VwGH vom 23.11.2010, 2008/06/0115

VwGH vom 23.11.2010, 2008/06/0115

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2008/06/0117

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerden des Dipl. Ing. WS in X, vertreten durch Mag. Rudolf Mondre, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Vogelweiderstraße 21, gegen die Bescheide der Salzburger Landesregierung 1. vom , Zl. 5/07-37.927/22-2008 (hg. Zl. 2008/06/0117), und 2. vom , Zl. 5/07-36.349/16-2008 (hg. Zl. 2008/06/0115), betreffend Einwendungen gegen Baubewilligungen (mitbeteiligte Partei: A Bau GmbH in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.221,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeverfahren betreffen bauliche Vorhaben der mitbeteiligten Partei (kurz: Bauwerberin) auf einem Areal in der Gemeinde W. Dieses Areal besteht aus den Grundstücken Nr. 1666 (das je zur Hälfte dem Beschwerdeführer und der Bauwerberin gehört) sowie aus den an dieses Grundstück grenzenden weiteren Grundstücken Nr. 1663/1, Nr. 1665/5 und Nr. 1665/1 (die der Bauwerberin alleine gehören).

Dem hg. Beschwerdeverfahren Zl. 2008/06/0115 liegt das Bauansuchen der Bauwerberin vom zugrunde, das am bei der Bezirkshauptmannschaft S (kurz: BH) eingebracht wurde. Gegenstand des Baugesuches ist die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Büroanbaues an ein bestehendes Bürogebäude sowie den Teilabbruch eines Lagerschuppens. Nach den Bauplänen soll der Erweiterungsbau (grundstücksübergreifend) teils auf dem Grundstück Nr. 1666 und teils auf dem Grundstück Nr. 1665/5 errichtet werden, der abzubrechende Schuppen befindet sich nur auf dem Grundstück Nr. 1665/5. Nach Durchführung einer Bauverhandlung am erteilte die BH mit erstinstanzlichem Bescheid vom die angestrebte baubehördliche Bewilligung für die Errichtung des Büroanbaues sowie des Teilabbruches des Lagerschuppens mit näheren Vorschreibungen.

Dem hg. Beschwerdeverfahren Zl. 2008/06/0117 liegt das Baugesuch der Bauwerberin vom zugrunde, das am bei der BH eingebracht wurde. Die Durchführung einer Bauverhandlung in diesem Verfahren ist den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Allerdings fand am eine bau- und gewerbebehördliche Überprüfung des Bauhofes der Bauwerberin im Hinblick auf die beiden beschwerdegegenständlichen Bauverfahren statt. Mit erstinstanzlichem Bescheid (ebenfalls) vom erteilte die BH der Bauwerberin auf Grund dieses Bauansuchens die nachträgliche baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Bürogebäudes Bauteil C sowie für Änderungen und Umstrukturierungen der Bauteile A und B des Bürogebäudes auf den Grundstücken Nr. 1665/5, 1663/1 und Nr. 1666 unter näheren Vorschreibungen.

Der Beschwerdeführer, der diesen beiden erstinstanzlichen Bauverfahren nicht beigezogen worden war, dem aber die erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheide zugestellt worden waren, erhob dagegen in einem gemeinsamen Schriftsatz vom Berufung.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid (vom , hg. Zl. 2008/06/0117) hat die belangte Behörde die Berufung gegen den (insoweit verfahrensgegenständlichen) erstinstanzlichen Bescheid vom als unbegründet abgewiesen. Dies wurde -

