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VwGH vom 02.05.2012, 2010/08/0095

VwGH vom 02.05.2012, 2010/08/0095

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der IF in I, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27/II, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom , Zl. LGSTi/V/0566/-701/2010, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes an die Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum widerrufen und sie zur Rückzahlung des ungerechtfertigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 2.291,75 verpflichtet. Des Weiteren hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, ihrer Berufung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin habe am bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice I (in der Folge AMS) mittels des bundeseinheitlichen Formulars einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gestellt. Die Frage 5 des Antragsformulars "Ich stehe derzeit in Beschäftigung" sei mit "nein" beantwortet worden. Zu Frage 12 des Antragsformulars habe die Beschwerdeführerin - in Übereinstimmung mit der beigelegten Arbeitsbescheinigung vom - eine vollversicherungspflichtige Verkaufstätigkeit beim Dienstgeber FF. (dem Vater der Beschwerdeführerin) vom bis zum angegeben. Sie habe die Belehrung über die Meldeverpflichtung gemäß § 50 Abs. 1 AlVG, insbesondere die Verpflichtung zur Meldung der Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung, unterfertigt.

Am habe die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Fortbezug von Arbeitslosengeld gestellt. Zur Frage 5 des Antragsformulars "Ich stehe derzeit in Beschäftigung" habe die Beschwerdeführerin eine geringfügige Beschäftigung angegeben, zur Frage 9 "Ich habe ein eigenes Einkommen" ein Einkommen in Höhe von EUR 160,--.

Tatsächlich habe die Beschwerdeführerin nach dem am beendeten vollversicherten Dienstverhältnis bei FF. ab (bis ) eine geringfügige Beschäftigung beim selben Dienstgeber aufgenommen. Sohin sei sie gemäß § 12 Abs. 3 lit. h AlVG im Zeitraum vom 1. Februar bis zum nicht arbeitslos gewesen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld sei für diesen Zeitraum "(rückwirkend) einzustellen".

Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG sei der Leistungsbezieher verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit unverzüglich dem AMS anzuzeigen. Auch die Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit nicht ausschließenden Beschäftigung sei unverzüglich zu melden. Dies habe die Beschwerdeführerin unterlassen. Soweit sie in ihrer Berufung ausgeführt habe, dem AMS für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum "sämtliche Unterlagen zur Verfügung gestellt" zu haben, sei dem entgegenzuhalten, dass sie am die Lohnnachweise für den Zeitraum März 2009 bis September 2009 nachgereicht habe. Eine Lohnbescheinigung für Februar 2009 sei jedoch nicht nachgereicht worden. Die Beschwerdeführerin habe jeweils auf den Anträgen vom und die Rechtsbelehrung gemäß § 50 Abs. 1 AlVG, dabei insbesondere die Verpflichtung zur Meldung der Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung, unterfertigt. Auch die zuständige Sachbearbeiterin des AMS habe bestätigt, dass die Beschwerdeführerin diesbezüglich mündlich informiert worden sei. Die Beschwerdeführerin könne sich nicht darauf berufen, nicht gehörig aufgeklärt worden zu sein. Selbst wenn sie (zu Unrecht) davon ausgegangen sein sollte, dass die geringfügige Beschäftigung für den Leistungsbezug unschädlich wäre, hätte sie ihrer Meldeverpflichtung nachkommen müssen. Sie habe nicht bestritten, dass sie die unverzügliche Meldung der (neuerlichen) Beschäftigungsaufnahme bei FF. ab unterlassen habe. Der Tatbestand der Verschweigung maßgebender Tatsachen iSd § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG sei erfüllt. Dementsprechend sei der genannte Betrag zurückzufordern.

Der Antrag auf Gewährung einer aufschiebenden Wirkung gemäß § 56 Abs. 2 AlVG sei auf Grund der hiermit ergangenen materiellrechtlichen Entscheidung abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 ist arbeitslos, wer eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat (Z. 1), nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt (Z. 2) und keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt (Z. 3).

Nach Abs. 3 dieser Bestimmung gilt als arbeitslos insbesondere nicht, wer in einem Dienstverhältnis steht (lit. a) sowie, wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, dass zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist (lit. h).

Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

Nach § 25 Abs. 1 erster Satz leg. cit. ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG sind Bezieher von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 AlVG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Diese Verpflichtung besteht selbst dann, wenn nach Auffassung des Leistungsempfängers diese Tätigkeit den Leistungsanspruch nicht zu beeinflussen vermag (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0191, mwN).

