VwGH vom 23.06.2010, 2008/06/0102
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde der VS in Z, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in 5700 Zell/See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 5/07-40.703/2-2008, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: NH GmbH in Z), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den am bei der Bezirkshauptmannschaft Zell am See (kurz: BH) eingebrachten Eingaben vom beantragte die mitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerberin) die Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung für eine Betriebsanlagenänderung und die Erteilung der Baubewilligung für bauliche Maßnahmen. Den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass ein bestehendes Hotel erweitert und hiezu ein ebenfalls bestehendes Gebäude genutzt werden soll; im Kellergeschoß soll ein Verbindungsgang zwischen zwei Gebäuden hergestellt werden. Auch ist u.a. eine "Sportbar" geplant. (Projektunterlagen sind den vorgelegten Verwaltungsakten nicht angeschlossen). Die Beschwerdeführerin ist Miteigentümerin eines an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes.
Mit Erledigung vom beraumte die BH unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG eine Verhandlung im gewerbehördlichen und im baubehördlichen Verfahren für den an. Die Beschwerdeführerin erhob (durch die Beschwerdevertreter) rechtzeitig (im Schriftsatz vom ) Einwendungen gegen das Vorhaben und bezog Stellung gegen die zu erwartenden Lärm-, aber auch Geruchsbelästigungen (Lärmbelästigungen durch Gäste beim Verlassen der Bar, durch die Be- und Entlüftung vom Wellnessbereich und der Bar, sowie auch durch Musikdarbietungen in der Bar; Lärm- und Geruchsbelästigungen ausgehend vom Müllplatz).
In der Verhandlung vom führten beigezogene Amtssachverständige aus, die Projektunterlagen seien zu überarbeiten (abzuändern); der bautechnische Amtssachverständige schlug der Baubehörde vor, bis zum Vorliegen der überarbeiteten Pläne die Verhandlung zu vertagen bzw. (sodann) neu auszuschreiben. Die Verhandlung wurde um 14.45 Uhr beendet; ein Hinweis, dass sie geschlossen oder auch vertagt werde, findet sich in der Niederschrift nicht.
Mit Eingabe vom (die am selben Tag eingebracht wurde) wurden der Behörde "die neu ausgearbeiteten bzw. überarbeiteten Einreichunterlagen" vorgelegt und es wurde hiezu um Genehmigung ersucht (diese Projektunterlagen sind den Verwaltungsakten ebenfalls nicht angeschlossen).
Die BH beraumte somit die neuerliche Verhandlung im gewerbe- und im baubehördlichen Verfahren für den an (in der Kundmachung findet sich der Hinweis: "Fortsetzung der Verhandlung vom "); diese neuerliche Erledigung enthält abermals den Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG.
Die Beschwerdeführerin wurde hiezu persönlich geladen. Die Kundmachung wurde außerdem an der Amtstafel der Gemeinde sowie auch in den benachbarten Häusern angeschlagen.
Gemäß der Verhandlungsschrift vom erstattete die in der Verhandlung anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin ein Vorbringen dahingehend, dass das neue Projekt und das Verhandlungsergebnis zur Kenntnis genommen werde. Es bestünden (aber) nach wie vor Bedenken, dass gemäß § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1994 eine Belästigung durch Geruch und Lärm entstehen könnte (wurde näher ausgeführt). Ausdrücklich werde auch darauf hingewiesen, dass die bestimmungsgemäße Benützung des Eigentums der Beschwerdeführerin nicht beeinträchtigt werden dürfe. Ergänzend wurde von der Beschwerdeführerin "seitens" einer anderen Nachbarin, die keine Einwendungen erhoben hatte, ausgeführt, dass bezüglich des Fluchtweges die Bauwerberin als Wegerhalterin diesen Fluchtweg gemäß § 1319a ABGB erhalten müsse.
Am Ende der Niederschrift stellte der Verhandlungsleiter fest, dass die Behörde die Bauplatzerklärung als gegeben ansehe. Es handle sich lediglich um einen Verbindungsgang, der unterirdisch ausgeführt werde, und es sei daher im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des BGG von einer Abänderung der Bauplatzerklärung abzusehen.
Sodann verkündete er den Schluss des Ermittlungsverfahrens und der mündlichen Verhandlung.
Die BH erteilte mit gesonderten Bescheiden vom einerseits die angestrebte gewerbebehördliche und andererseits die angestrebte baurechtliche Bewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen (unter Bezugnahme auf Einreichpläne vom ). In der Begründung des baubehördlichen Bescheides werden die Äußerungen der Beschwerdeführerin in der Verhandlung vom wiedergegeben (auf die Einwendungen in der ersten Verhandlung wird nicht weiter eingegangen).
