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VwGH vom 24.03.2015, 2012/15/0179

VwGH vom 24.03.2015, 2012/15/0179

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der Cgesellschaft m.b.H. in Liquidation in T, vertreten durch die Herbst Kinsky Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Hafenstraße 2a, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0227-L/09, betreffend Investitionszuwachsprämie, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass er zu lauten hat: "Der erstinstanzliche Bescheid betreffend Investitionszuwachsprämie 2002 wird ersatzlos aufgehoben."

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der Beilage zur Körperschaftsteuererklärung für 2002 beantragte die Beschwerdeführerin eine Investitionszuwachsprämie für 2002 in der Höhe von 269.070,16 EUR.

Im Zuge einer Betriebsprüfung hinsichtlich der Jahre 2001 bis 2007 wurde festgestellt, dass sämtliche im Jahr 2002 prämienbegünstigt erworbenen Wirtschaftsgüter spätestens nach der Betriebsstilllegung Ende März 2004 im Wege des Verkaufs oder einer sonstigen Verwertung aus dem Unternehmen ausgeschieden seien. Mit Ausnahme der Werkzeuge, Vorrichtungen und Formen sei im Zeitpunkt ihres Ausscheidens für die Wirtschaftsgüter noch nicht die Hälfte der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer erreicht gewesen.

Mit Bescheid über die Festsetzung der Investitionszuwachsprämie 2002 setzte das Finanzamt daraufhin die Prämie mit 113.656,57 EUR fest und verwies begründend auf das Ergebnis der Außenprüfung.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Begründend wandte sie sich gegen die Hälfte der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer als relevanten Beobachtungszeitraum für § 108e EStG 1988. Außerdem sei selbst nach den restriktiv ausgestalteten Einkommensteuerrichtlinien von einer Prämienrückzahlung dann abzusehen, wenn ein zunächst für den langfristigen Einsatz im Betrieb bestimmtes Wirtschaftsgut auf Grund nachträglicher Unwägbarkeiten aus dem Betriebsvermögen ausscheide. Im vorliegenden Fall seien die Wirtschaftsgüter im Vertrauen auf das Fortbestehen des Unternehmens erworben worden. Im Laufe des Jahres 2004 sei jedoch aus wirtschaftlichen Gründen die Einstellung der operativen Betriebstätigkeit erfolgt.

In einer im Berufungsverfahren vorgelegten ergänzenden Stellungnahme gegenüber der belangten Behörde beschreibt die Beschwerdeführerin u.a. den Hintergrund der Betriebsstilllegung näher. Im Jahr 2003 sei es zu einer Veränderung des Marktes dahingehend gekommen, dass der Geschäftszweig Brillen mit Metallrahmen stark rückläufig geworden sei. Diese Tatsache sei im Aufsichtsratsprotokoll über die Sitzung vom besprochen worden. Diesem Protokoll seien noch keine Hinweise auf eine geplante Schließung des Standortes zu entnehmen. Es sei vielmehr versucht worden, die Produktion anderer Brillen an den Produktionsstandort zu transferieren. Aufgrund des sich weiter verschlechternden Marktumfeldes, besonders im Bereich der Brillen mit Metallrahmen, sei jedoch Ende 2003 die Entscheidung gefällt worden, den Produktionsstandort zu schließen. Im Bericht des Vorsitzenden des Aufsichtsrates im Rahmen der Aufsichtsratssitzung vom sei diese Entscheidung u.a. damit begründet worden, dass Marktforschungsprognosen bestätigten, dass auch in nächster Zeit mit keiner Trendumkehr betreffend Metallbrillen zu rechnen sei. Aufgrund dieses Marktumfeldes hätten Überkapazitäten bestanden, was die Konzentration, Zusammenlegung und Schließung von Produktionsstätten zur Folge gehabt habe. Die Betriebsstilllegung sei noch im Jahr 2003 begonnen und im ersten Quartal 2004 im Wesentlichen abgeschlossen worden. Die Produktionsmaschinen seien teilweise an andere Konzerngesellschaften verkauft und zu einem Großteil verschrottet worden. Im Beschwerdefall könne ausgeschlossen werden, dass die Anlagengegenstände von vornherein mit der Absicht erworben worden seien, diese an andere Konzerngesellschaften weiter zu verkaufen:

Es sei zwar richtig, dass im Zuge der Betriebsstilllegung ein Teil der Anlagen an andere Konzerngesellschaften verkauft worden sei, doch habe ein Großteil der Anlagen wegen Unbrauchbarkeit in anderen Betrieben verschrottet oder kostenlos abgegeben werden müssen. Wie einer beigelegten Aufstellung zu entnehmen sei, hätten Anlagenzugänge aus dem Jahr 2002 mit Anschaffungskosten in Höhe von 613.500 EUR verschrottet werden müssen. Es sei alleine daraus unmittelbar ersichtlich, dass durch die Investitionen in die Produktionsmaschinen in Verbindung mit der Betriebsstilllegung ein großer wirtschaftlicher Schaden entstanden sei. Die Annahme, dass die Maschinen zum Zwecke der Weitveräußerung oder nur zum Zwecke der Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie erworben worden seien, sei daher schon wirtschaftlich unplausibel. Dem Aufsichtsratsprotokoll vom sei zudem nichts zu entnehmen, was bereits auf eine Schließung des Werkes hinweisen würde. Es sei sogar noch versucht worden, die Produktion anderer Brillen an den Standort zu transferieren. Damit sei aber eindeutig dokumentiert, dass im Zeitpunkt des Kaufes der Maschinen und Anlagen im Jahr 2002 noch von keiner Seite von einer Weiterveräußerung der Maschinen ausgegangen worden sei.

