VwGH vom 26.02.2015, 2012/15/0128
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde des C S in S (Deutschland), vertreten durch die Thurnher Wittwer Pfefferkorn Rechtsanwälte GmbH in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0031-F/12, betreffend u.a. Rückzahlung von Lohnsteuer 2010 und 2011, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war bei einem Vorarlberger Unternehmen beschäftigt. Anfang Mai 2010 wurde sein Dienstverhältnis durch die Arbeitgeberin zum gekündigt, wobei er für die Zeit vom bis vom Dienst freigestellt wurde. Bis Ende Juli 2011 wohnte der Beschwerdeführer in der Schweiz, bevor er nach Deutschland verzog. In Österreich hatte er im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Wohnsitz.
Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz die Rückerstattung der für das Jahr 2010 in Höhe von 95.500,00 EUR entrichteten Lohnsteuer; dabei erklärte er u.a., dass ihm auf Grund seines Wohnsitzes in der Schweiz einerseits und seiner Arbeitgeberin in Österreich andererseits österreichische Lohnsteuer durch die Arbeitgeberin abgezogen worden sei. Im Rahmen der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch seine Arbeitgeberin Anfang Mai 2010 zum sei er freigestellt worden und seither nicht mehr in Österreich anwesend gewesen.
Das Finanzamt gab diesem Antrag (2010) mit Bescheid vom statt und zahlte die im Kalenderjahr 2010 im Abzugswege entrichtete Lohnsteuer im Ausmaß von 95.500,00 EUR zurück.
Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz auch die Rückerstattung der für das Jahr 2011 in Höhe von 54.419,98 EUR abgeführten Lohnsteuer.
Das Finanzamt wies diesen Antrag (2011) mit Bescheid vom ab. Begründend hielt es fest, dass Gehaltsfortzahlungen eines inländischen Arbeitgebers im Zusammenhang mit einer Dienstfreistellung nachträgliche Einkünfte aus einer im Inland ausgeübten Tätigkeit seien, deren Besteuerungsrecht nach dem Kausalitätsprinzip dem Tätigkeitsstaat zukomme.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er sich gegen diese Auslegung des Kausalitätsprinzips durch das Finanzamt wandte. Sofern die laufende Ausübung einer Tätigkeit nicht in Österreich erfolge (zB Dienstreisen ins Ausland, mit dem Arbeitgeber vereinbarte Freistellung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses), sei Österreich gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz nicht zur Besteuerung berechtigt. Die Zahlungen im Jahr 2011 seitens seiner Arbeitgeberin stammten aus dem Gehalt für Jänner 2011 (25.657 EUR bei 0% Ausübung in Österreich) und aus einer Abgangsentschädigung (139.535 EUR). Dabei handle es sich nicht um nachträgliche Einkünfte, weil das Beschäftigungsverhältnis erst mit geendet habe. Sollte das Kausalitätsprinzip jedoch auf die Abgangsentschädigung angewandt werden müssen, so existierten als Vergleichszeitraum die Jahre 2011 (bei 0% Ausübung in Österreich) und 2010 (bei 16,8% Ausübung in Österreich). Eine Veränderung seines Wohnorts (Zuflussprinzip) habe nicht stattgefunden, weshalb kein anderer Sachverhalt als in den Vorjahren vorliege, in denen der Beschwerdeführer stets Erstattungen für die Auslandstage beantragt und erhalten habe.