soweit hier noch wesentlich - zusammenfassend damit begründet, der Beschwerdeführer sei Miteigentümer des Grundstückes Nr. 1666, sodass ihm Parteistellung im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 1 lit. a BauPolG hinsichtlich jener Teile des Bauvorhabens, die auf den angrenzenden Grundstücken Nr. 1665/5 und Nr. 1663/1 errichtet werden sollten, zukomme. Er vermeine, dass eine nachträgliche Baugenehmigung nur auf Grundlage einer Zusammenlegung der drei Bauplätze rechtens hätte ausgesprochen werden dürfen. Dabei verkenne er, dass ihm diesbezüglich kein subjektives Nachbarrecht zukomme. Dem Einwand, das Vorhaben widerspreche der Abstandsregelung des § 25 Abs. 3 BGG, sei zu entgegnen, dass hier die Bestimmung des § 25 Abs. 7 lit. c BGG zur Anwendung komme, wonach für Betriebsbauten innerhalb der im Flächenwidmungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesenen Gebiete hinsichtlich des Abstandes zueinander die Bestimmung des § 25 Abs. 3 BGG nicht gelte. Auch sei die Behörde erster Instanz dem Erfordernis des § 59 Abs. 1 AVG nachgekommen, weil sie die angewendeten Bestimmungen angeführt habe.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid (vom , hg. Zl. 2008/06/0115) hat die belangte Behörde auch die Berufung gegen den insoweit verfahrensgegenständlichen erstinstanzlichen Bescheid (ebenfalls vom ) als unbegründet abgewiesen. Die Begründung entspricht im Wesentlichen jener des erstangefochtenen Bescheides.

Dagegen richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in Gegenschriften die kostenpflichtigen Abweisungen der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, beide Beschwerdeverfahren wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden, und hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht in beiden Beschwerden im Wesentlichen geltend, dass die Abstandsbestimmungen des § 25 Abs. 3 BGG einzuhalten seien; die Ausnahmebestimmung des § 25 Abs. 7 lit c BGG beziehe sich nur auf § 25 Abs. 4 BGG. Außerdem sei die belangte Behörde nicht darauf eingegangen, dass er eine Verletzung der Grenzabstände eingewendet habe. Er sei ferner gegen die Umstrukturierung des Bauteiles A, da in diesem Bauteil der Haupteingang zugemauert worden sei und das Hauptstiegenhaus in Bauteil C auf Fremdgrund verlegt worden sei. Im Übrigen habe die erstinstanzliche Behörde in den Bescheidsprüchen entgegen § 59 Abs. 1 AVG die angewendeten Gesetzesbestimmungen nicht zur Gänze angeführt.

Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 6 des Salzburger Baupolizeigesetzes 1997, LGBl. Nr. 40 (BauPolG), idF LGBl. Nr. 65/2004 ist die Baubewilligung zu versagen, wenn durch die baulichen Maßnahmen ein subjektiv-öffentliches Recht einer Partei verletzt wird; solche Rechte werden durch jene baulichen Vorschriften begründet, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Parteien; hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Höhe und die Lage der Bauten im Bauplatz. Soweit jedoch Bestimmungen des Bautechnikgesetzes, LGBl. Nr. 75/1976 (BauTG), in Betracht kommen, ist das Mitspracherecht des Nachbarn auf die im § 62 BauTG idF LGBl. Nr. 107/2003 taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Rechte beschränkt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/06/0187, mwN).

§ 7 BauPolG idF LGBl. Nr. 9/2001 lautet auszugsweise:

"Parteien

§ 7

(1) Parteien im Bewilligungsverfahren sind der Bewilligungswerber und außerdem

1. als Nachbarn

a) bei den im § 2 Abs 1 Z 1 angeführten baulichen Maßnahmen die Eigentümer jener Grundstücke, die von den Fronten des Baues nicht weiter entfernt sind, als die nach § 25 Abs 3 des Bebauungsgrundlagengesetzes maßgebenden Höhen der Fronten betragen. Bei oberirdischen Bauten mit einem umbauten Raum von über 300 m3 haben jedenfalls auch alle Eigentümer von Grundstücken, die von den Fronten des Baues weniger als 15 m entfernt sind, Parteistellung. Bei unterirdischen Bauten oder solchen Teilen von Bauten haben die Eigentümer jener Grundstücke Parteistellung, die von den Außenwänden weniger als zwei Meter entfernt sind;

...

