VwGH vom 13.10.2010, 2008/06/0176
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde 1. des JO und 2. der WO, beide in St. J, beide vertreten durch Friedl Holler Rechtsanwalt-Partnerschaft in 8462 Gamlitz, Marktplatz 6, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA18E-80.00 67/2002-33, betreffend Feststellung nach dem Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetz 1964, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Vorerkenntnis vom , Zl. 2004/06/0100, verwiesen. Darin wurde auf Grund der Beschwerde der auch hier beschwerdeführenden Parteien zunächst Folgendes festgehalten:
"Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der Grundstücke Nr. 71/1, 143/2, 146/5, 146/6, 146/9 und 147/1, alle KG W. Zur Bewirtschaftung dieser Grundstücke nutzen die Beschwerdeführer die öffentlichen Interessentenwege auf den Gst. Nr. 997/4 und 999/5, beide KG St. J, wobei sie zusätzlich noch über fremden Grund (Gst. Nr. 146/1, KG W und Gst. Nr. 40/1, KG St. J) fahren mussten, um zu ihren Grundstücken zu gelangen.
Mit Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom wurden das öffentliche Gut, Trennstück Nr. 16 des Gst. Nr. 997/4 (im Ausmaß von 5.653 m2) und das Gst. Nr. 999/5 (zur Gänze), beide KG St. J, als öffentliche Interessentenwege aufgelassen und jeweils in freies Gemeindevermögen umgewandelt. Das freie Gemeindevermögen wurde dem angrenzenden Liegenschaftseigentümer ins Eigentum übertragen.
Mit Eingabe vom brachten die Beschwerdeführer vor, ein Sonderrecht an den gegenständlichen Wegen zu besitzen, da ihr Recht auf Wahrung des Zuganges zu ihren Grundstücken beeinträchtigt werde, und ersuchten den Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde, einen bekämpfbaren Bescheid zu erlassen."
In weiterer Folge erließ, wie auch bereits dem zitierten Vorerkenntnis zu entnehmen ist, der Gemeinderat der Gemeinde St. J den Bescheid vom , mit welchem er den Antrag der Beschwerdeführer als unbegründet abwies. In der Bescheidbegründung legte der Gemeinderat dar, dass die Liegenschaften der Beschwerdeführer auch über den
öffentlichen Weg Grundstück Nr. 146/1, KG W., erreichbar seien. Im Übrigen hätten sie keine Rechte als "Anlieger" im Sinne des Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1964 (LStVG 1964), da ihre Grundstücke nicht direkt an die aufgelassenen Wege angrenzten.
Mit Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom wurde der Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde St. J vom aufgehoben. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Begriff "Anlieger" im Sinne des § 8 Abs. 5 LStVG 1964 sei so zu verstehen, dass er nicht nur die unmittelbaren Anrainer einer öffentlichen Straße, sondern alle Liegenschaftseigentümer, die den Zugang zu ihren Grundstücken über diese öffentliche Straße hätten, umfasse. Im Übrigen sei die ersatzweise genannte öffentliche Straße auf Grund ihrer Steilheit für die Holzeinbringung nicht geeignet. Die Grundstücke der Beschwerdeführer seien Waldgrundstücke, sodass die öffentliche Straße auch für entsprechende Wirtschaftsfuhren nutzbar sein müsste. Die Aufschließung über die andere öffentliche Straße sei wegen deren Steilheit nicht in gleichem Maß gegeben wie über den öffentlichen Interessentenweg Grundstücke Nr. 997/4 und 999/5, KG St. J.
Mit Bescheid vom entschied der Gemeinderat der Gemeinde St. J neuerlich über den Antrag der Beschwerdeführer auf Bescheiderlassung und wies diesen mit identer Begründung wie in seinem Bescheid vom als unbegründet ab.
Die daraufhin erhobene, neuerliche Vorstellung durch die Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom als unbegründet abgewiesen. Der zuletzt genannte Bescheid der belangten Behörde vom wurde mit dem zitierten Vorerkenntnis vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus, auch die Vorstellungsbehörde sei nicht berechtigt, sich bei unverändert gebliebenem Sachverhalt über ihre in einem früheren aufhebenden Vorstellungsbescheid in derselben Verwaltungssache geäußerte Rechtsansicht hinwegzusetzen. Sie habe vielmehr im weiteren Verfahren in Bindung an den Spruch und die tragenden Gründe eines rechtskräftigen aufhebenden Vorstellungsbescheides vorzugehen. Im vorliegenden Verfahren liege kein neu zu beurteilender Sachverhalt vor. Die Vorstellungsbehörde habe daher mit ihrem Bescheid vom gegen die Bindungswirkung ihres Bescheides vom verstoßen.
