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VwGH vom 17.10.2012, 2012/16/0006

VwGH vom 17.10.2012, 2012/16/0006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0751-L/11, betreffend Grunderwerbsteuer (mitbeteiligte Partei: G GmbH in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Geschäftsanteil der Stadt S an der Mitbeteiligten entspricht einer Stammeinlage von EUR 37.425,-- am Stammkapital von EUR 37.500,--.

Aufgrund eines - im Berufungsverfahren nur unvollständig vorgelegten -Verwaltungsvertrages vom hatte die Stadt S der Mitbeteiligten die Verwaltung von "in (diesem Vertrag) beiliegender Liste angeführten Liegenschaften mit den darauf errichteten Wohnobjekten" übertragen.

Am schlossen die Stadt S und die Mitbeteiligte einen "Kauf- und Tauschvertrag", aufgrund dessen die Mitbeteiligte an die Stadt S dort näher bezeichnete Liegenschaften "tauscht bzw. verkauft" und die Stadt S an die Mitbeteiligte ebenfalls dort näher bezeichnete Grundstücke von bestimmten Liegenschaften sowie dort näher bezeichnete Liegenschaften "tauscht bzw. verkauft". Die von der Stadt S an die Mitbeteiligte "verkauften bzw. getauschten" Liegenschaften und Grundstücke wurden mit EUR 7.964.400,--, die von der Mitbeteiligten an die Stadt S verkauften und getauschten Liegenschaftshälften mit EUR 3.474.397,53 bewertet; die Mitbeteiligte hatte aufgrund der unterschiedlichen Werte der Tauschgegenstände einen Ausgleichsbetrag von EUR 4.490.002,47 an die Stadt S zu bezahlen.

Mit Grunderwerbsteuerbescheid vom setzte das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel die Grunderwerbsteuer für den Kauf- und Tauschvertrag vom unter Zugrundelegung einer Tauschleistung von EUR 7.964.400,-- mit dem Betrag von EUR 278.754,-- gegenüber der Mitbeteiligten fest. In ihrer dagegen erhobenen Berufung vertrat die Mitbeteiligte die Ansicht, dass die Voraussetzungen einer Ausgliederung im Sinn des Art. 34 § 1 Abs. 1 des Budgetbegleitgesetzes 2001 erfüllt seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob den Erstbescheid (ersatzlos) auf. Begründend erwog die belangte Behörde nach kurzer Darstellung des Verfahrensganges und Zitierung des § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG sowie des Art. 34 § 1 und 2 des Budgetbegleitgesetzes 2001:

"Ehrke-Rabel vertritt in 'Übertragung von Aufgaben' iSv Art. 34 Budgetbegleitgesetz 2001, RFG 2005/22, die Auffassung, dass die 'Übertragung von Aufgaben' iSv Art. 34 Budgetbegleitgesetz 2001 weit auszulegen sei und begründet dies wie folgt:

