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VwGH 21.09.2018, Ra 2017/17/0352

VwGH 21.09.2018, Ra 2017/17/0352

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
VwGVG 2014 §52 Abs8;
RS 1
Bezüglich des Kostenbeitrages für das Beschwerdeverfahren nach § 52 Abs 8 VwGVG ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 65 VStG auf die neue Rechtslage zu übertragen (vgl ). Der leitende Gedanke des § 65 VStG war, dass es nicht begründet wäre, die Kosten des Berufungsverfahrens dem Bestraften aufzuerlegen, wenn die Berufungsbehörde eine Änderung zugunsten des Beschuldigten vorgenommen hat. Eine solche liegt auch dann vor, wenn wenigstens der von der Strafbehörde erster Instanz angenommene strafbare Tatbestand eingeschränkt worden ist. Das ist ua auch dann der Fall, wenn der Tatzeitraum gegenüber der Vorinstanz und damit der Unrechtsgehalt zugunsten des Beschuldigten verringert wurde (vgl und ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2016/17/0165 E RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des GÖ in I, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , LVwG-2015/30/1328-7, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 1. richtet, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Die Vorschreibung der Kosten des Beschwerdeverfahrens in Spruchpunkt 2. des angefochtenen Erkenntnisses wird wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom wurde der Revisionswerber jeweils der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) wegen des unternehmerisch Zugänglichmachens von fünf Glücksspielgeräten im Tatzeitraum von bis schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von jeweils EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 70 Stunden) verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von EUR 1.000,-- vorgeschrieben.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die dagegen erhobene Beschwerde ab und "berichtigte" den Spruch des Straferkenntnisses dahin, dass die Tatzeit auf "vom bis zum Beginn der durchgeführten Kontrolle am gegen 10.10 Uhr" eingeschränkt und die Strafsanktionsnorm ergänzt wurde (Spruchpunkt 1.).

3 Gleichzeitig wurde dem Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von insgesamt EUR 2.000,-- vorgeschrieben (Spruchpunkt 2.).

4 Weiters sprach das Landesverwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Mit den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2015/17/0022, und vom , Ra 2018/17/0048 und 0049, sowie der sich daran anschließenden hg. Judikatur liegt Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes vor. Von dieser ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen.

10 Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl.  Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; , Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; , Admiral Casinos & Entertainment, C-464/15, Rn. 31, 35 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof in den zitierten Erkenntnissen vom und durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen.

11 Zum Vorbringen des Revisionswerbers, wonach das für die Verwaltungsgerichte anzuwendende Amtswegigkeitsprinzip der in Art. 6 EMRK normierten Unparteilichkeit des erkennenden Gerichtes widerspreche, wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , E 3282/2016, verwiesen. Darin hat der Verfassungsgerichtshof einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK verneint. Nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom , Online Games Handels GmbH ua, C-685/15, stehen darüber hinaus die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom ).

12 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision im Zusammenhang mit der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

13 Die Revision rügt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen überdies einen Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius, weil das Landesverwaltungsgericht im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses zwar den im Straferkenntnis angegebenen Tatzeitraum eingeschränkt, das Strafausmaß aber beibehalten habe, ohne jedoch auf den Umstand näher einzugehen, dass die über den Revisionswerber pro Glücksspielgerät verhängte Strafe die Mindeststrafe unterschritt und ohne das Vorliegen der Voraussetzungen für eine außerordentliche Strafmilderung gemäß § 20 VStG darzulegen.

14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt das Verbot der reformatio in peius bei einer zu Gunsten des Bestraften erhobenen Beschwerde dazu, dass in der Beschwerdeentscheidung nicht die gleiche Strafe verhängt werden darf wie im bekämpften Straferkenntnis, sofern in der Beschwerdeentscheidung der Tatzeitraum reduziert wird und nicht andere Strafzumessungsgründe heranzuziehen sind als im Straferkenntnis (vgl. , mwN).

15 Wenn das Verwaltungsgericht die verhängte Strafe nicht herabsetzt, liegt dennoch kein Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius vor, wenn es im Rahmen der vorzunehmenden eigenständigen Anwendung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 38 VwGVG iVm. § 19 Abs. 2 VStG iVm § 32 StGB), zu denen auch die Bewertung von Milderungs- und Erschwernisgründen gehört, begründeterweise zur gleichen Strafhöhe gelangt wie die erstinstanzliche Behörde; dies selbst wenn ein Erschwerungsgrund weggefallen oder ein Milderungsgrund hinzugekommen wäre (vgl. zur Anwendbarkeit des § 32 StGB , vgl. im Übrigen z.B. , mwN).

16 Die belangte Behörde führte im Straferkenntnis aus, das Strafausmaß entspreche dem Unrechtsgehalt der Tat. Das Landesverwaltungsgericht verwies zur Beibehaltung des Strafausmaßes darauf, dass die belangte Behörde die gesetzlich gebotene Mindeststrafe von EUR 3000,- je Glücksspielgerät (§ 52 Abs. 2 vierter Strafsatz GSpG) um jeweils EUR 1.000,-- unterschritten habe. Es führte weiters aus, dass die Voraussetzungen für eine außerordentliche Strafmilderung nicht vorlägen. Auch unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Revisionswerbers sowie der bestehenden Sorgepflicht sei eine Strafherabsetzung nicht in Betracht gekommen, weil bereits die gesetzliche Mindeststrafe pro Glücksspielgerät erheblich unterschritten worden sei. Damit hat das Landesverwaltungsgericht eine eigenständige Bewertung der Strafzumessungsgründe vorgenommen, zu der die Revision kein Vorbringen enthält. Ein Abweichen des Landesverwaltungsgerichts von der hg. Rechtsprechung zum Verbot der reformatio in peius wurde somit nicht aufgezeigt.

17 Soweit sich die Revision gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, war sie daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen.

18 Die vorliegende Revision erweist sich allerdings bezüglich der in Spruchpunkt 2. vorgeschriebenen Kosten für das Beschwerdeverfahren als zulässig und berechtigt, weil das Landesverwaltungsgericht in diesem Punkt - wie die Revision zutreffend im Zulässigkeitsvorbringen aufzeigt - von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.

19 Bezüglich des Kostenbeitrages für das Beschwerdeverfahren nach § 52 Abs. 8 VwGVG ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 65 VStG auf die neue Rechtslage zu übertragen. Der leitende Gedanke des § 65 VStG war, dass es nicht begründet wäre, die Kosten des Berufungsverfahrens dem Bestraften aufzuerlegen, wenn die Berufungsbehörde eine Änderung zugunsten des Beschuldigten vorgenommen hat. Eine solche liegt auch dann vor, wenn wenigstens der von der Strafbehörde erster Instanz angenommene strafbare Tatbestand eingeschränkt worden ist. Das ist ua auch dann der Fall, wenn der Tatzeitraum gegenüber der Vorinstanz und damit der Unrechtsgehalt zugunsten des Beschuldigten verringert wurde. Dem Landesverwaltungsgericht war es schon aufgrund der vorgenommen Tatzeiteinschränkung versagt, dem Revisionswerber den Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (vgl. z.B. ).

20 Die in Spruchpunkt 2. enthaltene Vorschreibung der Kosten für das Beschwerdeverfahren war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

21 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
VwGVG 2014 §52 Abs8;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170352.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAE-74602