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VwGH vom 18.12.2008, 2008/06/0082

VwGH vom 18.12.2008, 2008/06/0082

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der B GmbH in W, vertreten durch Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 50/S - 106/Mi/2007, betreffend einen Interessenbescheid gemäß § 30 MRG (mitbeteiligte Parteien: 1. F GmbH, 2. K M), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines viergeschossigen Zinshauses im XY Wiener Gemeindebezirk. Die Erstmitbeteiligte ist Mieterin eines Geschäftslokales in diesem Gebäude, der Zweitmitbeteiligte Mieter einer Wohnung.

Mit Eingabe vom (bei der Behörde eingelangt am Tag darauf) beantragte die Beschwerdeführerin die Erlassung eines Interessenbescheides gemäß § 30 Abs. 2 Z 15 MRG und brachte vor, das Haus sei in einem schlechten baulichen Zustand. Es befänden sich darin zur Zeit insgesamt acht Bestandobjekte, nämlich drei Wohnungen, drei Büros und zwei Geschäftslokale, von denen alle, mit Ausnahme der beide vermieteten Bestandobjekte, leer stünden. Die Beschwerdeführerin beabsichtige, das Gebäude abzutragen und in einem Neubau vier Büros, ein Geschäftslokal, einen Kinderspielraum und 20 neue Mietwohnungen einschließlich einer Tiefgarage neu zu errichten. Die Größe der geplanten Wohnungen werde in den Regelgeschossen zwischen 64 m2 und 80 m2 und in den Dachgeschoßen rund 95 m2 bis 135 m2 betragen. Wie aus den beiliegenden Projektunterlagen ersichtlich, solle damit die Gesamtnutzfläche von derzeit 1360 m2 auf rund 2400 m2 vergrößert werden. Die Gesamtinvestition werde sich auf rund EUR 3,4 Mio. belaufen. Als geplante Nettomiete sei von der Beschwerdeführerin ein Betrag von durchschnittlich EUR 9,50/m2 vorgesehen. Das Vorhaben liege im Hinblick auf die Errichtung einer Tiefgarage und die Vermehrung der Anzahl der Wohnungen im öffentlichen Interesse, zumal es einen Assanierungszweck erfülle; es komme auch zu einer allgemeinen Verbesserung des Stadtbildes. Dieses öffentliche Interesse überwiege jedenfalls die Interessen der von der Bauführung betroffenen beiden Mieter.

Als Ergebnis eines Ermittlungsverfahrens, im Zuge dessen auch ein Lokalaugenschein am erfolgte, wies der Magistrat der Stadt Wien, MA 64, mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom den Antrag der Beschwerdeführerin ab. Zur Begründung heißt es zusammenfassend, das Grundstück sei mit einem Gründerzeithaus mit Kellergeschoß, Erdgeschoß und drei Obergeschoßen bebaut. Darin befänden sich neun Bestandobjekte mit einer Gesamtnutzfläche von 1356 m2, davon drei Wohnungen. Derzeit seien nur die beiden Objekte der mitbeteiligten Parteien vermietet. Die MA 18, Stadtentwicklung und Stadtplanung, habe in einer Stellungnahme die Auffassung vertreten, dass für die mit dem Projekt vorgesehenen Nutzungen eine Vielzahl von Standorten in ganz Wien geeignet und zur Bedarfsdeckung grundsätzlich ausreichend seien. Ein öffentliches Interesse, ein Projekt mit ubiquitären Nutzungen an einem ganz bestimmten Standort zu realisieren, bestehe nicht. Auch sei zu beachten, dass eine Zunahme der Bebauungsdichte nicht automatisch den Zielen der Stadtentwicklung entspreche, weil übertriebene Dichten oft mit unzureichender Qualität verbunden seien. Ein Abbruch des bestehenden Gebäudes liege daher aus der Sicht der Stadtentwicklung und Stadtplanung nicht im öffentlichen Interesse.