Schließlich weist die Beschwerdeführerin auf Randzahl 8217a der Einkommensteuerrichtlinien 2000 hin, wonach von einer Prämienrückforderung abzusehen sei, wenn das Wirtschaftsgut auf Grund nachträglicher Unwägbarkeiten aus dem Betriebsvermögen ausscheide. Als Beispiele für derartige Unwägbarkeiten würden Schäden auf Grund höherer Gewalt und unvorhergesehene Unbrauchbarkeit im Betrieb angeführt. Die Beschwerdeführerin gehe zwar davon aus, dass es im Zusammenhang mit der Investitionszuwachsprämie eine Mindestbehaltedauer gar nicht gebe. Aufgrund der mangelnden Konkurrenzfähigkeit der Produktion sei es aber jedenfalls auch zu einer "unvorhergesehenen Unbrauchbarkeit im Betrieb" gekommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte sie aus, dass sich für die Investitionszuwachsprämie aus der Rechtsprechung eine erforderliche Mindestbehaltedauer im Ausmaß der Hälfte der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von Wirtschaftsgütern ergebe.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

§ 108e Abs. 1 EStG 1988 normiert als Voraussetzung für die Investitionszuwachsprämie u.a., dass die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der prämienbegünstigten Wirtschaftsgüter im Wege der AfA abgesetzt werden. Daraus ergibt sich, dass Wirtschaftsgüter nur dann Anspruch auf Investitionszuwachsprämie im Sinne des § 108e EStG 1988 vermitteln können, wenn sie dazu gewidmet sind, langfristig dem Betrieb als Anlagevermögen zu dienen. Aus dem Zweck der Regelung des § 108e EStG 1988 ergibt sich ebenfalls, dass Wirtschaftsgüter, die in die Berechnungsgrundlage der Investitionszuwachsprämie eingehen, zum längerfristigen Einsatz im Betrieb bestimmt sein müssen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2009/15/0139, und vom , 2010/15/0194, je mwN).

Als Indiz für die maßgebliche Widmung des Wirtschaftsgutes dient dabei die tatsächliche Abschreibung im Wege der AfA im Ausmaß von 50% der Anschaffungs- und Herstellungskosten. Ein im konkreten Betrieb bestehender, aus den betrieblichen Erfordernissen abgeleiteter üblicher (Re )Investitionszyklus für bestimmte Arten von Wirtschaftsgütern ist dahin zu berücksichtigen, dass es noch nicht als Indiz gegen die Widmung des Wirtschaftsgutes zum längerfristigen Einsatz im Betrieb zu werten ist, wenn bei Vorliegen eines solchen Zyklus das vorgenannte Ausmaß der tatsächlichen Abschreibung im Wege der AfA in geringem Ausmaß unterschritten wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0082).

Ebenfalls nicht als Indiz gegen die Widmung eines Wirtschaftsgutes zum längerfristigen Einsatz im Betrieb kann es gewertet werden, wenn ein Wirtschaftsgut aufgrund von nachträglich eintretenden Unwägbarkeiten aus dem Betriebsvermögen ausscheidet, bevor 50% der Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Wege der AfA abgeschrieben sind (vgl. neuerlich das hg. Erkenntnis vom , mwN). Für diese auch den subjektiven Investitionswillen berücksichtigende Unwägbarkeit kommt es nicht auf eine Unvorhersehbarkeit an sich, sondern darauf an, ob die Unbrauchbarkeit mangels dafür bestehender konkreter Anhaltspunkte für den Steuerpflichtigen "unvorhergesehen" eingetreten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/13/0246 sowie vom , 2012/13/0116).

Eine in diesem Sinne unvorhergesehene Produktionsstilllegung aufgrund eines veränderten Marktumfeldes ist daher keine Grundlage für eine von der Erklärung abweichende Festsetzung der Investitionszuwachsprämie.

Vor dem Hintergrund des oben geschilderten Verfahrensgangs ist auch nicht einsichtig, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift gemäß § 36 VwGG das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich eines Ausscheidens der Wirtschaftsgüter aufgrund eines unvorhergesehenen starken Nachfragerückgangs nach Brillen mit Metallrahmen als Neuerung ansehen konnte.

Der angefochtene Bescheid wäre daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Gemäß § 42 Abs. 3a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof jedoch in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Dies ist im vorliegenden Beschwerdefall gegeben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am