen gewertet werden und könne daher nicht Grundlage für eine Abstandsnachsicht im Sinne des § 7 Abs. 1 lit. a BauG sein. Im Zuge des vorliegenden Bauverfahrens habe der Erstmitbeteiligte der Baubehörde keine Zustimmungserklärung zukommen lassen, er habe vielmehr im Bauverfahren die Zustimmung verweigert.

Die Beschwerdeführerin bringt dagegen vor, dass sich aus § 7 Abs. 1 BauG nicht entnehmen lasse, dass die vom Grundstücksnachbarn erteilte Abstandsnachsicht auch tatsächlich der Behörde zugehen müsse, um Wirksamkeit zu entfalten. Es sei lediglich vorgesehen, dass die Zustimmung ab dem Einlangen bei der Behörde unwiderruflich sei. Da die Abstandsnachsicht bereits vor rund 12 Jahren erteilt worden sei, stelle sich die Frage, ob die Einräumung einer Abstandsnachsicht nach dem damaligen § 6 Abs. 8 BauG 1972 zu beurteilen sei, dem nicht zu entnehmen sei, dass die vom Nachbarn erteilte Abstandsnachsicht der Behörde zugehen müsse.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Maßgeblich ist im vorliegenden Fall, dass sich eine Abstandsnachsicht gemäß § 7 Abs. 1 lit. a Vbg. BauG, für die der Nachbar eine Zustimmung gegeben hat, immer auf ein bestimmtes Bauvorhaben beziehen muss. Diese Auffassung hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2008/06/0104, vertreten; eine bloß "grundsätzliche Zustimmung" entspricht dieser Bestimmung nicht. Nachträgliche Änderungen des Vorhabens sind von einer zuvor erteilten Zustimmung nicht erfasst.

Zu dem verfahrensgegenständlichen, bereits errichteten Bauvorhaben lag den Baubehörden bei Erlassung ihrer Bescheide keine Zustimmung des Erstmitbeteiligten zur Abstandsnachsicht vor. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Berufung selbst vorgetragen, dass er die Entfernung des bisher nicht konsentierten Gartenhauses wolle. Selbst wenn man annähme, die vor 12 Jahren dem Voreigentümer gegebene Zustimmung betreffend die Nichteinhaltung des Abstandes hätte bereits das Gebäude in der antragsgegenständlichen Form betroffen, so konnte die Zustimmung des Erstmitbeteiligten im vorliegenden Bauverfahren gemäß § 7 Abs. 1 lit. a BauG bis zu ihrem Einlangen bei der Behörde widerrufen werden. Mit dem Hinweis der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, der Erstmitbeteiligte habe gegenüber dem Voreigentümer eine Zustimmung zur Verletzung des Mindestabstandes abgegeben, ist eine Zustimmung des Erstmitbeteiligten zu dem vorliegenden Bauvorhaben nicht eingelangt. Es wäre im Hinblick auf das von der Beschwerdeführerin selbst in der Berufung dargestellte Verhalten des Erstmitbeteiligten von einem Widerruf auszugehen. Geht man von diesem Ergebnis aus, dann erweisen sich die auch geltend gemachten Verfahrensmängel, die sich auf die vor 12 Jahren nach Ansicht der Beschwerdeführerin dem Voreigentümer abgegebene Zustimmung beziehen, jedenfalls als nicht wesentlich.

Weiters ist zum Beschwerdevorbringen festzustellen, dass für die Frage, ob die erforderliche Zustimmung zu einer Abstandsnachsicht für das am eingereichte verfahrensgegenständliche Bauvorhaben vorliegt, allein das BauG in der oben genannten Fassung maßgeblich ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Das Kostenbegehren der belangten Behörde in Bezug auf Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil keine

Gegenschrift zur Beschwerde erfolgte, sondern nur auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen wurde.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BauG Vlbg 2001 §7 Abs1 lita;
BauRallg;
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche
Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2010:2008060186.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAE-74917