Die MA 19, Architektur und Stadtgestaltung, habe ausgeführt, dass aus deren Sicht das Gebäude als erhaltenswert eingestuft werde. Es sei im Jahr 1886 als Wohn- und Geschäftshaus im Typus eines Eckhauses der Gründerzeit errichtet worden, die originale Fassade und die Fenster seien zum Großteil noch erhalten. Für das näher bezeichnete Ensemble werde es als bedeutend eingestuft und es bestehe der Wunsch, die betreffende Häuserzeile in die Schutzzone aufzunehmen.

Die MA 37 (Baupolizei) habe ausgeführt, dass das Haus in einem relativ guten Zustand sei, es gebe zur Zeit weder Bauaufträge noch Anzeigen über Gebrechen.

Die Behörde sehe daher weder den Tatbestand einer Stadtbildverbesserung noch den einer Assanierung als erfüllt an. Dabei sei auch zu beachten, dass Assanierungsmaßnahmen nicht nur durch den Abbruch oder Neubau des Gebäudes, sondern auch durch den Umbau und durch Verbesserungsmaßnahmen gesetzt werden könnten und eine wirtschaftliche Sanierung des bestehenden Gebäudes nach Auffassung des Wohnfonds Wien möglich sei.

Zur Beurteilung der Frage, ob der geplante Neubau aus Verkehrsrücksichten im öffentlichen Interesse liege, sei festzuhalten, dass die Errichtung einer Tiefgarage nach Auffassung des Sachverständigen der MA 46, Verkehrsorganisation und technische Verkehrsangelegenheiten, primär dem Zweck der Erfüllung einer allfälligen Stellplatzverpflichtung diene, welche sich aus der Nutzung des Gebäudes ergebe. Stellplätze, welche über das gesetzlich erforderliche Maß hinaus errichtet würden, dienten im Regelfall rein privatwirtschaftlichen Interessen (Vermietung, Verkauf). Keinesfalls liege die Errichtung von Pflichtstellplätzen im öffentlichen Interesse, vielmehr ergäben sich diese aus den gesetzlichen Vorgaben für den Bauherrn.

Zu der Frage, ob das geplante Projekt der Vermehrung der Wohnungen diene, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet seien, sei auszuführen, dass gemäß § 4 Abs. 2 BodenbeschaffungsG ein qualitativer Wohnfehlbestand beachtlich wäre, wenn in der Gemeinde die Zahl der mangelhaft ausgestatteten Wohnungen mehr als 10 % der Zahl der vorhandenen Wohnungen betrage. Nach der Gebäude- und Wohnungszählung 2001 betrage der Anteil dieser Wohnungen in Wien insgesamt 7,5 %, im XY Wiener Gemeindebezirk 7,0 %.

Was die Vermehrung der Anzahl von Wohnungen betreffe, könnte auch der derzeitige Bestand wirtschaftlich besser genutzt werden bzw. es könnte ein Umbau unter teilweiser Beibehaltung des Altbestandes erfolgen. Nach der Stellungnahme des Wohnfonds Wien scheine eine wirtschaftliche Sanierung des Bestandes, eventuell mit Aufstockung und Dachgeschoßausbau unter Ausnutzung der Bestimmungen des geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes möglich.

Daher seien keine Gründe hervorgekommen, aus denen sich ergebe, dass der geplante Neubau im öffentlichen Interesse liege.

Die Beschwerdeführerin berief.

Die belangte Behörde ergänzte das Ermittlungsverfahren und holte zur Frage, ob in Wien ein quantitativer Wohnungsbedarf oder ein qualitativer Wohnfehlbestand im Sinne des Bodenbeschaffungsgesetzes gegeben sei, eine Stellungnahme der MA 50 vom ein und weiters eine ergänzende Stellungnahme der MA 37, Baupolizei, vom . In Letzterer heißt es, dass sich gemäß den dort aufliegenden Konsensplänen auf der Liegenschaft ein Gebäude bestehend aus einem Kellergeschoß, vier Hauptgeschoßen (Erdgeschoß bis dritter Stock) und einem Dachgeschoß befinde. Gemäß einem bestimmten Plandokument sei für die Liegenschaft die Widmung Bauland - gemischtes Baugebiet, Bauklasse 4, und die geschlossene Bauweise festgelegt. Weiters seien innere Baufluchtlinien festgelegt worden, die sich nahezu an den Bestand orientierten (im Neubaufall wäre eine unwesentlich größere Grundfläche der Geschoße möglich). Weiters heißt es:

"Die Hauptgeschoße sind als Lokal oder Büro gewidmet. Die einzige Wohnung befindet sich im Dachgeschoß, wobei der Großteil des Dachgeschoßes als Dachboden gewidmet ist. Da sich im Wohnungsverband dieser Wohnung im Dachgeschoß ein Abort sowie ein Bad befindet, handelt es sich nicht um eine mangelhafte Wohnung gem. § 3 Abs. 10 des Stadterneuerungsgesetzes. Nach Ansicht der MA 37/9 treffen somit die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Z 2-4 des Stadterneuerungsgesetzes nicht zu."

Die Beschwerdeführerin gab dazu eine Äußerung ab und verwies insbesondere auf die Verordnung LGBl. Nr. 27/1975 (Verordnung der Wiener Landesregierung vom , mit welcher gemäß § 5 Abs. 2 des Bodenbeschaffungsgesetzes über Antrag der Gemeinde Wien festgestellt wurde, dass in dieser Gemeinde ein qualitativer Wohnungsfehlbestand gemäß § 4 des zitierten Gesetzes bestehe).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung heißt es zusammenfassend, der Begriff der Assanierung in § 30 Abs. 2 Z 15 MRG sei im Sinne des § 1 Abs. 2 des Stadterneuerungsgesetzes auszulegen, wobei die dort genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssten. Nach der Stellungnahme der MA 37 vom gebe es in diesem Gebäude (nur) eine (einzige) Wohnung. Der Zweitmitbeteiligte habe mit Schreiben vom mitgeteilt, dass sich im Haus nicht eine, sondern zwei Wohnungen befänden, wobei eine bewohnt sei und eine leer stehe. Damit lägen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 des Stadterneuerungsgesetzes jedenfalls nicht vor. Ein öffentliches Interesse am Vorhaben aus dem Blickwinkel der Verkehrsrücksichten sei nicht anzunehmen (Hinweis auf die Begründung des Bescheides erster Instanz). Die von der Beschwerdeführerin bezogene Verordnung LGBl. Nr. 27/1975 beziehe sich lediglich auf den Zweck der Bodenbeschaffung, sei daher im Beschwerdefall nicht maßgeblich. Nach der Mitteilung der MA 50 vom verfüge Wien derzeit (mit Stand ) über einen Gesamtbestand von rund 942000 Wohnungen, welchen 787400 Haushalte gegenüberstünden (Quelle: Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2006). Die Zahl der vorhandenen Wohnungen übersteige damit die Zahl der Haushalte um deutlich mehr als 3 %. Die Zahl der gemeldeten und von der Gemeinde Wien anerkannten Wohnungssuchenden betrage laut Vormerkstatistik von Wiener Wohnen derzeit (Letztstand vom ) 17349 Personen, was einem Anteil an der Wiener Gesamtbevölkerung von rund 1 % entspreche. Gemäß aktueller Wohnungsbedarfsprognose für Wien werde der voraussichtliche Neubaubedarf bis zum Jahr 2011 bei 8892 Wohnungen jährlich, von 2012 bis 2020 bei 8447 Wohnungen jährlich liegen. Dieser Bedarf werde durch die derzeitige Neubaurate (7000 Wohnungen im geförderten Bereich, rund 1500 bis 2000 Wohnungen frei finanziert) hinreichend abgedeckt. Beobachtungen des Marktgeschehens zeigten außerdem, dass pro Jahr etwa 82500 Wohnungen neu bezogen würden (davon 43400 durch Umziehende, 39100 durch neu auftretende Haushalte), denen ein Angebot von rund 126000 Wohnungen gegenüberstehe. Daraus ergebe sich, dass ein quantitativer Wohnungsbedarf im Sinne des § 4 Abs. 1 BodenbeschaffungsG in Wien nicht bestehe.

