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VwGH vom 12.09.2012, 2010/08/0098

VwGH vom 12.09.2012, 2010/08/0098

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Peck, über die Beschwerde der M R in Wien, vertreten durch Mag. Gabor Maraszto, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rosenbursenstraße 2/16, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMSK-123563/0002-II/A/3/2008, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens betreffend die Feststellung der Pflichtversicherung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren relevant - gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 3 AVG ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiederaufnahme eines mit Bescheid vom abgeschlossenen Verfahrens betreffend Feststellung der Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG (GZ. BMSG-123.563/0001-II/A/3/2006) zurückgewiesen.

Die belangte Behörde führte aus, die Beschwerdeführerin habe den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit Telefax vom gestellt. Sie habe in ihrem Antrag angegeben, erst jetzt zufällig einen Zeugen eruiert zu haben, der beweisen könne, dass sie ausschließlich weisungsgebunden gearbeitet habe. Sie würde diesen Zeugen über einen Anwalt nennen, sobald ihr Verfahrenshilfe gewährt würde.

Mit diesem Antrag habe die Beschwerdeführerin die "Aufhebung eines Bescheides", der im Februar 2006 erlassen worden sei, begehrt und beziehe sich offensichtlich auf den Wiederaufnahmegrund "neue Tatsachen oder Beweismittel" nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG, indem sie vorbringe, einen nicht näher beschriebenen Zeugen für die Richtigkeit ihres Vorbringens gefunden zu haben.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens könne nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides nur mehr verfügt werden, wenn der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden sei. Dies liege hier nicht vor und werde auch nicht behauptet, weshalb der Antrag zurückzuweisen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und stellte den Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse beteiligte sich nicht am verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. § 69 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 lautet (auszugsweise):

"§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(…)"

2. Der Wiederaufnahmeantrag der Beschwerdeführerin bezog sich auf ein Verfahren, das durch einen mit datierten Bescheid des (damaligen) Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz abgeschlossen worden war. Das genaue Datum der Zustellung dieses Bescheides an die Beschwerdeführerin ist dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht zu entnehmen, er kann jedoch nicht vor dem Genehmigungsdatum, daher frühestens am zugestellt worden sein.

Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheids am gestellt. Zum Zeitpunkt des Antrags auf Wiederaufnahme am war daher - wie die Beschwerde zutreffend darlegt - die dreijährige Frist des § 69 Abs. 2 AVG, die frühestens am zu laufen begonnen hatte, noch nicht abgelaufen.

3. Die belangte Behörde stützte die Zurückweisung auf § 69 Abs. 3 AVG sowie darauf, dass der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z 2 AVG wegen des Ablaufs von drei Jahren nach Bescheiderlassung nicht mehr geltend gemacht werden könne, und hat sich daher mit dem inhaltlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht weiter auseinandergesetzt. Die belangte Behörde scheint zu übersehen, dass die von ihr herangezogene Bestimmung des § 69 Abs. 3 AVG nur für die amtswegige Wiederaufnahme von Verfahren gilt (so schon VwSlg. 8285/A/1972), wohingegen bei der Wiederaufnahme auf Antrag die Dreijahresfrist gem. § 69 Abs. 2 AVG durch die rechtzeitige Antragstellung der Partei gewahrt wird.

Wenngleich der Wiederaufnahmeantrag der Beschwerdeführerin mit Mängeln belastet gewesen sein mag - so wurden weder der Zeuge eindeutig benannt, noch hinreichend konkretisierte Angaben zur Rechtzeitigkeit des Antrags gemacht (der Ausdruck, die Beschwerdeführerin habe "jetzt" vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt reicht, dafür nicht aus, vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/09/0015) - hätte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin jedenfalls gemäß § 13 Abs. 3 AVG einen Verbesserungsauftrag zur Behebung dieser Mängel erteilen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0260).

4. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
TAAAE-74741