Mit Bescheid vom hob das Finanzamt auch den stattgebenden Rückzahlungsbescheid 2010 gemäß § 299 BAO wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf. Begründend verwies es erneut auf das Kausalitätsprinzip. Die Einkünfte des Beschwerdeführers wären bei Wegdenken seiner Tätigkeit als Arbeitnehmer nicht angefallen. Das Besteuerungsrecht für die Zahlungen im Zuge der Dienstfreistellung stehe daher Österreich zu, soweit sie mit der früheren Ausübung der Tätigkeit im Inland in einem Zusammenhang stünden. Für die Ermittlung des Inlandsanteiles sei ein repräsentativer Durchschnitt der Vorjahre heranzuziehen. Die zunächst gewährte Erstattung der gesamten auf den Zeitraum der Dienstfreistellung entfallenden Lohnsteuer erweise sich somit als rechtswidrig. Da die inhaltliche Rechtswidrigkeit eine nicht bloß geringfügige Auswirkung habe, sei gemäß § 299 BAO die Aufhebung von Amts wegen zu verfügen gewesen.
Mit Bescheid vom gab das Finanzamt dem gegenständlichen Rückzahlungsantrag 2010 - unter Abweisung des Mehrbetrages von 63.770,05 EUR - im Hinblick auf im Jahr 2010 im Abzugswege entrichtete Lohnsteuer in Höhe von 31.729,95 EUR Folge. Ergänzend zu den Ausführungen im Aufhebungsbescheid führte das Finanzamt aus, dass im gegenständlichen Fall der Anteil der nicht dem österreichischen Besteuerungsrecht unterliegenden Einkünfte (Auslandsanteil) mit 21,56% ermittelt worden sei (Durchschnitt der Jahre 2007 (21,33%), 2008 (20,18%), 2009 (23,19%)). Daraus ergebe sich ein Rückerstattungsbetrag für den Zeitraum der Dienstfreistellung (1. Mai bis ) in Höhe von 24.747,35 EUR. Darüber hinaus sei für den Zeitraum der Tätigkeitsausübung (1. Jänner bis ) die auf den Auslandsanteil der Tätigkeit (36,21%) entfallende Lohnsteuer mit einem Betrag von 6.982,60 EUR zu erstatten gewesen.
Gegen den Aufhebungs- und den Rückzahlungsbescheid betreffend 2010 erhob der Beschwerdeführer wiederum Berufung. Die vorgenommene Interpretation des Kausalitätsprinzips sei nicht richtig. Dieses betreffe vielmehr allein die inhaltliche Verknüpfung der steuerlichen Situation während des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses (Ursache) mit einer weiterhin zulässigen Besteuerung durch den Arbeitsausübungsstaat trotz eines Zuflusses nach einem Wegzug (Wirkung), wenn sich eine Zahlung auf das einst bestehende Arbeitsverhältnis beziehe.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung gegen den Aufhebungsbescheid und den Rückzahlungsbescheid betreffend 2010 als unbegründet ab. Das Kausalitätsprinzip sei nicht auf Fälle der Ansässigkeitsverlagerung beschränkt.
Mit Berufungsvorentscheidung vom betreffend Rückzahlungsantrag für Abzugssteuern 2011 änderte das Finanzamt seinen diesbezügliche (Erst )Bescheid vom insofern ab, als es dem Rückzahlungsantrag 2011 - unter Abweisung des Mehrbetrages von 42.687,09 EUR - im Hinblick auf im Jahr 2011 im Abzugswege entrichtete Lohnsteuer im Umfang von 11.732,95 EUR stattgab. Begründend führte das Finanzamt aus, dass der Anteil der nicht dem österreichischen Besteuerungsrecht unterliegenden Einkünfte (Auslandsanteil) als Durchschnitt der Jahre 2007 (21,33%), 2008 (20,18%), 2009 (23,19%) mit 21,56% ermittelt worden sei. Im übrigen Ausmaß behalte Österreich das Besteuerungsrecht an den im Zeitraum der Dienstfreistellung ab dem ausbezahlten Bezügen. Dies gelte auch für die den Zeitraum der Dienstfreistellung (1. Mai bis ) betreffende, aber erst im Jänner 2011 zugeflossene Abgangsentschädigung. Daraus ergebe sich der Rückerstattungsbetrag in Höhe von 11.732,95 EUR.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde - nach Anträgen des Beschwerdeführers auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz - der Berufung nur im Umfang der Berufungsvorentscheidungen Folge.