Von derzeit (Stand ) insgesamt 942500 Wohnungen in Wien entsprächen 55500 der Kategorie D gemäß dem MRG, das seien 5,9 %. Diese Anzahl reduziere sich durch die Wohnhaussanierung um rund 3300 Einheiten pro Jahr, während der Gesamtwohnungsbestand (ausschließlich Kategorie A-Wohnungen) um ca. 8500 bis 9000 zunehme. Dadurch werde der Anteil der Kategorie D-Wohnungen in den nächsten Jahren weiterhin stark abnehmen.

Aus diesen Zahlen ergebe sich, dass ein qualitativer Wohnungsfehlbestand im Sinne des § 4 Abs. 1 (richtig: Abs. 2) Bodenbeschaffungsgesetz nicht bestehe.

Eine behauptete Verbesserung des Stadtbildes reiche für sich allein auch nicht aus, ein öffentliches Interesse festzustellen.

Die Berufung sei daher als unbegründet abzuweisen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie der Zweitmitbeteiligte, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 30 Abs. 1 Mietrechtsgesetz, BGBl. Nr. 520/1981 (MRG), kann der Vermieter nur aus wichtigen Gründen den Mietvertrag kündigen.

Gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG in der Fassung des zweiten MietrechtsänderungsG BGBl. Nr. 68/1991 ist als ein wichtiger Grund u. a. anzusehen, wenn ein Miethaus ganz oder in dem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befindet, abgetragen oder umgebaut werden soll, mit dem Abbruch (Umbau) die Errichtung eines neuen (geänderten) Baues sichergestellt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bauwerbers mit Bescheid erkannt hat, dass selbst unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der bisherigen Mieter der geplante Neubau (Umbau) aus Verkehrsrücksichten, zu Assanierungszwecken, zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfs oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind, oder aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse liegt und dem Mieter Ersatz beschafft wird.

Das Bodenbeschaffungsgesetz, BGBl. Nr. 288/1974, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 112/2003, lautet auszugsweise:

"Aufgaben der Länder

§ 1. Die Länder haben nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Vorsorge zu treffen, dass die Gemeinden für die Errichtung von Häusern mit Klein- oder Mittelwohnungen oder von Heimen für Ledige, Schüler, Studenten, Lehrlinge, jugendliche Arbeitnehmer oder für betagte Menschen unbebaute Grundstücke, die baureif sind oder baureif gemacht werden können, sowie Ergänzungsgrundstücke beschaffen (Bodenbeschaffung)."

"(§ 2) (3) Liegen die Voraussetzungen für die Anwendung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für eine Gemeinde vor, so finden diese Bestimmungen im Interesse dieser Gemeinde auf Nachbargemeinden Anwendung, auch wenn diese keinen quantitativen Wohnungsbedarf oder qualitativen Wohnungsfehlbestand haben. Eine Verordnung der Landesregierung gemäß § 5 darf jedoch nur erlassen werden, wenn diese Nachbargemeinde zustimmt."

"§ 4. (1) Ein quantitativer Wohnungsbedarf im Sinne dieses Bundesgesetzes liegt vor, wenn in einer Gemeinde die Zahl der vorhandenen und der im Bau befindlichen Wohnungen die Zahl der Haushalte um nicht mehr als 3 v. H. übersteigt oder in einer Gemeinde 2 v. H. der Wohnbevölkerung als Wohnungssuchende gemeldet und von der Gemeinde als solche anerkannt sind. Barackenwohnungen, Behelfsheime, Einzelräume und sonstige Notunterkünfte sind nicht als Wohnungen zu zählen.

(2) Ein qualitativer Wohnungsfehlbestand im Sinne dieses Bundesgesetzes liegt vor, wenn in einer Gemeinde die Zahl der mangelhaft ausgestatteten Wohnungen mehr als 10 v. H. der Zahl der vorhandenen Wohnungen (Abs. 1) beträgt; als mangelhaft ausgestattet gelten Wohnungen mit Wasserentnahme oder Abort außerhalb derselben.