(1a) Der Eigentümer des Grundstückes, auf dem die bauliche Maßnahme geplant ist, hat im Bewilligungsverfahren das Recht auf Akteneinsicht (§ 17 AVG).

..."

§ 12 des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes, LGBl. Nr. 69/1968 (BGG), idF LGBl. Nr. 65/2004, lautet auszugsweise:

"§ 12

(1) Baubewilligungen für Bauführungen (§ 1 Abs 1 des Baupolizeigesetzes 1997 - BauPolG) dürfen, abgesehen von den im Baupolizeigesetz geregelten Voraussetzungen, nur erteilt werden, wenn die Grundfläche zur Bebauung geeignet und zum Bauplatz erklärt ist. Inhalt der Bauplatzerklärung sind außerdem die Festlegung der Bauplatzgröße und -grenzen und der erforderlich erscheinenden Bebauungsgrundlagen, soweit diese Festlegungen nicht im Bebauungsplan getroffen sind, sowie die Konkretisierung der Grundabtretungsverpflichtungen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes. Besteht kein Erfordernis nach derartigen Festlegungen oder keine Verpflichtung zur Grundabtretung, beschränkt sich die Bauplatzerklärung auf die Feststellung der Bebaubarkeit. Die Bauplatzerklärung kann einen Bauplatz oder mehrere Bauplätze (Parzellierung) zum Gegenstand haben.

..."

§ 25 BGG idF LGBl. Nr. 107/2003 lautet auszugsweise:

"Lage der Bauten im Bauplatz

§ 25

(1) Die Bauten sollen im Bauplatz und zueinander so gelegen sein, daß sowohl sie als auch die auf benachbarten Bauplätzen bestehenden oder zu errichtenden Bauten eine ihrem Zweck entsprechende Besonnung und Belichtung erhalten und daß die dem Aufenthalt von Menschen dienenden Räume so weit wie möglich vor Lärmeinwirkung geschützt sind.

(2) Soweit nicht durch die im Bebauungsplan festgelegten Bebauungsgrundlagen Bestimmungen über die Lage der Bauten im Bauplatz vorgesehen sind und soweit nicht durch andere Rechtsvorschriften ein größerer Abstand der Bauten zu den Grenzen des Bauplatzes oder der Bauten zueinander vorgeschrieben ist, gelten hinsichtlich der Lage der Bauten im Bauplatz die nachstehenden Bestimmungen.

(3) Für den Abstand der Bauten von der Grundgrenze gegen die Verkehrsfläche gilt die Baufluchtlinie oder die Baulinie. Im übrigen müssen die Bauten im Bauplatz so gelegen sein, daß ihre Fronten von den Grenzen des Bauplatzes jeweils einen Mindestabstand im Ausmaß von Dreiviertel ihrer Höhe bis zum obersten Gesimse oder zur obersten Dachtraufe, jedenfalls aber von 4 m, haben. Grenzt der Bauplatz an Flächen an, die ihrer Bodenbeschaffenheit nach nicht bebaubar sind (Gewässer, Böschungen u. dgl.), vermindert sich dieser Abstand um die Hälfte der Breite dieser Flächen, nicht jedoch unter 4 m. Die Höhe bis zum obersten Gesimse oder zur obersten Dachtraufe ist an der jeweiligen Front vom gewachsenen Gelände aus zu berechnen. Nicht als oberste Dachtraufe gelten hiebei Traufen von bloß geringfügiger Länge, die keinen negativen Einfluß auf die sonst gegebenen Besonnungs- und Belichtungsverhältnisse ausüben (Traufen von Krüppel- oder Schopfwalmen).

