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VwGH vom 30.06.2010, 2010/08/0116

VwGH vom 30.06.2010, 2010/08/0116

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der E GmbH in V, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 14, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom , Zl. BMJ-A470.00/0002-III 5/2010, betreffend Errichtung einer Schlichtungsstelle gemäß § 144 ArbVG und Bestellung des Vorsitzenden und der Beisitzer dieser Schlichtungsstelle, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde auf Antrag des Betriebsrates eines Betriebes der beschwerdeführenden Partei gemäß § 144 ArbVG eine Schlichtungsstelle zur Entscheidung über die Erstellung einer Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs. 1 Z 4 ArbVG eingerichtet. Weiters wurden der Vorsitzende und die Beisitzer der Schlichtungsstelle bestellt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Arbeiterbetriebsrat der beschwerdeführenden Partei am beim Präsidenten des Landesgerichts die Errichtung einer Schlichtungsstelle gemäß § 144 iVm § 97 Abs. 2 ArbVG beantragt habe. Nach Dienstgeberkündigung aller 98 Mitarbeiter der Produktionsstätte am Standort in H durch die beschwerdeführende Partei sei es zu Besprechungen zwischen den Parteien über eine Betriebsvereinbarung - einen Sozialplan mit Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung und Milderung der Folgen der Betriebsänderung, die wesentliche Nachteile für alle Mitarbeiter bringe - gekommen. Weil die Besprechungen ergebnislos geblieben seien, sei gemäß § 144 Abs. 1 ArbVG eine Schlichtungsstelle zur Entscheidung über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs. 1 Z 4 ArbVG einzusetzen.

Die beschwerdeführende Partei habe mit Schriftsatz vom die Abweisung dieses Antrages beantragt, da eine Schlichtungsstelle nur dann eingerichtet werden könne, wenn eine Einigung über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat nicht zu Stande komme. Davon könne jedoch nicht die Rede sein, weil zwar am 13. und sowie am ergebnislos Verhandlungen über den Abschluss eines Sozialplanes stattgefunden hätten, aber für den noch ein weiterer Verhandlungstermin vereinbart gewesen sei.

Mit Bescheid vom habe der Präsident des Landesgerichtes gemäß § 144 ArbVG eine Schlichtungsstelle zur Entscheidung über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs. 1 Z 4 ArbVG eingerichtet, da der Abschluss eines Sozialplans als gescheitert anzusehen sei.

Nach weiterer Darlegung des Verfahrensganges sowie der anzuwendenden Rechtsvorschriften führt die belangte Behörde aus, dass bereits die Betriebsschließung selbst für die 98 beschäftigten Mitarbeiter einen Nachteil darstelle. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Arbeitnehmer während des Verfahrens über die Kündigungsanfechtungen kein Arbeitsentgelt erhielten, worin ebenfalls ein Nachteil für die Arbeitnehmer zu erblicken sei. Verfehlt sei auch das Argument der beschwerdeführenden Partei, wonach die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen seien und es aus diesem Grund noch nicht feststünde, ob es vielleicht doch noch zu einer Einigung über eine Betriebsvereinbarung komme. Bis zum Zeitpunkt der Antragstellung hätten zwischen den Parteien mehrere Verhandlungen stattgefunden, die jedoch zu keiner Einigung geführt hätten. Auch aus der Tatsache, dass der Betriebsrat einen Antrag auf Errichtung der Schlichtungsstelle eingebracht hat, könne geschlossen werden, dass dieser die Verhandlungen als gescheitert angesehen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 97 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) lautet, soweit hier relevant, wie folgt:

§ 97. (1) Betriebsvereinbarungen im Sinne des § 29 können in folgenden Angelegenheiten abgeschlossen werden: ...

4. Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung der Folgen einer Betriebsänderung im Sinne des § 109 Abs. 1 Z 1 bis 6, sofern diese wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich bringt; ...

(2) Kommt in den in Abs. 1 Z 1 bis 6 und 6a bezeichneten Angelegenheiten zwischen Betriebsinhaber und Betriebsrat über den Abschluß, die Abänderung oder Aufhebung einer solchen Betriebsvereinbarung eine Einigung nicht zustande, so entscheidet -

insoweit eine Regelung durch Kollektivvertrag oder Satzung nicht vorliegt - auf Antrag eines der Streitteile die Schlichtungsstelle.

(3) In Betrieben, in denen dauernd nicht mehr als 50 Arbeitnehmer beschäftigt werden, ist die Bestimmung des Abs. 1 Z 7, in Betrieben, in denen dauernd weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigt werden, auch die Bestimmung des Abs. 1 Z 4 nicht anzuwenden. ..."

Die in § 97 Abs 1 Z 4 ArbVG angesprochenen Bestimmungen des § 109 Abs. 1 Z 1 bis 6 haben folgenden Wortlaut:

"§ 109. (1) Der Betriebsinhaber ist verpflichtet, den Betriebsrat von geplanten Betriebsänderungen ehestmöglich, jedenfalls aber so rechtzeitig vor der Betriebsänderung in Kenntnis zu setzen, daß eine Beratung über deren Gestaltung noch durchgeführt werden kann. Als Betriebsänderungen gelten insbesondere

1. die Einschränkung oder Stillegung des ganzen Betriebes oder von Betriebsteilen;

1a. 1a. die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, die

eine Meldepflicht nach § 45a Abs. 1 Z 1 bis 3 Arbeitsmarktförderungsgesetz, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, auslöst,


