VwGH vom 08.09.2010, 2010/08/0111
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des R L in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2009-0566-9- 004129, betreffend Ruhen des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien R (in der Folge: AMS R) vom wurde dem Antrag des Beschwerdeführers vom auf Nachsicht vom Ruhen der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 21. Juli bis zum wegen Auslandsaufenthaltes gemäß § 38 iVm § 16 Abs. 1 lit. g und § 16 Abs. 3 AlVG keine Folge gegeben.
Über die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid den erstinstanzlichen Bescheid wie folgt abgeändert:
"Ihrem Ansuchen betreffend Nachsicht vom Ruhen des Anspruches auf Notstandshilfe vom bis gemäß § 38 iV. § 16 Abs. 1 lit. g und § 16 Abs. 3 AlVG wird keine Folge gegeben.
Nachsicht gemäß § 16 Abs. 3 AlVG wird nicht gewährt."
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei in diesem Zeitraum in England auf Arbeitssuche gewesen und habe sich bei etwa hundert Betrieben beworben. Bisher habe er von rund vierzig Betrieben eine Antwort erhalten. Er habe eine Liste mit den Namen, Adressen und dem Datum seiner Bewerbungen in England vorgelegt. Eine Bestätigung des Quartiergebers liege vor, ebenso die Antwortschreiben der Firmen.
Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass er im Sommer 2009 die Chance eines billigen Transfers nach Großbritannien genützt habe, um sich auf dem dortigen Arbeitsmarkt zu bewerben. Die Möglichkeit, sich über das Internet zu bewerben, sei nach Meinung des Beschwerdeführers für England nicht geeignet, weil dies dort nicht üblich sei. Auch seien nicht alle Stellenangebote, vor allem nicht die kurzfristig zu besetzenden, im Internet zu finden. Vor Ort würde sich vor allem durch die Tageszeitungen eine größere Auswahl an Stellenangeboten ergeben. Er hoffe bei jeder Bewerbung, dass er zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen werde. Somit sei es besser, bereits im Land aufhältig zu sein, um schneller reagieren zu können. Es sei ausreichend, wenn er über die Arbeitssuche Nachweise erbringe, es müsse keine Beendigung der Arbeitslosigkeit erreicht werden.
Unbestritten bleibe - so die belangte Behörde weiter -, dass sich der Beschwerdeführer bei vielen Firmen schriftlich beworben habe. Anzumerken sei, dass er sich bereits seit mehreren Jahren regelmäßig in derselben Ortschaft aufhalte und seine Bewerbungen an diverse Firmen versende, bei einigen Firmen jedes Jahr. Der Meinung des Beschwerdeführers, er vergrößere den Aktionsradius seiner Bewerbungen, indem er sich im Ausland (England) bewerbe, könne nicht beigepflichtet werden, weil er immer in der gleichen Ortschaft Quartier nehme und sich die angeschriebenen Firmen im Umkreis dieser Ortschaft befänden. Somit vergrößere sich sein Aktionsradius nicht, sondern werde nur in ein anderes Land verlegt. Die Chancen, durch Blindbewerbungen im Ausland einen Arbeitsplatz zu erhalten, seien "nicht so erfolgversprechend". Ohne Vorhandensein eines konkreten Arbeitsplatzangebotes sei ein fünfwöchiger Auslandsaufenthalt nicht gerechtfertigt. Blindbewerbungen könnten unter Einsatz der technischen Hilfsmittel (Internet, fremdsprachige Zeitungen) sowie unter Inanspruchnahme der Eures-Jobangebote in die Wege geleitet werden. Daran ändere auch nichts, dass möglicherweise potenzielle Dienstgeber lieber bereits im Inland befindliche arbeitsuchende Personen anschreiben bzw. anrufen. Die Einführung des "EGVO-Mitnahmeanspruches" sei eben für denjenigen Personenkreis eingeführt worden, der noch kein konkretes Jobangebot habe. Dieser Personenkreis habe auch die Möglichkeit, auf die im Ausland befindlichen AMS-Verbindungsstellen und deren Infrastruktur zurückzugreifen. § 16 Abs. 3 AlVG sei (hingegen) vor allem für Personen geschaffen worden, die bereits ein konkretes Angebot hätten und zur Abklärung ins Ausland fahren müssten. Es könne sohin keine Nachsicht vom Ruhen der Notstandshilfe gewährt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig, weil er mit Schreiben vom Nachsicht für den Zeitraum vom 21. Juli bis zum beantragt habe. Der erstinstanzliche Bescheid habe in rechtswidriger Weise keinerlei Zeitangaben enthalten. Die belangte Behörde habe in der Begründung des angefochtenen Bescheides festgehalten, dass das AMS R mit erstinstanzlichem Bescheid ein Ruhen des Notstandshilfeanspruches im Zeitraum vom 21. Juli bis zum ausgesprochen hätte, was nicht zutreffe. Durch die Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend, dass dem Nachsichtsansuchen des Beschwerdeführers vom 21. Juli bis zum keine Folge gegeben wurde, habe sie den fiktiven Nachsichtszeitraum des erstinstanzlichen Bescheides auf den ausgedehnt. Einen Nachsichtsantrag für diesen Tag habe der Beschwerdeführer nie gestellt. Die erstinstanzliche Behörde habe über diesen Tag nicht abgesprochen. Mit dem angefochtenen Bescheid habe die belangte Behörde daher die Sache des erstinstanzlichen Verfahrens überschritten.
