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VwGH 06.09.2018, Ra 2017/17/0456

VwGH 06.09.2018, Ra 2017/17/0456

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
VStG §51 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §43 Abs1;
VwGVG 2014 §43;
VwRallg;
RS 1
Für den Fall eines mit Beschwerde an das VwG zu bekämpfenden verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses hat der Gesetzgeber in § 43 VwGVG 2014 die selbe 15-monatige Frist festgelegt, wie sie zuvor in § 51 Abs. 7 VStG normiert war. § 43 VwGVG 2014 ist daher dahin auszulegen, dass ein verwaltungsbehördliches Straferkenntnis außer Kraft tritt, wenn seit Einlangen der rechtzeitig und zulässig eingebrachten Beschwerde 15 Monate vergangen sind (vgl. E , Ro 2014/02/0106; B , Fr 2014/01/0048). Entscheidet das VwG über ein nach Ablauf der 15- monatigen Frist des § 43 Abs. 1 VwGVG 2014 als aufgehoben geltendes verwaltungsbehördliches Straferkenntnis, so belastet es dadurch sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2016/02/0027 E RS 1
Normen
RS 2
Für § 43 Abs. 1 VwGVG 2014 gelten hinsichtlich der Verjährung dieselben Regeln wie sie für § 51 Abs. 7 VStG statuiert sind (vgl. E , Ro 2014/02/0106). Ein Bescheid ist als erlassen anzusehen, wenn dieser zumindest einer der am Verfahren beteiligten Personen zugestellt worden ist (was sinngemäß für jede förmlich ergangene Entscheidung gilt). Die nach § 43 VwGVG 2014 einzuhaltende Frist von 15 Monaten für die Erlassung der Entscheidung beginnt mit dem Tag des Einlangens der Beschwerde bei der belBeh zu laufen. Die angefochtene, mit 12. Juni (einem Freitag) datierte Entscheidung wurde dem Revisionswerber (erst) am 19. Juni jedoch der belBeh (bereits) am 15. Juni zugestellt. Der 13. Juni war ein Samstag, sodass der Ablauf der in Rede stehenden Frist auf Montag, den 15. Juni, verschoben war (vgl. dazu Art. 5 des Europäischen Übereinkommens über die Berechnung von Fristen, BGBl. Nr. 254/1983, § 33 Abs. 2 AVG sowie E , 92/02/0172; E , 91/02/0111). An diesem Tag wurde die angefochtene Entscheidung der belBeh zugestellt, weshalb ein Verstoß gegen § 43 VwGVG 2014 nicht gegeben ist.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2015/09/0104 B RS 1 (hier nur der zweite Satz)
Normen
VStG §31 Abs2;
VwRallg;
RS 3
Durch die Hemmung wird die Verjährungsfrist um so viele Tage verlängert, als der die Hemmung bewirkende Zustand bestanden hat. Mit Ablauf des hemmenden Ereignisses läuft daher die Verjährungsfrist restlich weiter. Sie ist so zu berechnen, als ob sie um die Dauer des Hemmungszeitraumes verlängert worden wäre.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 82/09/0160 E VwSlg 11019 A/1983 RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der S A in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , LVwG-2015/46/2472-3, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird dahin abgeändert, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen die revisionswerbende Partei wegen Übertretung des Glücksspielgesetzes (Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom , SI-531-2015) gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG eingestellt wird.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom wurden über die Revisionswerberin wegen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild iVm § 2 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG) näher bezeichnete Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

2 Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG), welche am (spätestens am ) bei der belangten Behörde einlangte.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG, soweit für den Revisionsfall von Relevanz, der Beschwerde insofern Folge, als es Spruchpunkt 8 des bekämpften Straferkenntnisses behob und das Strafverfahren diesbezüglich einstellte. Im Übrigen wies es die Beschwerde unter Vornahme einer näher ausgeführten Spruchberichtigung ab, schrieb der Revisionswerberin die Bezahlung näher bezeichneter Kosten des Beschwerdeverfahrens vor und sprach aus, dass eine Revision gegen dieses Erkenntnis an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. Dieses Erkenntnis wurde dem Inhalt der vorgelegten Verfahrensakten zufolge der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht am und der Revisionswerberin am zugestellt.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren einen als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatz.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Die Revision erweist sich hinsichtlich des in der Zulässigkeitsbegründung vorgebrachten Verstoßes gegen § 43 Abs. 1 VwGVG als zulässig und berechtigt.

