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VwGH vom 21.09.2018, Ra 2017/17/0735

VwGH vom 21.09.2018, Ra 2017/17/0735

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des W H, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , LVwG-2015/21/2015-3, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kufstein),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom wurde der Revisionswerber wegen des unternehmerischen Zugänglichmachens von zwei näher bezeichneten Glücksspielgeräten der zweifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild iVm § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, 2, 3, und 4, § 3 und § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt und über ihn zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 5.000,- (sowie zwei Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 30 Stunden) verhängt. Die von der Behörde zur Festlegung des Strafausmaßes herangezogene Strafnorm findet sich nicht im Spruch dieses Straferkenntnisses, in der Begründung führte die Behörde jedoch aus, betreffend die Strafbemessung sei wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden, bereits verhängten rechtskräftigen Bestrafung des Revisionswerbers "ein Strafrahmen von 3.000 Euro bis zu 30.000 Euro pro Automat maßgeblich". Milderungsgründe lägen keine vor, erschwerend sei die genannte Vorstrafe zu berücksichtigen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde des Revisionswerbers teilweise Folge und setzte die Geldstrafe auf EUR 3.000,- je Glücksspielgerät (sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf jeweils 18 Stunden) herab. Im Übrigen wies das LVwG die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Im Zusammenhang mit der Strafbemessung führte auch das LVwG im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses die herangezogene Strafnorm nicht an; in der Begründung des Erkenntnisses findet sich dazu die Ausführung, die belangte Behörde habe "den im Gesetz vorgesehenen Strafrahmen zwar bei weitem nicht ausgeschöpft", die von der Behörde herangezogene, aktenkundige Bestrafung nach dem GSpG wegen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG liege aber schon einige Jahre zurück und betreffe "einen anderen Spezialtatbestand nach § 52 Glücksspielgesetz (...) als hier gegenständlich". Auch die nunmehr reduzierte Strafhöhe sei schuld- und tatangemessen.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde sah im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Der Revisionswerber hält in seiner Zulässigkeitsbegründung dem angefochtenen Erkenntnis einerseits die Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des GSpG entgegen und richtet sich andererseits gegen die Anwendung des vom LVwG seiner Ansicht nach zugrundegelegten zweiten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG.

9 Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. ).

10 A) Die Revision erweist sich im Hinblick auf das in der Zulässigkeitsbegründung ausgeführte Vorbringen zur Strafbemessung als zulässig. Sie ist im Umfang der Überprüfung des Strafausspruches im Ergebnis auch berechtigt:

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beschuldigte ein Recht darauf, dass im Spruch die richtige, und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint. Gleiches gilt für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (z.B. , mwN, oder auch , mwN). Im vorliegenden Fall ist bei einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG die Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 GSpG.

12 Die Berufungsbehörde bzw. nunmehr das Verwaltungsgericht hat daher insoweit, als der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides fehlerhaft ist, weil z.B. die angewendeten Gesetzesstellen unrichtig oder unvollständig zitiert wurden, dies in seinem Abspruch zu ergänzen bzw. richtigzustellen (nochmals , mwN).

13 Im vorliegenden Fall zog die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht - wie lediglich der Begründung des bekämpften Straferkenntnisses zu entnehmen ist - zur Strafbemessung offensichtlich die Strafsanktionsnorm des § 52 Abs. 2 zweiter Strafsatz GSpG heran; das LVwG setzte in der Folge im angefochtenen Erkenntnis zwar sowohl die verhängten Geld- als auch die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen herab, verschwieg sich jedoch zur Frage der von ihm herangezogenen Strafsanktionsnorm gänzlich. Bereits insofern hat das LVwG das angefochtene Erkenntnis im Umfang des Ausspruches über die verhängte Strafe durch einen Verstoß gegen § 44a Z 3 VStG mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

14 Wenn das LVwG in diesem Zusammenhang zur Begründung der vorgenommenen Strafbemessung lediglich ausgeführt, dass die von der Behörde herangezogene Vorstrafe "einen anderen Spezialtatbestand nach § 52 Glücksspielgesetz (...) als hier gegenständlich" betrifft, legt es damit nicht offen, ob es der verhängten Strafe - nunmehr - die Strafsanktionsnorm des § 52 Abs. 2 erster Satz oder - wie offensichtlich die belangte Behörde -

jene des § 52 Abs. 2 zweiter Satz GSpG zugrundegelegt hat und entzieht die vorgenommene Strafbemessung insofern einer Überprüfbarkeit durch den Verwaltungsgerichtshof. Das angefochtene Erkenntnis ist daher mangels Nachvollziehbarkeit der Strafbemessung im Umfang des Ausspruchs über die verhängte Strafe sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruchs über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (vgl. erneut , mwN).

15 Lediglich ergänzend ist in diesem Zusammenhang für das fortgesetzte Verfahren auszuführen, dass der im Fall "der erstmaligen und weiteren Wiederholung" vorgesehene zweite Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes die Bestrafung wegen einer Vortat nach dem ersten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG voraussetzt, bezieht sich das strafsatzbestimmende Kriterium der Wiederholung doch auf die Übertretung des Abs. 1 Z 1 leg. cit. mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen (vgl. ). Darüberhinaus ist auf das sich aus § 19 Abs. 2 erster Satz VStG ergebende Doppelverwertungsgebot hinzuweisen, wonach die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe nur soweit bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen sind, als sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen (vgl. ). Die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevanten Umstände dürfen also nicht noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden (zu allem z.B. , mwN).

16 B) Im Übrigen erweist sich die Revision als unzulässig:

17 Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision betreffend eine behauptete Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des GSpG ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; , Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; , Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff, , Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff, sowie , Gmalieva s.r.o., C-79/17). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom , Ro 2015/17/0022, sowie vom , Ra 2018/17/0048, 0049, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Pfleger, C-390/12.

18 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom , Online Games Handels GmbH ua, C- 685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55).

19 Die Revision war daher im Übrigen gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

20 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170735.L00

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