'Ehrke/Pilz (Steuerbefreiungen bei Ausgliederungen, RFG 2003/17) haben die objektiven Tatbestandsmerkmale 'Ausgliederung und Übertragung von Aufgaben' als Alternativen verstanden. Erfasst von Art. 34 Budgetbegleitgesetz 2001 seien daher sowohl Ausgliederungen, die begriffsnotwendig bereits die Übertragung von Aufgaben voraussetzen als auch bloße Übertragungen von Aufgaben, bei denen es sich nicht um eine Ausgliederung handelt. Was die begünstigten Aufgaben anbelangt, so vertreten bereits Ehrke/Pilz die Auffassung, dass es sich dabei sowohl um hoheitliche als auch nicht hoheitliche Aufgaben handeln kann. Eine Beschränkung auf rein hoheitliche Aufgaben widerspräche dem systematischen Zusammenhang des Gesetzes. Nach Satz 2 des Art. 34 § 1 Abs. 1 gelten die (den Verkehrsteuern unterliegenden) Vorgänge als nicht umsatzsteuerbare Vorgänge. Da nur jene Tätigkeiten umsatzsteuerbar sein können, bei denen die Körperschaft öffentlichen Rechts als Unternehmer auftritt (FN 3), wäre diese Anordnung überflüssig, wenn nur hoheitliche Aufgaben unter die Begünstigung des Art. 34 Budgetbegleitgesetz 2001 fielen. Von den Verkehrsteuern befreit sei daher auch die Übertragung von nicht-hoheitlichen Aufgaben. (FN 4) Ohne Bedeutung ist nach Auffassung von Ehrke/Pilz schließlich, ob eine Aufgabe insgesamt oder nur Teile davon übertragen werden. Art. 34 Budgetbegleitgesetz 2001 greife auch bei erstmaliger Aufnahme einer Aufgabe einer Körperschaft öffentlichen Rechts direkt durch einen ausgegliederten Rechtsträger; es dürfe nämlich keinen Unterschied machen, ob eine Körperschaft öffentlichen Rechts eine neue Aktivität zunächst selbst wahrnimmt und anschließend an eine GmbH überträgt, oder ob diese GmbH unmittelbar die neue Tätigkeit aufnimmt. (FN 5) Festzuhalten ist somit, dass Art. 34 Budgetbegleitgesetz auch Vorgänge erfasst, bei denen es nicht zu einer Ausgliederung, sondern zu einer bloßen Übertragung von Aufgaben kommt. Eine Übertragung von Aufgaben liegt jedoch dann nicht vor, wenn nicht eine Aufgabe, sondern bloßes Vermögen oder auch nur die Finanzierung einer öffentlichen Aufgabe auf einen Privatrechtsträger übertragen wird.

Art. 34 Budgetbegleitgesetz 2001 spricht ganz allgemein von der 'Übertragung von Aufgaben'. Dieses Begriffspaar ist, wie bereits Ehrke/Pilz dargelegt haben, weit auszulegen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes sind daher auch jene Fälle von der Begünstigung erfasst, in denen nicht eine Aufgabe in ihrer Gesamtheit sondern nur teilweise übertragen wird.

Überträgt etwa eine Gemeinde ihr Eigentum an einem Schulgebäude auf einen von ihr rechtlich beherrschten Privatrechtsträger, so fällt dieser Vorgang unter Art. 34 Budgetbegleitgesetz 2001, wenn damit gleichzeitig die Aufgabe der Erhaltung (Instandhaltung) der Schule übertragen wird. Das muss unabhängig davon gelten, ob eine Gemeinde sämtliche in ihrem Eigentum stehenden Schulgebäude mit der damit einhergehenden Aufgabe der Schulerhaltung überträgt oder nur ein einziges Gebäude mit der Aufgabe der Schulerhaltung in Bezug auf dieses einzelne Gebäude. Sie muss nicht unbedingt im Zusammenhang mit Ausgliederungen erfolgen, umfasst sowohl hoheitliche als auch privatwirtschaftliche Aufgaben von Körperschaften öffentlichen Rechts und setzt nicht voraus, dass eine Aufgabe in ihrer Gesamtheit übertragen wird.'

Der Unabhängige Finanzsenat ist der Ansicht, dass das Tatbestandsmerkmal der 'Übertragung von Aufgaben' iSv Art. 34 Budgetbegleitgesetz 2001 weit auszulegen ist. Es sind daher auch jene Fälle erfasst, in denen nicht eine Aufgabe in ihrer Gesamtheit sondern nur teilweise übertragen wird.

Anzumerken ist noch, dass sich aus dem Verwaltungsvertrag vom keine Ausgliederung im Sinne des Art. 34 Budgetbegleitgesetz ergeben hat, zumal die bloße Übertragung der Verwaltung von Liegenschaften keine Tätigkeit im Sinne dieses Gesetzes ist. Ob die Übertragung dieser Tätigkeit eine Abgabenpflicht begründet hätte, ist hier nicht zu prüfen. Maßgeblich ist (nur), ob durch die konkrete Liegenschaftsübertragung ein steuerbarer, allerdings steuerfreier Vorgang gesetzt wurde.

