VwGH vom 21.11.2018, Ra 2017/17/0110
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kovacs, über die Revision des M H in Wien, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , VGW- 002/042/6926/2015-9, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom wurde der Revisionswerber der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 (1. Fall) iVm § 2 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG) in Bezug auf ein näher bezeichnetes Glücksspielgerät im Tatzeitraum vom " bis , jedoch zumindest vom bis " schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 3.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen in Höhe von 15 Tagen und 360 Stunden) verhängt.
2 In der Begründung führte die belangte Behörde zum Tatzeitraum aus, der Revisionswerber habe "es zu verantworten, dass seit bis , jedoch zumindest von bis ... verbotene Ausspielungen gem. § 2 Abs. 4 GSpG ... mit dem angeführten Glücksspielgerät veranstaltet wurden."
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die vom Revisionswerber erhobene Beschwerde hinsichtlich der Schuldfrage als unbegründet ab und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass anstelle des Ausdrucks "" der Ausdruck "", zu treten habe. Betreffend der verhängten Strafhöhe gab es der Beschwerde insofern Folge, als es die Geldstrafe von EUR 3.000,-- auf EUR 2.940,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Tagen und 360 Stunden auf 3 Tage herabsetzte. Weiters sprach es aus, dass als Übertretungsnorm § 52 Abs. 1 Z 1 1. Fall GSpG idF BGBl. I Nr. 105/2014 anzusehen sowie als Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 zweiter Strafsatz GSpG idF BGBl. I Nr. 105/2014 heranzuziehen sei, und setzte die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens mit EUR 294,-- fest. Im Übrigen sprach es aus, dass der Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 8 GSpG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe und eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revision erweist sich bereits im Hinblick auf das zur Zulässigkeit erstattete Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe entgegen der näher dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die im Straferkenntnis als erwiesen angenommene Tat durch die Heranziehung eines in erster Instanz nicht inkriminierten Tatzeitraumes unzulässigerweise ausgetauscht, als zulässig und berechtigt.
6 "Sache" des Verwaltungsstrafverfahrens ist die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl. mwN; , Ra 2016/02/0226; , Ra 2018/04/0091).
7 Schon nach der Rechtsprechung zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, und dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 33/2013, war die (damalige) Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen berechtigt, die als erwiesen angenommene Tat - unter Beachtung der durch das Verbot der reformatio in peius (§ 51 Abs. 6 VStG, vgl. nun § 42 VwGVG) gezogenen Grenzen - einer anderen rechtlichen Subsumtion, etwa der Unterstellung unter eine andere Strafnorm, zu unterziehen. Es kann auch im Hinblick auf die den Verwaltungsgerichten übertragene Pflicht, in Verwaltungsstrafsachen über Beschwerden meritorisch zu entscheiden (Art. 130 Abs. 4 erster Satz B-VG und § 50 VwGVG), für das Beschwerdeverfahren gegen Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden vor den Verwaltungsgerichten nichts anderes gelten (vgl. etwa , mwN). Eine Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Ausdehnung des Gegenstands des Verfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG hinaus wurde durch die Novelle nicht geschaffen (vgl. VwGH etwa , Ra 2017/17/0591, mwN).
8 Konkret ist im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses der Tatzeitraum mit " bis , jedoch zumindest vom bis " umschrieben. Damit hat die belangte Behörde, obwohl sie für den Zeitraum vom bis eine Tathandlung als nicht ausreichend erwiesen angenommen hat, auch diesen Zeitraum unzulässigerweise in den Spruch des Straferkenntnisses aufgenommen. Im Hinblick auf die für die Konkretisierung des Tatvorwurfs bestehenden Erfordernisse der Wahrung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten sowie der Vermeidung der Gefahr einer Doppelbestrafung ist der Spruch dahin auszulegen, dass sich der im Straferkenntnis der Verwaltungsstrafbehörde vorgeworfene Tatzeitraum auf die Zeitspanne bis beschränkt (vgl. , mwN). Die Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 (1. Fall) GSpG in Bezug auf ein näher bezeichnetes Glücksspielgerät im Zeitraum vom bis war somit nicht Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsstrafverfahrens vor dem Verwaltungsgericht.
9 Das Verwaltungsgericht bestätigte das Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass anstelle des Ausdrucks "" der Ausdruck "", zu treten habe. In der Begründung führte es dazu aus, dass "ein Verstoß gegen ... § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG ... jedenfalls im Hinblick auf den Aufstellzeitraum zwischen dem und dem " (wohl gemeint: ) vorliege. Demgegenüber könne nicht festgestellt werden, "dass durch den Aufsteller auch im Zeitraum ab dem Ausspielungen angeboten worden" seien. Der "Tatanlastungszeitraum" sei "entsprechend zu verkürzen."
10 Zu dem im Straferkenntnis dem Revisionswerber vorgeworfenen Tatzeitraum "vom bis " gelangte das Verwaltungsgericht somit zum Ergebnis, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Veranstaltens iSd § 52 Abs. 1 Z 1
1. Fall GSpG nicht festgestellt werden können und der Revisionswerber daher für diesen Tatzeitraum nicht zu bestrafen sei. Da - wie in Rn. 8 dargelegt - nur der Zeitraum vom bis , in dem das VwG im Gegensatz zur Verwaltungsstrafbehörde keine Tathandlung als erwiesen annahm, Gegenstand des Straferkenntnisses war, hätte das Verwaltungsgericht der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers vollumfänglich Folge geben und das Straferkenntnis zur Gänze aufheben müssen.
11 Demgegenüber lastete das VwG dem Revisionswerber mit Maßgabebestätigung die Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1
1. Fall GSpG für den Zeitraum vom bis an, für den die Verwaltungsstrafbehörde eine Tathandlung als nicht ausreichend erwiesen annahm, und der nicht vom Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses umfasst und daher nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war.
12 Das angefochtene Erkenntnis war bereits aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet und somit wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf die weiteren Revisionsausführungen einzugehen gewesen wäre.
13 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
14 Die Kostenentscheidung gründet sich auf den § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170110.L00 |
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