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2.
die Verlegung des ganzen Betriebes oder von Betriebsteilen;
3.
der Zusammenschluß mit anderen Betrieben;
4.
Änderungen des Betriebszwecks, der Betriebsanlagen, der Arbeits- und Betriebsorganisation sowie der Filialorganisation;
5.
die Einführung neuer Arbeitsmethoden;
6.
die Einführung von Rationalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen von erheblicher Bedeutung;"

"§ 144. (1) Zur Entscheidung von Streitigkeiten über den Abschluß, die Änderung oder die Aufhebung von Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten, in welchen das Gesetz die Entscheidung durch Schlichtungsstellen vorsieht, ist auf Antrag eines der Streitteile eine Schlichtungsstelle zu errichten. Die Schlichtungsstelle ist am Sitz des mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befaßten Gerichtshofes, in dessen Sprengel der Betrieb liegt, zu errichten. Bei Streitigkeiten über den Abschluß, die Änderung oder Aufhebung von Betriebsvereinbarungen, deren Geltungsbereich Betriebe umfaßt, die in zwei oder mehreren Sprengeln liegen, ist der Sitz des Unternehmens, dem die Betriebe angehören, maßgebend. Durch Vereinbarung der Streitteile kann die Schlichtungsstelle am Sitz eines anderen mit Arbeits- und Sozialrechtssachen in erster Instanz befaßten Gerichtshofes errichtet werden. Ein Antrag auf Entscheidung einer Streitigkeit durch die Schlichtungsstelle ist an den Präsidenten des in Betracht kommenden Gerichtshofes zu richten.

(2) Die Schlichtungsstelle besteht aus einem Vorsitzenden und vier Beisitzern. Der Vorsitzende ist vom Präsidenten des Gerichtshofes auf einvernehmlichen Antrag der Streitteile zu bestellen. Kommt eine Einigung der Streitteile auf die Person des Vorsitzenden innerhalb von zwei Wochen ab Antragstellung (Abs. 1) nicht zustande, so ist er auf Antrag eines der Streitteile vom Präsidenten des Gerichtshofes zu bestellen. Die Bestellung hat aus dem Kreise der Berufsrichter zu erfolgen, die bei dem Gerichtshof mit Arbeits- und Sozialrechtssachen befaßt sind. Sie bedarf der Zustimmung des zu Bestellenden.

(3) Jeder der Streitteile hat zwei Beisitzer namhaft zu machen, davon einen aus einer Beisitzerliste; der zweite Beisitzer soll aus dem Kreise der im Betrieb Beschäftigten namhaft gemacht werden. Hat einer der Streitteile binnen zwei Wochen ab Antragstellung (Abs. 1) die Nominierung der Beisitzer nicht vorgenommen, so hat der Präsident des in Betracht kommenden Gerichtshofes sie aus der Liste der Beisitzer jener Gruppe (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer), welcher der Säumige angehört, zu bestellen.

(4) Die Streitteile haben die Einigung auf die Person des Vorsitzenden und die Nominierung der Beisitzer dem Präsidenten des in Betracht kommenden Gerichtshofes mitzuteilen, der den Vorsitzenden der Schlichtungsstelle und die Beisitzer unverzüglich zu bestellen hat."

2. Wie sich aus den zitierten Gesetzesbestimmungen ergibt, ist eine Schlichtungsstelle daher (unter anderem) dann zu errichten, wenn dies zur Entscheidung von Streitigkeiten über den Abschluss eines Sozialplans iSd § 97 Abs. 1 Z 4 ArbVG von einem der Streitteile beantragt wird.

Die Beschwerde zieht nicht in Zweifel, dass ein Antrag des Betriebsrates eines Betriebs der beschwerdeführenden Partei vorliegt, der auf die Einsetzung einer Schlichtungsstelle zur Entscheidung einer Streitigkeit über den Abschluss eines Sozialplanes, also einer erzwingbaren Betriebsvereinbarung im Sinne des § 97 Abs. 1 Z 4 iVm Abs. 2 ArbVG, gerichtet ist. Für diesen Fall sieht § 144 Abs. 1 ArbVG zwingend die Errichtung der Schlichtungsstelle vor. Nur der Schlichtungsstelle obliegt es, die Voraussetzungen für den gegebenenfalls durch ihre Entscheidung zu substituierenden Abschluss eines Sozialplans, wie insbesondere, dass die Betriebsänderung wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich bringt, zu beurteilen. Eine "Vorprüfung" dieser Voraussetzungen im Rahmen der vom zuständigen Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes vorzunehmenden Errichtung der Schlichtungsstelle ist nicht vorgesehen.

Vor diesem Hintergrund geht das Beschwerdevorbringen, wonach nicht feststehe, ob die beabsichtigte Betriebsänderung überhaupt zu wesentlichen Nachteilen führe, ebenso ins Leere wie die Ausführungen zu den von der beschwerdeführenden Partei behaupteten weiteren Verhandlungen zwischen den Streitteilen.

3. Schließlich macht die beschwerdeführende Partei Verfahrensmängel geltend, da die belangte Behörde - wie auch die unterinstanzlichen Behörden - kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und kein Parteiengehör gewährt habe. Die Beschwerde zeigt aber nicht auf, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde im Falle der Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel hätte kommen können, sodass, selbst wenn die behaupteten Verfahrensmängel tatsächlich vorlägen, deren Relevanz nicht dargetan wurde.

4. Die Beschwerde war daher, da bereits ihr Inhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, gemäß § 35 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am