VwGH vom 02.05.2012, 2010/08/0099
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der FL in G, vertreten durch CHG Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Bozner Platz 4, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom , Zl. LGSTi/V/0566/230274-702/2010, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol (AMS) vom wurde der "Firma 'M. Franziska' (Beschwerdeführerin)" gemäß § 25 Abs. 2 AlVG ein Sonderbeitrag in Höhe von EUR 193,05 vorgeschrieben.
Einer Anzeige der KIAB zu Folge sei Petra L. am um 09:15 Uhr in A. bei der Tätigkeit als Reinigungskraft für die genannte "Firma" angetroffen worden. Da "die Partei" die Aufnahme dieser Tätigkeit dem zuständigen Träger der Krankenversicherung nicht zeitgerecht gemeldet habe, sei der Sonderbeitrag vorzuschreiben gewesen.
Dem Verwaltungsakt ist zu entnehmen, dass am gegen diesen Bescheid folgende als "Einspruch" bezeichnete
Berufung erhoben wurde:
"An das AMS ...
Von:
Firma T.
M. F(Beschwerdeführerin) + L. Peter
Betreff: GZ: ...
Bescheid vom
Gegen Ihren Bescheid erhebe ich EINSPRUCH.
Grund:
...
M. F(Beschwerdeführerin) L. Peter"
Die Berufung wurde sowohl von der Beschwerdeführerin als auch
von PL. unterfertigt.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte
Behörde die Berufung zurück. Sowohl zu der im erstinstanzlichen Bescheid genannten "Firma 'M. Franziska' (Beschwerdeführerin)" als auch zu der in der Berufung genannten "Firma 'T.'" hätten keine Eintragungen im Firmenbuch festgestellt werden können. Nach einer fernmündlichen Auskunft des "Mitbesitzers" der Firma "T.", PL., handle es sich bei dieser "Firma" um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit PL. und der Beschwerdeführerin als Gesellschaftern. Da diese Gesellschaft nicht rechtsfähig iSd § 9 AVG sei, habe von ihr keine rechtswirksame Berufung erhoben werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde bringt vor, die Beschwerdeführerin habe sich gemeinsam mit ihrem Ehemann PL. innerhalb der offenen Berufungsfrist zum AMS begeben. Der zuständige Sachbearbeiter habe sie darauf hingewiesen, dass Berufungen schriftlich einzubringen seien. Er habe ihnen die Möglichkeit eröffnet, den PC in den Arbeitsräumlichkeiten des AMS dafür zu benutzen, die Berufung schriftlich aufzusetzen, auszudrucken, zu unterfertigen und bei der im Parterre des Gebäudes befindlichen Einlaufstelle einzubringen. Die Beschwerdeführerin habe die Berufung mit ihrem Geburtsnamen unterfertigt, weil der erstinstanzliche Bescheid noch an diesen Namen gerichtet gewesen sei. Am habe die belangte Behörde telefonisch mit (dem die Berufung ebenfalls einbringenden) PL. Kontakt aufgenommen und ihn befragt, in welchem Namen die Berufung eingebracht worden sei. Der PL. habe dabei nur auf das Lokal "T." hingewiesen. Es sei zwar richtig, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht rechtsfähig sei und keine Berufung erheben könne. Sehr wohl aber könnten die Gesellschafter dieser Gesellschaft Berufung im eigenen Namen erheben. Die Tatsache, dass auch ihr Ehemann die Berufung mitunterfertigt hätte, obwohl dieser bislang nicht Partei des Verfahrens gewesen sei, ändere daran nichts.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Zur Parteistellung der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren ist zunächst festzuhalten, dass die im erstinstanzlichen Bescheid ihrem Namen vorangesetzte Bezeichnung "Firma" eine berichtigungsfähige Unrichtigkeit darstellt und an der Wirksamkeit des erlassenen Bescheides gegenüber der Beschwerdeführerin nichts ändert, wenn tatsächlich kein (anderer) Rechtsträger dieses Namens im Firmenbuch eingetragen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/11/0063).
Der Umstand, dass einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in der Regel keine Prozessrechtsfähigkeit zukommt (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 97/08/0465), ändert nichts daran, dass im vorliegenden Fall die zwei als Dienstgeber geltenden natürlichen Personen, die Beschwerdeführerin und deren Ehemann PL., - wenngleich unter der Bezeichnung der (ebenfalls nicht im Firmenbuch eingetragenen) "Firma T." - persönlich die oben bezeichnete Prozesshandlung vorgenommen, nämlich die als Einspruch bezeichnete Berufung eigenhändig unterschrieben und in der Einlaufstelle der Behörde erster Instanz eingebracht haben. Da der Bescheid erster Instanz gegen die Beschwerdeführerin (allein) gerichtet war, kam ihr unzweifelhaft die Berechtigung zu, dagegen (im eigenen Namen) Berufung zu erheben. Ob auch die Berufung des im erstinstanzlichen Bescheid nicht adressierten PL. zulässig war, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Dieser Fall unterscheidet sich von jenen Konstellationen, in denen ein ausdrücklich nur an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerichteter erstinstanzlicher Bescheid ins Leere gegangen ist, sodass auch Berufungen einzelner Gesellschafter zurückzuweisen wären (vgl. nochmals den hg. Beschluss Zl. 97/08/0465 sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0226).
Der Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am
Fundstelle(n):
BAAAE-74747