In weiterer Folge erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid vom , mit dem sie den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde St. J vom "behob". Begründend führte sie im Wesentlichen aus, der mit Vorstellung bekämpfte Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde St. J vom sei aufzuheben, da die Gemeinde mangels veränderter Sach- und Rechtslage in ihrer Entscheidung an die Rechtsansicht der Gemeindeaufsichtsbehörde laut deren Bescheid vom gebunden sei. Es sei jedoch darauf hinzuweisen, dass bei neuerlicher Entscheidung der Gemeinde auf die Ergebnisse der von der belangten Behörde durchgeführten Ortsaugenscheinsverhandlung vom , insbesondere auf das Bestehen eines privaten Schotterweges, Bedacht zu nehmen sei. In diesem Zusammenhang wäre auch zu hinterfragen, ob durch den Anschluss des privaten Schotterweges an die Gemeindestraße nicht schon vor der die Zufahrt erschwerenden Steigung eine Zu- und Abfahrt zur Liegenschaft der Vorstellungswerber bestehe bzw. ob die Liegenschaft der Vorstellungswerber nicht ohnehin mit einzelnen Grundstücken an die Gemeindestraße in diesem Bereich angrenze. Auf Grund des § 8 Abs. 5 LStVG 1964 bestehe kein Anspruch auf einen örtlich bestimmten Zugang eines Anliegers zu seinem Anwesen. Auch die innere Aufschließung von Liegenschaften könne nicht Gegenstand öffentlich-rechtlicher Erwägungen sein. Die Einbindung des privaten Schotterweges der Vorstellungswerber stelle also einen wesentlichen Sachverhaltstatbestand dar, der zu würdigen sein werde. Bezüglich des Antrages der Vorstellungswerber auf Aufhebung der Verordnung der Gemeinde betreffend die Auflassung des gegenständlichen öffentlichen Interessentenweges bestehe kein Antragsrecht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, die im nunmehrigen Bescheid vertretene Ansicht der belangten Behörde, wonach die Steigung des über das Grundstück Nr. 66, KG W, der Beschwerdeführer führenden privaten Schotterweges für die Beurteilung des Zugangsrechtes gemäß § 8 Abs. 5 LStVG 1964 irrelevant wäre, der im Bescheid der belangten Behörde vom zum Ausdruck gebrachten bindenden Rechtsansicht widerspreche, wonach eine Verletzung des Zugangsrechtes gemäß § 8 Abs. 5 LStVG 1964 bereits dann vorliege, wenn durch die Auflassung die Aufschließung nicht mehr in gleichem Ausmaß gegeben sei wie über den öffentlichen Interessentenweg Grundstücke Nr. 999/5 und 997/4, KG St. J. An dieser Bindungswirkung könne sich auch dadurch nichts ändern, dass im Bescheid vom auf den bereits damals in der heutigen Form vorhandenen Schotterweg nicht Bezug genommen worden sei. Im Übrigen seien die Tatsachenfeststellungen zum vermeintlich "neuen" Sachverhaltselement des privaten Schotterweges nicht ausreichend. Es wäre festzustellen gewesen, dass dieser Weg eine Steigung von zumindest 20 bis 25 % aufweise und für Holztransporte noch weniger geeignet sei als der über das Grundstück Nr. 1963/1 KG W führende öffentliche Weg. Ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren hätte ergeben, dass dieser Schotterweg nicht erheblich sei, weil er erst in der Rechtskurve des über das Grundstück Nr. 1963/1 KG W verlaufenden öffentlichen Weges abzweige, wobei der öffentliche Weg schon bis zu dieser Rechtskurve eine Steilheit von 18 % aufweise und im Sinne der bindenden Rechtsansicht der belangten Behörde im Bescheid vom bereits wegen der bis zu dieser Rechtskurve vorhandenen Steilheit eine Beeinträchtigung des Zugangsrechtes der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 5 LStVG 1964 anzunehmen sei; der aufgelassene öffentliche Interessentenweg weise nämlich keine Steigung auf, sodass infolge der Auflassung desselben die Aufschließung der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke der Beschwerdeführer auch dann nicht mehr in gleichem Maße gegeben wäre, wenn man den zusätzlich festgestellten privaten Schotterweg außer Betracht ließe. Im Übrigen sei der private Schotterweg kein neues entscheidungsmaßgebliches Sachverhaltselement. Er habe bereits am bestanden. Eine Änderung des Sachverhaltes, die den Wegfall der Bindungswirkung des Bescheides vom zur Folge hätte, sei somit nicht gegeben.
Wie sich aus dem Beschwerdevorbringen ergibt, erachten sich die Beschwerdeführer durch die Gründe des angefochtenen Bescheides beschwert. Dazu ist festzuhalten, dass sowohl die Gemeinde als auch die anderen Parteien des Verfahrens an die die Aufhebung tragenden Gründe eines rechtskräftigen aufsichtsbehördlichen Bescheides gebunden sind - gleichbleibende Sach- und Rechtslage vorausgesetzt. Diese Bindung erstreckt sich aber ausschließlich auf die die Aufhebung tragenden Gründe des aufsichtsbehördlichen Bescheides, nicht aber auf die weiteren (somit die Aufhebung nicht tragenden) Ausführungen der Gemeindeaufsichtsbehörde (etwa Hinweise für die weitere Verfahrensführung - vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/06/0242, mwN).
Im vorliegenden Fall war tragender Grund für die Aufhebung nur, dass der Gemeinderat der Gemeinde St. J bei der Erlassung seines Bescheides vom die Bindungswirkung an die tragenden Gründe des Bescheides der Vorstellungsbehörde vom nicht beachtet hat. Die Beschwerdeführer bekämpfen aber nicht diesen tragenden Aufhebungsgrund des angefochtenen Bescheides, sondern ausschließlich die weiteren Ausführungen der belangten Behörde hinsichtlich des Schotterweges. Diese Ausführungen waren aber für die Aufhebung nicht tragend, weshalb ihnen keine Bindungswirkung für das weitere Verfahren zukommt und sie Rechte der Beschwerdeführer nicht verletzen können.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
MAAAE-74898