(3) Grundstücke dürfen nur in einem solchen Ausmaß in Anspruch genommen werden, als es nötig ist, um den im § 1 angeführten Zweck zu erreichen."

"Bodenbeschaffung

§ 5. (1) In Gemeinden, in denen ein quantitativer Wohnungsbedarf oder ein qualitativer Wohnungsfehlbestand (§ 4) besteht, sowie in Gemeinden gemäß § 2 Abs. 3 finden die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unter nachstehenden Voraussetzungen Anwendung.

(2) Die Landesregierung kann zum Zwecke der Bodenbeschaffung (§ 1) über Antrag der Gemeinde (Abs. 1) durch Verordnung feststellen, dass in dieser Gemeinde ein quantitativer Wohnungsbedarf oder ein qualitativer Wohnungsfehlbestand gemäß § 4 besteht. Eine solche Verordnung ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind.

(3) Die Gemeinde, für deren Gebiet eine Feststellung gemäß Abs. 2 oder § 2 Abs. 3 getroffen wurde, kann im Verordnungswege festlegen, dass in ihrem ganzen Gemeindegebiet oder in bestimmten Teilen ihres Gemeindegebietes die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden sind. Hat eine Gemeinde für ihr ganzes Gemeindegebiet Bebauungsvorschriften (Flächenwidmungspläne, Flächennutzungspläne, Raumordnungspläne u. dgl.) auf Grund landesgesetzlicher Bestimmungen erlassen, so können nur solche Gebiete als Bodenbeschaffungsgebiete ausgewiesen werden, wo die Bebauungsvorschriften die Errichtung von Wohnungen vorsehen. Bestehen für das ganze Gemeindegebiet oder für Teile davon keine Bebauungsvorschriften, können auch Gebiete zur Bodenbeschaffung herangezogen werden, für die keine Bebauungsvorschriften vorhanden sind. In letzterem Falle tritt die Verordnung der Gemeinde außer Kraft, wenn eine der Verbauung mit Wohnungen entgegenstehende Bebauungsvorschrift erlassen wird, jedoch nur insoweit, als diese für das Bodenbeschaffungsgebiet eine der Verbauung mit Wohnungen entgegenstehende Nutzung aufweist. In dieser Verordnung sind die zu diesem Gebiet gehörigen Grundstücke unter Angabe der Grundstücksnummer anzuführen. Die Gemeinde hat eine Ausfertigung dieser Verordnung der zuständigen Vermessungsbehörde zu übermitteln. Eine solche Verordnung tritt längstens nach Ablauf von zehn Jahren außer Kraft und darf innerhalb eines gleichen Zeitraumes für dieses Gebiet oder Teilgebiet nicht neuerlich erlassen werden.

(4) ..."

Die Beschwerdeführerin beruft sich auch in der Beschwerde darauf, dass gemäß der Verordnung der Wiener Landesregierung vom , LGBl. Nr. 27, mit der auf Grund des § 5 Abs. 2 des Bodenbeschaffungsgesetzes für den Bereich der Gemeinde Wien ein qualitativer Wohnungsfehlbestand festgestellt wurde, und die bislang nicht aufgehoben worden sei, auch im Verfahren zur Erlassung des Interessenbescheides von einem qualitativen Wohnungsfehlbestand auszugehen sei.

Diese Auffassung ist unzutreffend: Zwar ist richtig, dass die im § 30 Abs. 2 Z 15 MRG genannten Kriterien des quantitativen Wohnungsbedarfes und qualitativen Wohnfehlbestandes im Sinne des § 4 des Bodenbeschaffungsgesetzes auszulegen sind (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/06/0111, mwN). In diesem Verfahren (zur Erlassung eines Interessenbescheides) entfaltet diese Verordnung keine Bindungswirkung, sie ist weder anwendbar noch präjudiziell. Zutreffend hat die belangte Behörde vielmehr erkannt, dass sie selbständig zu prüfen hatte, ob von einem quantitativen Wohnungsbedarf oder einem qualitativen Wohnfehlbestand ausgegangen werden kann. Zwar könnte in einem Verfahren zur Erlassung eines Interessenbescheides einer solchen Verordnung Relevanz im Sinne einer Erkenntnisquelle (eines Beweismittels) zukommen, das trifft aber hier nicht zu, weil es auf die aktuellen Verhältnisse ankommt, die Verordnung LGBl. Nr. 27/1975 aber schon mehr als 30 Jahre alt ist, weshalb daraus keine verlässlichen Rückschlüsse auf die aktuellen Verhältnisse gezogen werden können.

