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VwGH 21.09.2018, Ra 2017/17/0719

VwGH 21.09.2018, Ra 2017/17/0719

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
VStG §9;
RS 1
Die Eintragung bzw. Löschung der Funktion des Beschuldigten als Geschäftsführer im Firmenbuch ist nicht entscheidungswesentlich. Die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit nach § 9 VStG besteht für die Dauer der Organfunktion, also ab dem Zeitpunkt der (wirksamen) Bestellung bis zu deren (wirksamer) Beendigung (Abberufung). Auf eine allfällige Firmenbucheintragung kommt es - infolge deren bloß deklarativer Wirkung - nicht an (vgl. , mwN).
Norm
GSpG 1989 §52 Abs2;
RS 2
Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass ein Gerät, das lediglich als Komponente (Cash-Center, Bildschirm, etc.) einer technischen Vorrichtung, mit der dem Spieler die Teilnahme an einem Glücksspiel ermöglicht wurde, verwendet wurde, nicht als selbstständiger Eingriffsgegenstand einer Bestrafung nach § 52 Abs. 2 GSpG zugrunde gelegt werden darf (vgl. ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des Mag. Ing. MM in V, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 30.23- 1071/2017-14, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Murtal), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Murtal vom wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten GmbH der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) betreffend 13 näher bezeichnete Glücksspielgeräte im Tatzeitraum von bis schuldig erkannt; es wurden über ihn Geldstrafen von insgesamt EUR 65.000,-- (und Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht die vom Revisionswerber erhobene Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass es den Tatzeitraum auf bis und bis einschränkte. Weiters sprach es aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Kostenersatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4 Die Zulässigkeit der Revision wird schon mit dem detaillierten Vorbringen aufgezeigt, wonach das angefochtene Erkenntnis von (zitierter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verbot der "reformatio in peius" und zur selbstständigen Bestrafung betreffend mehrere Cash-Center abweicht. Sie ist auch berechtigt.

5 Das Verbot der "reformatio in peius" führt dazu, dass dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - in der zweitinstanzlichen Entscheidung der Tatzeitraum reduziert wird, nicht die gleiche Strafe verhängt werden darf wie im verwaltungsbehördlichen Straferkenntnis, sofern nicht andere Strafzumessungsgründe heranzuziehen sind als im verwaltungsbehördlichen Straferkenntnis (vgl. z.B. , mwN).

6 Da das Verwaltungsgericht den Tatzeitraum eingeschränkt hat und trotz Heranziehung derselben, schon dem erstinstanzlichen Straferkenntnis zu Grunde liegenden Strafzumessungsgründe die verhängten Strafen nicht herabgesetzt hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

7 Das Verwaltungsgericht begründete die Einschränkung des Tatzeitraumes damit, dass der Revisionswerber laut Firmenbuchauszug vom bis und vom bis handelsrechtlicher Geschäftsführer der gegenständlichen GmbH gewesen sei.

8 Die Eintragung bzw. Löschung der Funktion des Revisionswerbers als Geschäftsführer im Firmenbuch ist allerding nicht entscheidungswesentlich. Die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit nach § 9 VStG besteht für die Dauer der Organfunktion, also ab dem Zeitpunkt der (wirksamen) Bestellung bis zu deren (wirksamer) Beendigung (Abberufung). Auf eine allfällige Firmenbucheintragung kommt es - infolge deren bloß deklarativer Wirkung - nicht an (vgl. VwGH , Ra 2017/17/0202, mwN).

9 Um beurteilen zu können, ob der Revisionswerber im (gesamten) Tatzeitraum zur Vertretung nach außen berechtigtes Organ der gegenständlichen Gesellschaft gemäß § 9 Abs. 1 VStG war, wären vom Verwaltungsgericht Feststellungen zu treffen gewesen, auf Grund derer beurteilt werden kann, wann die Funktion des Revisionswerbers als Geschäftsführer der gegenständlichen Gesellschaft wirksam begründet bzw. beendet wurde (Bestellung bzw. Abberufung). Die alleinige Bezugnahme auf die Eintragung bzw. Löschung der Eintragung des Revisionswerbers als Geschäftsführer im Firmenbuch ist nicht entscheidungswesentlich für die Lösung der Rechtsfrage, ob dieser im (gesamten) Tatzeitraum vertretungsbefugtes Organ iSd § 9 Abs. 1 VStG war.

10 Aufgrund Verkennens der Rechtslage hat es das Verwaltungsgericht unterlassen, die in diesem Zusammenhang entscheidungswesentlichen Feststellungen zu treffen, wodurch es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastete.

11 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass ein Gerät, das lediglich als Komponente (Cash-Center, Bildschirm, etc.) einer technischen Vorrichtung, mit der dem Spieler die Teilnahme an einem Glücksspiel ermöglicht wurde, verwendet wurde, nicht als selbstständiger Eingriffsgegenstand einer Bestrafung nach § 52 Abs. 2 GSpG zugrunde gelegt werden darf (vgl. ). Auch in diesem Zusammenhang hat das Landesverwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

12 Das angefochtene Erkenntnis war im Sinne obiger Ausführungen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

13 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
GSpG 1989 §52 Abs2;
VStG §9;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170719.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAE-74769