Die Beschwerdeführerin erhob Berufungen gegen beide Bescheide.
In der Berufung gegen den baubehördlichen Bescheid bemängelte sie zunächst, die Behörde habe nicht angeführt, auf Grund welcher Bestimmungen des Bautechnikgesetzes das Projekt beurteilt werde.
Die Behörde nehme die erforderliche Bauplatzerklärung als gegeben an. Aber auch hier führe sie keine Bestimmung an, auf die sie sich beziehe. Dadurch sei der erstinstanzliche Bescheid inhaltlich rechtswidrig. Soweit die Behörde meine, es sei keine Abänderung einer Bauplatzerklärung notwendig, weil es sich lediglich um einen unterirdischen Verbindungsgang handle, sei dem zu entgegnen, dass in den Plänen ein weiterer Hauptausgang bzw. Zugang vorgesehen sei, der über den Verbindungsgang an der Westseite jenes Grundstückes, das im Miteigentum der Beschwerdeführerin stehe, führe. Auch seien neue Parkplätze für das Vorhaben erforderlich, was eine Auswirkung auf die Bauplatzerklärung haben könnte. Auch darauf sei die Behörde nicht eingegangen. Der bautechnische Amtssachverständige habe ausgeführt, dass es sich nicht nur um einen Innenumbau handle, sondern auch ein Erweiterungsbau vorliege. Dieser Sachverständige schlage auch vor, die bestehende Müllanlage entsprechend optisch und baulich einzuhausen. Es hätte daher die Behörde erster Instanz umfassend prüfen müssen, ob eine Änderung des Bauplatzes gemäß § 24 BGG vorliege.
Auch hätte die Behörde prüfen müssen, ob die entsprechenden Abstände gemäß § 25 BGG eingehalten worden seien.
Weiters hätte in der baubehördlichen Bewilligung "exakt ausgeführt werden müssen, wie konkret die Verbauung des gegenständlichen Müllbereiches auszuschauen hätte, da dies wohl auch Einfluss auf die Bauplatzerklärung bzw. Änderung eines Bauplatzes hätte".
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung als unzulässig zurückgewiesen, was sie damit begründete, dass die Kundmachung vom den Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG enthalten habe. Dessen ungeachtet habe die Beschwerdeführerin in der Verhandlung vom keine Einwendungen erhoben, sondern vielmehr das neue Projekt und das Verhandlungsergebnis zur Kenntnis genommen. Lediglich im Verfahren nach der Gewerbeordnung seien Einwendungen erhoben worden. Daher sei ihre Berufung zurückzuweisen gewesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG idF seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung behalten hat.
Die Beschwerdeführerin trägt zusammengefasst vor, sie habe bereits mit Schriftsatz vom Einwendungen erhoben, dies auch im baubehördlichen Verfahren. Es sei daher nicht erforderlich gewesen, in der weiteren Verhandlung am erneut Einwendungen vorzutragen. Außerdem sei von ihr (durch ihren Vertreter) im Zuge der zweiten Verhandlung ausdrücklich vorgebracht worden, dass die bisherigen Einwendungen aufrecht erhalten würden, was jedoch nicht aus der Wiedergabe des Vorbringens im erstinstanzlichen Bewilligungsbescheid hervorgehe. Eine Ausfertigung der Verhandlungsschrift sei der Beschwerdeführerin nicht zugestellt worden, obwohl sie dies beantragt habe. Auch sei der Umstand, dass der Vertreter der Beschwerdeführerin im Zuge der Verhandlung am das Verhandlungsergebnis zur Kenntnis genommen habe, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht dahin zu verstehen, dass dem Ergebnis die positive Zustimmung erteilt worden sei.
Dazu komme, dass der Behörde erster Instanz mit dem Schriftsatz vom eine Vollmachtsanzeige übermittelt worden sei. Es wäre daher die Beschwerdeführerin zur Verhandlung vom zu Handen ihrer Vertreter zu laden gewesen, was aber unterlassen worden sei. Dies begründe eine wesentliche Mangelhaftigkeit des Verfahrens, weil eine gehörige Vorbereitung nicht möglich gewesen sei. Auch im Falle einer ordnungsgemäßen Verständigung wäre das Verfahren mangelhaft gewesen, weil wesentliche Aktenbestandteile wie beispielsweise das lärmtechnische Gutachten sich nicht bei der Behörde erster Instanz befunden hätten, somit eine Einsichtnahme nicht möglich gewesen sei. Eine diesbezügliche Anfrage des Vertreters der Beschwerdeführerin am Tag vor der Verhandlung habe nämlich ergeben, dass das lärmtechnische Gutachten nicht einsehbar sei, weil es sich beim maschinenbautechnischen Amtssachverständigen in Salzburg befinde.