§ 4 Abs. 2 BodenbeschaffungsG stellt auf eine Gegenüberstellung der Zahl der mangelhaft ausgestatteten Wohnungen zur Zahl der vorhandenen Wohnungen (im Sinne des § 4 Abs. 1 leg. cit.); das erforderliche Verhältnis von 10 % ist nach den insofern unbekämpften Feststellungen der belangten Behörde nicht gegeben.

Hinsichtlich des quantitativen Wohnungsbedarfes unterscheidet § 4 Abs. 1 BodenbeschaffungsG zwei Alternativen. Ein solcher Wohnungsbedarf liegt vor, wenn (erster Fall) in einer Gemeinde die Zahl der vorhandenen und der im Bau befindlichen Wohnungen die Zahl der Haushalte um nicht mehr als 3 % übersteigt oder (zweiter Fall) in einer Gemeinde 2 % der Wohnbevölkerung als Wohnungssuchende gemeldet und von der Gemeinde als solche anerkannt sind. Im ersten Fall kommt es daher ebenfalls auf objektive Kriterien an, im zweiten Fall nicht auf die Gesamtanzahl der Wohnungssuchenden überhaupt, sondern nur auf jene, die als Wohnungssuchende gemeldet und von der Gemeinde als solche anerkannt sind.

Von diesen Kriterien ist wiederum die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang thematisierte Frage zu unterscheiden, ob die von ihr geplanten Wohnungen überhaupt geeignet sind, (geeignete) Wohnräume im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 15 MRG zu schaffen. Dies ist nämlich dann nicht der Fall, wenn Ziel der beabsichtigten Bauführung lediglich die Schaffung von Luxuswohnungen ist, und auch dann nicht, wenn durch das Vorhaben die Anzahl der Wohnungen oder die gesamte Wohnfläche nur geringfügig vermehrt wird. Der projektierte Neu- oder Umbau muss jedenfalls nach Art und Umfang geeignet sein, Wohnraum zu schaffen, der der Minderung der in einem bestimmten Ort bestehenden Wohnungsnot dient und es solcherart rechtfertigt, im Interesse der Allgemeinheit auch bestehende Mietrechte Einzelner aufzuheben (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/06/0131; im Folgeerkenntnis vom , Zl. 99/06/0131, betreffend den als Folge des zuvor genannten aufhebenden Erkenntnisses vom ergangenen Ersatzbescheid ging es unter anderem darum, dass die Frage des quantitativen Wohnungsbedarfes nicht ausreichend geprüft worden war; die quantitativen Kriterien im Sinne des § 4 Abs. 1, nämlich die jeweiligen Zahlen, waren jedenfalls nicht festgestellt worden).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde zum quantitativen Wohnungsbedarf die jeweils in § 4 Abs. 1 BodenbeschaffungsG genannten quantitativen Parameter festgestellt. Daraus ist schlüssig abzuleiten, dass weder der erste Fall des § 4 Abs. 1 BodenbeschaffungsG (Verhältnis der vorhandenen und der im Bau befindlichen Wohnungen zur Zahl der Haushalte geringer als 3 %) noch der zweite Fall (Verhältnis nicht der Wohnungssuchenden schlechthin, sondern für diejenigen, die als Wohnungssuchende gemeldeten von der Gemeinde als solche anerkannt sind, zur gesamten Wohnbevölkerung von 2 %) gegeben ist.