Im gegenständlichen Fall ist daher eine begünstigte Übertragung von Aufgaben im Sinne des Art. 34 des Budgetbegleitgesetzes 2001 gegeben."

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Amtsbeschwerde beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Antrag vorgelegt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen, im Übrigen aber von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

Weiters hat die Mitbeteiligte eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet unter Zuerkennung des Ersatzes des entstandenen Aufwandes "in maximalem Umfang (Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand, Kommissionsgebühren und Eingabegebühren)" beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Abgabenbehörde erster Instanz sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zusammengefasst darin, die Übertragung von Aufgaben und von Eigentum an den Liegenschaften sei in zwei voneinander unabhängigen Rechtsvorgängen erfolgt. Während die Aufgabenübertragung zur Verwaltung und Erhaltung der Liegenschaften bereits im Jahr 1994 mittels Verwaltungsvertrages erfolgt sei, sei das Eigentumsrecht an den Liegenschaften erst im Jahr 2010 durch den gegenständlichen Kauf- und Tauschvertrag übertragen worden. Die Aufgabe der Gebäudeverwaltung und - erhaltung sei von der Mitbeteiligten entsprechend dem Verwaltungsvertrag bis zum Abschluss des gegenständlichen Kauf- und Tauschvertrages wahrgenommen worden. Der Umstand, dass die Aufgabe der Verwaltung und Erhaltung vor Abschluss des gegenständlichen Kauf- und Tauschvertrages durch Beendigung (Kündigung) des Verwaltungsvertrages aus dem Jahr 1994 wieder an die Stadt S zurückgefallen sei, sodass diese Aufgabe anlässlich des Kauf- und Tauschvertrages wiederum hätte übertragen werden können, sei während des gesamten Abgabenverfahrens weder behauptet worden noch nach der Aktenlage darauf zu schließen. Ein innerer Zusammenhang zwischen dem Verwaltungsvertrag aus dem Jahr 1994 und dem Kauf- und Tauschvertrag aus dem Jahr 2010 sei daher bereits aufgrund der Zeitkomponente zu verneinen. Ebensowenig handle es sich bei der Übertragung der Liegenschaften um eine Ausgliederungshandlung, da im Zeitpunkt des Abschlusses des Kauf- und Tauschvertrages die Aufgabe der Verwaltung und Erhaltung der Liegenschaften bereits an die Mitbeteiligte übertragen gewesen sei und somit lediglich das bloße Eigentumsrecht der Liegenschaften übertragen worden sei. Da es sich bei Art. 34 § 1 Abs. 1 des Budgetbegleitgesetzes 2001 um eine Befreiungsbestimmung handle, bei der die normierten Voraussetzungen für die Gewährung der Befreiung der Grunderwerbsteuer kumuliert vorliegen müssten, hätte die belangte Behörde Feststellungen dahingehend treffen müssen, ob eine Ausgliederung und Aufgabenübertragung erfolgt sei, ob die Ausgliederung und Aufgabenübertragung von einer Körperschaft öffentlichen Rechts an eine dort genannte Person, die unter beherrschendem Einfluss einer Körperschaft öffentlichen Rechts stehe, erfolgt und ob ein durch die Ausgliederung und Aufgabenübertragung unmittelbar veranlasstes Rechtsgeschäft abgeschlossen worden sei. Diesbezüglich lasse die angefochtene Berufungsentscheidung jegliche Auseinandersetzung und Sachverhaltsfeststellungen zur Frage vermissen, ob und welche Aufgabe von der Stadt S an die Mitbeteiligte übertragen worden sei.

Zur Darlegung der im Beschwerdefall maßgebenden Rechtslage sowie der hiezu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/16/0095 (und die dort zitierte Judikatur) verwiesen.

Art. 34 § 1 Abs. 1 setzt beschwerdefallbezogen für die Befreiung von der Grunderwerbsteuer u.a. voraus, dass das Rechtsgeschäft durch die Ausgliederung und Übertragung von Aufgaben unmittelbar veranlasst wurde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis ausführte, setzt die Befreiungsbestimmung des Art. 34 § 1 Abs. 1 nicht voraus, dass das Rechtsgeschäft durch ein Gesetz veranlasst wird, sondern dass dieses durch die Ausgliederung und die Übertragung von Aufgaben unmittelbar veranlasst ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfasst die Befreiungsbestimmung hoheitliche und nicht hoheitliche Aufgaben gleichermaßen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/16/0216, betreffend die Ausgliederung und Übertragung eines Weingutes).

Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid im Kern die Ansicht, Art. 34 § 1 Abs. 1 des Budgetbegleitgesetzes 2001 erfasse auch Fälle, in denen nicht eine Aufgabe in ihrer Gesamtheit, sondern nur teilweise übertragen werde. Aus dem Verwaltungsvertrag vom ergebe sich keine Ausgliederung im Sinn des Art. 34 § 1 Abs. 1 leg. cit., zumal die bloße Übertragung der Verwaltung von Liegenschaften keine solche Tätigkeit darstelle. Maßgeblich sei nur, ob durch die konkrete Liegenschaftsübertragung ein steuerbarer, allerdings steuerfreier Vorgang gesetzt worden sei. Im gegenständlichen Fall sei daher eine begünstigte Übertragung von Aufgaben im Sinne des Art. 34 § 1 des Budgetbegleitgesetzes 2001 gegeben.

Fraglich ist im vorliegenden Beschwerdefall, welche - vermutlich nicht hoheitliche - Aufgabe im Sinn des Art. 34 § 1 Abs. 1 leg. cit. ausgegliedert und übertragen wurde. Der wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde die Übertragung der Aufgaben laut Verwaltungsvertrag vom nicht für den Befreiungstatbestand in Betracht zog. Damit ließ sie aber im Ergebnis die bloße Übertragung von Vermögen genügen, womit die Tatbestandsmerkmale des Art. 34 § 1 Abs. 1 leg. cit. "durch die Ausgliederung und Übertragung von Aufgaben … veranlassten" jeglicher Bedeutung entkleidet wurden.

Dementgegen ist im Sinne der eingangs wiedergegebenen Rechtsprechung im Beschwerdefall zu prüfen, ob das in Rede stehende Rechtsgeschäft durch eine Ausgliederung und Übertragung von Aufgaben unmittelbar veranlasst wurde. Die Amtsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass dem angefochtenen Bescheid keine Feststellungen dahingehend zu entnehmen sind, welche Ausgliederung und Übertragung von Aufgaben den Kauf- und Tauschvertrag vom unmittelbar veranlasst haben soll. Wäre nach dem Gesagten die bloße Übertragung von Vermögen (etwa von Liegenschaften) nicht geeignet, den Befreiungstatbestand zu erfüllen, könnte dem gegenüber etwa der durch die Ausgliederung und Übertragung der (nicht hoheitlichen) Aufgabe des Wohnungswesens unmittelbar veranlassten Veräußerung von Liegenschaften (mit Wohngebäuden) nicht die Eignung abgesprochen werden, den in Rede stehenden Tatbestand zu erfüllen. Der derzeitige Stand des Verfahrens, insbesondere der Feststellungen des angefochtenen Bescheides verwehrt es jedoch, dieser Überlegung näher zu treten.

Die belangte Behörde wird daher im weiteren Verfahren die Mitbeteiligte, die das Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen für sich in Anspruch nimmt, zur Bekanntgabe aufzufordern haben, welche Ausgliederung und Übertragung von Aufgaben im Sinn des Art. 34 § 1 Abs. 1 des Budgetbegleitgesetzes 2001 ihrer Ansicht nach konkret vorlagen, die den Kauf- und Tauschvertrag vom unmittelbar veranlasst haben sollen, und, sollte sie zur Überzeugung gelangen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, dies im Ersatzbescheid nachvollziehbar begründet festzustellen haben.

Der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, dass von der Mitbeteiligten in ihrer Gegenschrift dargelegte Umstände und Zusammenhänge des Kauf- und Tauschvertrages vom solche Feststellungen nicht zu ersetzen vermögen.

Da die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid infolge sekundärer Feststellungsmängel mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastete, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am