(4) Im Bauplatz muß jeder Bau von einem anderen einen Abstand von mindestens der Summe ihrer nach Abs. 3 vorgeschriebenen Grenzabstände haben. Hiebei gelten die im § 34 lit. a ROG 1998 angeführten Gruppen von Bauten sowie gekuppelt errichtete Bauten (§ 34 lit. b ROG 1998) als ein Bau. Diese Mindestabstandsbestimmung gilt nicht für eingeschoßige Nebenanlagen, die zu Wohnbauten gehören und dem Bedarf der Bewohner dienen.

...

(7) Die vorstehenden Bestimmungen gelten nicht

...

c) für Betriebsbauten innerhalb der im Flächenwidmungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesenen Gebiete hinsichtlich des Abstandes zueinander;

..."

§ 59 Abs. 1 AVG lautet:

"§ 59. (1) Der Spruch hat die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen. Mit Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrages gelten Einwendungen als miterledigt. Läßt der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zu, so kann, wenn dies zweckmäßig erscheint, über jeden dieser Punkte, sobald er spruchreif ist, gesondert abgesprochen werden."

In beiden Beschwerden rügt der Beschwerdeführer, die Behörde erster Instanz habe es im Spruch ihrer Bescheide entgegen § 59 Abs. 1 AVG unterlassen, "die angewendeten Bestimmungen und zwar in der Regel zur Gänze" anzuführen. Entsprechend seiner Berufung meint der Beschwerdeführer damit offenbar, dass nicht nur die Fundstellen, sondern der ganze Wortlaut der Bestimmungen wiederzugeben sei.

Dem ist zu entgegnen, dass nach § 59 Abs. 1 AVG die Behörde nicht verhalten ist, die angewendeten Gesetzesbestimmungen "zur Gänze", also in ihrem vollen Wortlaut, anzuführen. Die Wortfolge "in der Regel zur Gänze" bezieht sich darauf, dass der Spruch alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge und ferner die allfällige Kostenfrage in der Regel zur Gänze zu erledigen hat.

Die belangte Behörde führte in der Begründung der angefochtenen Bescheide aus, dass hier die Regelung des § 25 Abs. 7 lit. c BGG zur Anwendung gelange, wonach für Betriebsbauten innerhalb der im Flächenwidmungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesenen Gebiete hinsichtlich des Abstandes zueinander die Bestimmung des § 25 Abs. 3 BGG nicht gelte. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist die Auffassung der belangten Behörde, dass § 25 Abs. 7 lit c BGG die Anwendbarkeit (auch) des § 25 Abs. 3 BGG ausschließt, zutreffend, wie im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/06/0009, näher dargelegt wurde, auf das insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird.

Ein Bauplatz im Sinne des BGG muss im Übrigen keineswegs mit einem Grundstück ident sein. Ein Bauplatz kann auch nur einen Teil eines Grundstückes umfassen, aber auch mehrere Grundstücke, ja sogar, wie sich aus § 21 Abs. 3 BGG ergibt, Grundflächen unterschiedlicher Grundbuchseinlagen, die unterschiedlichen Eigentümern gehören (vgl. Giese , Salzburger Baurecht, S. 30, Anm. 8). Folgerichtig stellt § 25 BGG, überschrieben mit "Lage der Bauten im Bauplatz" (vom ersten Satz des Abs. 3 betreffend den Abstand der Bauten von der Grundgrenze gegen die Verkehrsfläche abgesehen), nicht auf die Grundgrenzen, wie der Beschwerdeführer offenbar meint, sondern auf die Grenzen des Bauplatzes ab.

Schließlich macht der Beschwerdeführer geltend, er erhebe Einwand gegen die Umstrukturierung des Bauteiles A, weil in diesem Bauteil der Haupteingang zugemauert und das Hauptstiegenhaus in den Bauteil C verlegt worden sei. Er fordere, dass der Haupteingang im Bauteil A wiederhergestellt werde. Dazu, dass der Haupteingang nicht verlegt werde, kommt dem Beschwerdeführer aber kein Nachbarrecht zu.

Die Beschwerden erweisen sich daher insgesamt als unbegründet und waren gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am