Der Begriff der Assanierung in § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG ist im Sinne des Stadterneuerungsgesetzes, BGBl. Nr. 287/1974 (StadterneuerungsG), auszulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/06/0232, mwN).

Das StadterneuerungG gilt gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. i.d.F. BGBl. Nr. 340/1987 auch für Gebäude außerhalb von Assanierungsgebieten, sofern

1. sie mit den Bebauungsvorschriften (Flächenwidmungs- und Bebauungsplan) vereinbar sind,

2. mindestens die Hälfte der Gesamtnutzfläche, das ist die Summe der Nutzflächen aller Wohnungen und Geschäftsräume, Wohnzwecken dient,


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3.
sie mehr als zwei Wohnungen enthalten und
4.
mindestens die Hälfte der Wohnungen mangelhaft ausgestattet ist (§ 3 Z 10).
Hievon ausgenommen sind landwirtschaftliche Wohnhäuser außerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes. Z 1 gilt für zum Abbruch bestimmte Gebäude nicht."
Diese Voraussetzungen müssen kumulativ gegeben sein (siehe das o.a. Erkenntnis vom , Zl. 2006/06/0232, mwN), was die belangte Behörde zutreffend erkannt hat.
Die belangte Behörde ging davon aus, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 StadterneuerungsG seien schon deshalb nicht gegeben, weil es im gegenständlichen Gebäude nur eine Wohnung gebe. Diese Feststellung wird von der Beschwerdeführerin bekämpft, es gebe drei Wohnungen, schon der Zweitmitbeteiligte spreche selbst von zwei Wohnungen.
Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu: Die Beschwerdeführerin hat stets von drei Wohnungen gesprochen. Auch der Wohnfonds Wien führte in seiner Stellungnahme an die Behörde erster Instanz vom aus, gemäß einer Mietzinsliste vom Mai 2003 befänden sich in dem Haus neun Mietobjekte, davon drei Wohnungen. Im Bescheid erster Instanz wurde festgestellt, dass es drei Wohnungen im Gebäude gebe. In der Stellungnahme der MA 37 vom (auf welche sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid gestützt hat) heißt es, die einzige Wohnung befinde sich im Dachgeschoß. Dem hat der Zweitmitbeteiligte schon im Zuge des Parteiengehörs vor Erlassung des angefochtenen Bescheides erwidert, es gebe zwei Wohnungen im Gebäude, er bewohne nicht diejenige, die sich im Dachgeschoß befinde. Die belangte Behörde wäre daher verhalten gewesen, ihre Feststellung, es gebe im Gebäude nur eine Wohnung (jedenfalls nicht mehr als zwei), näher zu begründen, was sie aber unterlassen hat. Da die belangte Behörde auch keine Feststellungen zum Kriterium des § 1 Abs. 2 Z 2 StadterneuerungsG traf (ausgehend von ihrem Standpunkt, es gebe nur eine Wohnung, die mangelhaft ausgestattet sei, bedurfte es keiner Feststellungen zum Kriterium der Z 4, dies wäre erst dann erforderlich, wenn es mehr als zwei Wohnungen gäbe), liegt ein wesentlicher Begründungsmangel vor, weil ein für die Beschwerdeführerin günstigeres Ergebnis (nämlich dahin, dass letztlich alle Kriterien des § 1 Abs. 2 StadterneuerungsG gegeben sind) vorweg nicht ausgeschlossen werden kann. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es hinsichtlich der Zahl der Wohnungen und der Ermittlung der Nutzflächen im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 2 StadterneuerungsG nicht auf einen (möglicherweise rechtswidrigen) faktischen Zustand ankommt. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang maßgeblich, ob die verschiedenen Flächen bzw. Räumlichkeiten rechtmäßig als Wohnungen bzw. Geschäftsräume genutzt werden (in diesem Sinne das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/06/0021).
Auf Grund des aufgezeigten Begründungsmangels belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil der pauschalierte Schriftsatzaufwand bereits die Umsatzsteuer enthält (siehe dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 697 wiedergegebene hg. Judikatur).
Wien, am