Begründend führte sie aus, dass gemäß § 98 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die im Inland ausgeübt worden sei, der österreichischen Besteuerung unterlägen. Dabei sei für die Frage der grundsätzlichen Ertragssteuerbarkeit eine kausale Betrachtung sachgerecht. Auf zwischenstaatlicher Ebene lege Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz fest, dass Einkünfte aus Dienstverhältnissen grundsätzlich in dem Staat besteuert würden, in dem die Tätigkeit ausgeübt werde. Dem Wohnsitzstaat stehe nur dann und insoweit ein Besteuerungsrecht zu, als die Tätigkeit in seinem Gebiet ausgeübt werde. Dabei sei irrelevant, zu welchem Zeitpunkt, wo und in welcher Währung die Vergütungen bezahlt würden. Relevant sei nur, für welche Tätigkeit die Einkünfte bezogen worden seien. Deshalb seien auch Nachzahlungen für frühere aktive Tätigkeit grundsätzlich dem Staat zur Besteuerung zu überlassen, in dem die Arbeit ausgeübt worden sei. Kausal seien die Einkünfte eines Arbeitnehmers dann mit einer Tätigkeit verknüpft, wenn diese bei Nichtausübung der Tätigkeit nicht angefallen wären. Es sei damit einzig und allein entscheidend, ob die betreffenden Zahlungen als Entgelt für die im Arbeitsausübungsstaat erbrachten Arbeitsleistungen anzusehen seien. Je nachdem, welche Tätigkeit für eine bestimmte Zahlung kausal gewesen sei, habe eine Besteuerung im selben Staat, in dem auch die ursächliche Tätigkeit besteuert worden sei, zu erfolgen. Dass bei der Arbeitnehmerbesteuerung dem Kausalitätsprinzip Vorrang zukomme, sei im Verhältnis zur Schweiz auch international abgesprochen worden (siehe Abschnitt B Punkt 9 des Ergebnisprotokolls vom , 04 4282/3-IV/4/00).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, dass der Beschwerdeführer in der Schweiz ansässig ist (iSd Doppelbesteuerungsabkommens Einkommen- und Vermögensteuern, BGBl. Nr. 64/1975, zuletzt geändert durch BGBl. III Nr. 22/2007, im Folgenden DBA Schweiz). Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht verletzt, dass die während seiner Dienstfreistellung von seinem österreichischen Arbeitgeber bezogenen Vergütungen in Österreich gemäß Art. 15 DBA Schweiz nicht besteuert werden.
Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz lautet:
"Vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, daß die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden."
Art. 15 DBA Schweiz kommt im Beschwerdefall schon deshalb zur Anwendung, weil das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers durch die Arbeitgeberin erst zum gekündigt worden ist und bis dahin das Beschäftigungsverhältnis weiterhin aufrecht war. Eine Dienstfreistellung ändert daran nichts, sondern bedeutet lediglich, dass der Arbeitgeber während einer bestimmten Dauer (meist während der Kündigungsfrist) auf die Arbeitsleistung seines Arbeitnehmers verzichtet. Die Dienstfreistellung lässt aber grundsätzlich andere Dienstpflichten - wie beispielsweise vertragliche Treuepflichten - aufrecht (vgl. zB das 9 Ob A 61/94).
Mit Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz wird dem Ansässigkeitsstaat grundsätzlich das ausschließliche Besteuerungsrecht für Vergütungen für unselbständige Arbeit zugeordnet. Diese Zuordnung des Besteuerungsrechts wird nur dann durchbrochen, wenn die unselbständige Tätigkeit im anderen Staat "ausgeübt" wird, wobei Art. 15 Abs. 2 DBA Schweiz für diese Durchbrechung Ausnahmen enthält (sog. 183 Tage Regel). Entscheidend für ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates ist somit die dortige Ausübung der unselbstständigen Tätigkeit.