Die Beschwerde ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Werden zwei (formell eigenständige) Bauverfahren nacheinander abgeführt, gelten Einwendungen, die in früheren Verfahren erhoben wurden, nicht allein deshalb auch schon als in späteren Verfahren erhoben. Vielmehr bedarf es neuerlicher Einwendungen oder zumindest eines ausreichend klaren Vorbringens, dass die früheren Einwendungen aufrecht erhalten werden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/06/0089). Dass ein solcher Fall vorläge (zwei formell selbständige Verfahren nacheinander), hat die belangte Behörde aber nicht dargelegt. Vielmehr ist nach dem Akteninhalt davon auszugehen, dass im Zuge des mit Eingabe vom eingeleiteten Bauverfahrens nach Durchführung der Verhandlung am , in der von den Sachverständigen die Mangelhaftigkeit der Einreichunterlagen aufgezeigt wurde, verbesserte Einreichunterlagen vorgelegt und auf Grund dessen die zweite Verhandlung am durchgeführt wurde; sie wurde von der Behörde erster Instanz auch als Fortsetzung der ersten Verhandlung verstanden. Wird eine mündliche Verhandlung vertagt (unterbrochen) und zu einem späteren Termin fortgesetzt, bilden die vertagte (unterbrochene) und die fortgesetzte Verhandlung eine Einheit (siehe dazu Hengstschläger/Leeb , AVG § 42 Rz 41). Das bedeutet, wie die Beschwerdeführerin zutreffend hervorhebt, dass die bereits erhobenen Einwendungen weiter aufrecht bleiben und nicht wiederholt werden müssen. Aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin (durch ihren Vertreter) gemäß der Niederschrift vom das geänderte Vorhaben und das Verhandlungsergebnis "zur Kenntnis" nehme, ist für den Standpunkt der belangten Behörde nichts zu gewinnen, weil daraus nicht ableitbar ist, dass sie nunmehr dem Vorhaben zustimme (und im Bauverfahren keine Einwendungen mehr erhebe bzw. ihre bisherigen zurückziehe); aus der (bloßen) "Kenntnisnahme" kann eine Zustimmung hier umso weniger abgeleitet werden, als ja weiterhin Bedenken gegen das Vorhaben vorgetragen wurden.
Allerdings ist daraus für die Beschwerdeführerin im Ergebnis nichts zu gewinnen:
Dass die BH im erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid keine gesetzlichen Bestimmungen angeführt habe, wie die Beschwerdeführerin in der Berufung gerügt hat, bewirkt entgegen ihrer Annahme weder eine inhaltliche Rechtswidrigkeit noch eine wesentliche Mangelhaftigkeit. Inhaltlich hat die Beschwerdeführerin in der Berufung zwei Themenkreise angesprochen, nämlich einerseits den Mangel an einer entsprechenden Bauplatzerklärung und andererseits die mögliche Verletzung von Abstandsvorschriften.
Allerdings kommt der Beschwerdeführerin als Nachbarin kein Recht darauf zu, dass überhaupt vor Erteilung einer Baubewilligung eine Bauplatzerklärung vorliegt (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/06/0226, unter Hinweis auf Vorjudikatur). Die - mögliche - Verletzung von Abstandsvorschriften hingegen hat sie im Verfahren erster Instanz nicht rechtzeitig eingewendet, sodass diesbezüglich Präklusion eingetreten ist. Dem formellen Einwand, sie hätte zur fortgesetzten Bauverhandlung zu Handen ihrer rechtsfreundlichen Vertreter geladen werden müssen (was richtig ist), ist allerdings zu entgegnen, dass die fortgesetzte Verhandlung vom überdies "doppelt kundgemacht" wurde (nämlich durch Anschlag an der Gemeindetafel und in den angrenzenden Häusern), was als ausreichende Kundmachung im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG anzusehen war. Schon aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass die Einwendung einer möglichen Abstandsverletzung nicht rechtswirksam erst in der Berufung "nachgeschoben" werden konnte. Soweit erstmals in der Beschwerde weitere Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens behauptet werden, handelt es sich um Neuerungen, auf die gemäß § 41 VwGG nicht Bedacht genommen werden kann (zudem wurden Lärmbelästigungen in der Berufung nicht mehr geltend gemacht).
Die Beschwerdeführerin wurde somit durch den angefochtenen Bescheid im Ergebnis in keinen Rechten verletzt, sodass die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am