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, ab dem - sohin innerhalb der Monatsfrist des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG - beim selben Dienstgeber, bei dem sie zuvor als Vollversicherte Anwartschaftszeiten erworben hat, nämlich ihrem Vater, geringfügig weiter beschäftigt gewesen zu sein. Damit galt die Beschwerdeführerin ab nicht als arbeitslos, weshalb die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes von Anfang an nicht vorlagen und die belangte Behörde zu Recht die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes für den oben genannten Zeitraum gemäß § 24 Abs. 1 AlVG widerrufen hat.

Gegen die Voraussetzungen des Vorliegens für eine Rückforderung des Anspruchs auf Grund der Meldepflichtverletzung gemäß § 25 Abs. 1 iVm § 50 Abs. 1 AlVG bringt die Beschwerdeführerin - wie bereits in ihrer Berufung - vor, sie habe dem AMS "für den Zeitraum vom bis , sämtliche Unterlagen zur Verfügung gestellt". Damit entfernt sie sich jedoch vom festgestellten Sachverhalt, wonach sie für Februar 2009 keine Unterlagen zur Verfügung gestellt habe. Darüber hinaus behauptet die Beschwerdeführerin nicht, den angeblich vorgelegten Unterlagen wäre zu entnehmen gewesen, dass die Beschwerdeführerin am eine geringfügige Beschäftigung bei demselben Dienstgeber aufgenommen hat.

Weiters bringt die Beschwerde zur Rückforderung vor, die Beschwerdeführerin sei von der zuständigen Sachbearbeiterin des AMS nicht gehörig aufgeklärt worden. Insbesondere sei ihr erklärt worden, "dass ein Zuverdienst unter der Geringfügigkeitsgrenze grundsätzlich kein Problem" sei. Die Beschwerdeführerin sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass sie die - gesetzlich vorgeschriebene - Monatsfrist zur Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber abzuwarten habe. Dies dürfe ihr nicht zum Nachteil geraten.

Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass die Beschwerdeführerin unabhängig davon, ob sie die - von ihr nicht bestrittene - geringfügige Beschäftigung ab für anspruchsschädlich gehalten hat oder nicht und unabhängig davon, worauf dieser Irrtum zurückzuführen wäre, gemäß § 50 Abs. 1 AlVG dazu verpflichtet gewesen ist, dem AMS die Aufnahme der genannten Beschäftigung zu melden. Da die Angaben des Meldepflichtigen die Behörde in die Lage versetzen sollen, ihrerseits zu beurteilen, ob (weiterhin) ein Anspruch besteht, ist das Risiko eines Rechtsirrtums, aus dem heraus ein Arbeitsloser meint, seiner Meldepflicht nicht nachkommen zu müssen, von ihm zu tragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0315).

Schließlich hält die Beschwerdeführerin der Rückforderung entgegen, dass sie alleinerziehend sei und sämtliche Aufwendungen selbst bestreiten müsste. Das ausgezahlte Arbeitslosengeld sei gutgläubig für die notwendigsten Dinge des täglichen Lebens (Essen, Kleidung, Toiletteartikel) für die Beschwerdeführerin und ihre kleine Tochter verbraucht worden.

Der Verpflichtung zum Rückersatz steht allerdings nicht entgegen, dass der Empfänger des Arbeitslosengeldes seiner Behauptung nach das Arbeitslosengeld, dem Unterhaltscharakter zukomme, in der Zwischenzeit gutgläubig verbraucht habe. Denn der Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG differenziert, anders als dies bei Leistungen mit Unterhaltscharakter im Zivilrecht der Fall ist, nicht danach, ob die nicht gebührende Geldleistung gutgläubig verbraucht worden ist, sondern nur danach, ob die Leistung gutgläubig empfangen wurde; ein solcher gutgläubiger Empfang ist aber dann nicht anzunehmen, wenn einer der im § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG angeführten Rückforderungstatbestände gegeben ist. § 25 AlVG enthält eine bereicherungsrechtlich abschließende Regelung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/08/0145, mwN).

Soweit sich die Beschwerde schließlich gegen die Abweisung des Antrags, der Berufung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, richtet, ist ihr entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde zugleich mit der Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bereits über die Berufung der Beschwerdeführerin inhaltlich (abschlägig) entschieden hat, sodass das angestrebte Rechtsschutzziel nicht mehr erreicht werden konnte. Die belangte Behörde hat daher dem Antrag zu diesem Zeitpunkt zu Recht keine Folge gegeben (vgl. zum Wegfall der Beschwer etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0228).

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet des - hier vorliegenden - Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom , Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/07/0083, und vom , Zl. 2000/08/0072).

Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

Wien, am

Fundstelle(n):
DAAAE-74729