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts hinsichtlich einzelner konkreter Zahlungen erfolgt dabei nach dem DBA Schweiz nach kausalen Gesichtspunkten (arg: "dafür bezogene Vergütungen" in Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA Schweiz). Die Zahlungen müssen somit ihren Grund in der im Quellenstaat ausgeübten Tätigkeit haben (vgl. Prokisch in Vogel/Lehner, DBA6, Art. 15 Rz 16). Es ist jedoch nicht maßgebend, zu welchem Zeitpunkt oder in welcher Form oder unter welcher Bezeichnung einzelne Zahlungen für eine im Quellenstaat ausgeübte Tätigkeit erfolgen (vgl. Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer , Doppelbesteuerung, Art. 15 MA Rz 77).
Wird ein Arbeitnehmer nach ausgesprochener Kündigung vom Dienst unter "Gehaltsfortzahlung" bis zum Kündigungstermin freigestellt, so sind die in dieser Zeit bezogenen Vergütungszahlungen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs im Sinne des Kausalitätsprinzips keine für die Untätigkeit (ungenutzte Arbeitsbereitschaft) während der Dienstfreistellung bezogenen Vergütungen. Derartige Zahlungen haben ihren Grund - ebenso wie die beschwerdegegenständliche Abgangsentschädigung - vielmehr in der vor der Dienstfreistellung ausgeübten Tätigkeit und ihrer vertraglichen Abbildung. Damit besteht aber ein besonderer Veranlassungszusammenhang zur bisher ausgeübten Tätigkeit, weil die Zahlungen - vergleichbar mit Abfindungszahlungen - "quasi den letzten Akt des Dienstverhältnisses" darstellen (vgl. Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer , Doppelbesteuerung, Art. 15 MA Rz 56e). Dabei liegt es bei vertraglichen Ansprüchen im Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien eines Dienstvertrages, ob sie für den Kündigungsfall eine höhere Abfindung oder eine längere Gehaltsfortzahlung vereinbaren. Eine unterschiedliche Besteuerungsfolge soll sich daraus gerade im Hinblick auf das Kausalitätsprinzip nicht ergeben.
Aufgrund des aufgezeigten besonderen Veranlassungszusammenhangs zur bisher ausgeübten Tätigkeit besteht daher - wie die belangte Behörde zutreffend angenommen hat - auch für die "Gehaltsfortzahlungen" während der Zeiträume der Dienstfreistellung im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses ein Besteuerungsrecht nach Art 15 Abs. 1 Satz 2 DBA Schweiz (ebenso Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht, Z 15 Rz 31 ff, 35; für ein Quellenbesteuerungsrecht für derartige Vergütungen nunmehr auch ausdrücklich Anmerkung 2.6 des OECD-Musterkommentars in seiner ab geltenden Fassung: "In some cases, the employer is required (by law or by contract) to provide an employee with a period of notice before terminating employment. If the employee is told not to work during the notice period and is simply paid the remuneration for that period, such remuneration is clearly received by virtue of the employment and therefore constitutes remuneration 'derived therefrom' for the purposes of paragraph 1. The remuneration received in such a case should be considered to be derived from the State where it is reasonable to assume that the employee would have worked during the period of notice."; vgl. dazu Tumpel/Jahn , Termination of Employment, in Lang ua, The OECD-Model-Convention and its Update 2014, 2015, 121 ff, 130 ff).
Soweit die Beschwerde schließlich auf Art. 15 Abs. 2 DBA Schweiz verweist und aus dem jeweils 183-Tage unterschreitenden Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich in den Jahren 2010 und 2011 auf ein fehlendes Besteuerungsrecht Österreichs schließt, übersieht sie die - neben Art. 15 Abs. 2 lit. a DBA Schweiz - hierfür kumulativ notwendigen Voraussetzungen der lit. b und c dieser Bestimmung.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am