Da der Beschwerdeführer in seinem Nachsichtsansuchen keine Begründung dafür angegeben hat, warum er die Nachsicht nur bis zum (und nicht bis zum ) beantragt hat, und sich die von ihm geltend gemachten Nachsichtsgründe ihrer Natur nach auf den gesamten Ruhenszeitraum beziehen, durfte die belangte Behörde davon ausgehen, dass sich sein Antrag auf den gesamten Ruhenszeitraum bezogen hat und das dort angegebene Enddatum bloß auf einem Versehen beruhte. Eine Überschreitung der Sache des erstinstanzlichen Verfahrens liegt daher nicht vor.
2. Gemäß § 16 Abs. 1 lit. g AlVG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während des Aufenthalts des Leistungsbeziehers im Ausland, soweit nicht § 16 Abs. 3 AlVG oder Regelungen auf Grund internationaler Verträge anzuwenden sind. Nach § 16 Abs. 3 AlVG in der seit dem Strukturanpassungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 297, unveränderten, hier anzuwendenden Fassung ist auf Antrag des Arbeitslosen das Ruhen des Arbeitslosengeldes gemäß § 16 Abs. 1 lit. g bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände nach Anhörung des Regionalbeirates bis zu drei Monate während eines Leistungsanspruches (§ 18 AlVG) nachzusehen.
Der in § 16 Abs. 3 AlVG vorgesehene Antrag auf Nachsicht vom Ruhen des Arbeitslosengeldes, für den eine gesetzliche Befristung nicht vorgesehen ist, kann auch noch nach dem Auslandsaufenthalt gestellt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0152).
Berücksichtigungswürdige Umstände sind gemäß § 16 Abs. 3 AlVG Umstände, die im Interesse der Beendigung der Arbeitslosigkeit gelegen sind, insbesondere wenn sich der Arbeitslose ins Ausland begibt, um nachweislich einen Arbeitsplatz zu suchen oder um sich nachweislich beim Arbeitgeber vorzustellen oder um sich einer Ausbildung zu unterziehen, oder Umstände, die auf zwingenden familiären Gründen beruhen.
Vor dem Hintergrund des § 16 Abs. 3 AlVG hat der Arbeitslose - sofern er nicht zwingende familiäre Gründe geltend zu machen vermag - darzutun, dass er sich im Interesse einer wirksamen Beendigung der Arbeitslosigkeit ins Ausland begeben und dadurch einen Tatbestand verwirklicht habe, der eine Nachsicht vom sonst (wegen des Ausschlusses oder der Einschränkung seiner Vermittelbarkeit auf dem inländischen Arbeitsmarkt durch die Behörde der Arbeitsmarktverwaltung) eintretenden Ruhen rechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/08/0001).
Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass der Auslandsaufenthalt des Beschwerdeführers geeignet gewesen sein könnte, zu einer wirksamen Beendigung seiner Arbeitslosigkeit beizutragen, weil das Verfassen von Bewerbungen von einem im Ausland gelegenen Ort aus grundsätzlich nicht erfolgversprechender ist als eine entsprechende Bemühung um die Erlangung eines Arbeitsplatzes im Inland. Dazu kommt, dass dem Beschwerdeführer im Inland die Hilfe der Arbeitsmarktverwaltung zu Gebote gestanden wäre, was seine Chancen für die Beendigung seiner Arbeitslosigkeit verbessert hätte. Der Beschwerdeführer vermochte keine besonderen Umstände zu nennen, aus denen abgeleitet werden könnte, dass seinen Bewerbungen im Ausland eine maßgeblich höhere Erfolgswahrscheinlichkeit als entsprechende Bemühungen im Inland besessen hätten.
Die Beschwerde bringt vor, es sei rechtswidrig, "den Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3 AlVG einzuschränken und ihn als Gegensatz zur Mitnahmemöglichkeit des Leistungsanspruchs iSd Artikels 69 der VO (EWG) 1408/71 darzustellen ... (... die Mitnahme des Leistungsanspruches ins EU-Ausland und Nachsicht des Ruhens der Leistung bei Auslandsaufenthalt schließen einander nicht aus)." Dem ist zu erwidern, dass ein Mitnahmeanspruch nach Art. 69 der VO 1408/71 (erstens) vor der Ausreise geltend gemacht und bewilligt werden muss, und dass sich (zweitens) der betroffene Arbeitslose im Ausland der dortigen Arbeitsmarktverwaltung zur Verfügung zu stellen hat. Da beide Voraussetzungen nicht vorliegen, hat die belangte Behörde zu Recht das Nachsichtsansuchen nur anhand § 16 Abs. 3 AlVG geprüft.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am
Fundstelle(n):
MAAAE-74791