6 Sind seit dem Einlangen einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde des Beschuldigten gegen ein Straferkenntnis bei der Behörde 15 Monate vergangen, tritt es gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG von Gesetzes wegen außer Kraft; das Verfahren ist einzustellen.

7 Für den Fall eines mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht zu bekämpfenden verwaltungsbehördlichen Straferkenntnisses hat der Gesetzgeber in § 43 VwGVG dieselbe 15-monatige Frist festgelegt, wie sie zuvor in § 51 Abs. 7 VStG normiert war. § 43 VwGVG ist daher dahin auszulegen, dass ein verwaltungsbehördliches Straferkenntnis außer Kraft tritt, wenn seit Einlangen der rechtzeitig und zulässig eingebrachten Beschwerde 15 Monate vergangen sind (z.B. , mwN).

8 Entscheidet das Verwaltungsgericht über ein nach Ablauf der 15-monatigen Frist des § 43 Abs. 1 VwGVG von Gesetzes wegen außer Kraft getretenes verwaltungsbehördliches Straferkenntnis, so belastet es dadurch sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl. wiederum , mwN).

9 Ein Bescheid ist als erlassen anzusehen, wenn dieser zumindest einer der am Verfahren beteiligten Person zugestellt worden ist (was sinngemäß für jede förmlich ergangene Entscheidung gilt; vgl. ). Im vorliegenden Fall endete die 15-monatige Frist des § 43 VwGVG gerechnet vom Datum der Beschwerdeeinbringung (ohne Einbeziehung einer etwaigen Hemmung) spätestens am und war daher im Zeitpunkt der maßgeblichen Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses am bereits abgelaufen.

10 Auch unter Einrechnung einer (allfälligen) Fristhemmung durch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom , E 945/2016 ua., gemäß § 86a VfGG war die Frist im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses am bereits abgelaufen:

11 Der genannte Beschluss des VfGH wurde am im Bundesgesetzblatt (BGBl. I Nr. 57/2016) kundgemacht; das diesbezügliche Erkenntnis des wurde am im Bundesgesetzesblatt (BGBl. I Nr. 91/2016) kundgemacht. Die Wirkungen des § 86a VfGG treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Beschlusses ein und enden mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Erkenntnisses.

12 Durch die Hemmung wird die Verjährungsfrist um so viele Tage verlängert, als der die Hemmung bewirkende Zustand bestanden hat. Mit Ablauf des hemmenden Ereignisses läuft daher die Verjährungsfrist restlich weiter. Sie ist so zu berechnen, als ob sie um die Dauer des Hemmungszeitraumes verlängert worden wäre ().

13 Unter Hinzurechnung des Hemmungszeitraumes von 114 Tagen endete die Frist daher am Samstag, dem . Gemäß § 33 Abs. 2 AVG ist jedoch, wenn das Ende der Frist auf einen Samstag fällt, der nächste Tag, der kein Samstag, Sonntag oder gesetzlicher Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember ist, als letzter Tag der Frist anzusehen. Dies ist im vorliegenden Fall Montag, der ; das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom , SI-531-2015, war daher im Zeitpunkt der maßgeblichen Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses am bereits außer Kraft getreten.

14 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt (nochmals , mwN). Dies trifft im vorliegenden Fall zu.

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher dahingehend abzuändern, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen die Revisionswerberin gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG einzustellen ist, weil das verwaltungsbehördliche Straferkenntnis im Zeitpunkt der ersten Zustellung an die belangte Behörde am bereits außer Kraft getreten war.

16 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §56;
VStG §31 Abs2;
VStG §51 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §43 Abs1;
VwGVG 2014 §43;
VwRallg;
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6
Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170456.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAE-74661