VwGH vom 23.11.2009, 2008/05/0225
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der S GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jasomirgottstraße 6, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-91/08, betreffend Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 454/1 der Liegenschaft EZ 550, KG Alsergrund, Michelbeuerngasse 4a, (in der Folge: Baugrundstück). Nach dem für dieses Grundstück geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan ist 14 m hinter der an der Michelbeuerngasse festgelegten Baulinie parallel zu dieser eine Baufluchtlinie festgelegt. Hinter dieser Baufluchtlinie ist senkrecht dazu parallel zur linken Grundstücksgrenze in einer Entfernung von 7 m ebenfalls eine Baufluchtlinie angeordnet. Außerhalb dieser einen rechten Winkel bildenden Baufluchtlinien ist für dieses im Wohngebiet liegende Grundstück die Widmung "G" (gärtnerisch auszugestaltende Fläche) festgelegt.
Auf dem Baugrundstück ist ein Gebäude mit einer aufrechten Baubewilligung aus dem Jahre 1884 errichtet, welches in die mit "G" bezeichnete Fläche ragt.
Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung von drei hofseitigen Balkonen (je einer im ersten, zweiten und dritten Stock des Gebäudes) und der damit zusammenhängenden baulichen Maßnahmen. Die Balkone sollen an dem Teil des Hoftraktes, der sich auf der mit "G" gewidmeten Fläche befindet, mit einer höchsten Ausladung von 1,50 m errichtet werden. Jeder der drei Balkone soll 7,49 m2 groß sein.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom wurde die beantragte Baubewilligung abgewiesen. Begründend führte die Behörde erster Instanz aus, dass die geplanten drei Balkone am Hoftrakt parallel zum Gassentrakt in einer gärtnerisch auszugestaltenden Fläche vorgesehen seien, welche durch eine Baufluchtlinie vom hofseitigen Quertrakt begrenzt werde, wobei diese festgesetzte Baufluchtlinie durch die geplanten Balkone um bis zu 5,60 m überschritten werde. Damit werde die im § 84 Bauordnung für Wien (BO) vorgesehene höchstzulässige Ausladung von 1,50 m um fast das Vierfache überschritten. Das Bauvorhaben sei daher nicht bewilligungsfähig. Eine Bewilligung nach § 71 BO käme insbesondere deshalb nicht in Betracht, da aus den eingereichten Unterlagen keine Gründe für die Erteilung einer derartigen Ausnahmegenehmigung erkennbar seien und die Erteilung eine derartigen Ausnahmegenehmigung dazu führen könnte, dass die Behörde, um sich nicht dem Vorwurf der willkürlichen Handhabung des Ermessens auszusetzen, auch in anderen gleichartigen Fällen eine Ausnahmegenehmigung erteilen müsste.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass die geplanten drei Balkone am bestehenden Hoftrakt außerhalb des durch eine Baufluchtlinie abgegrenzten bebaubaren Bereiches auf einer nach dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan unbebaubaren sowie gärtnerisch auszugestaltenden Fläche errichtet werden sollen. Nach dem Einreichplan werde die festgesetzte Baufluchtlinie durch die drei geplanten Balkone um bis zu 5,60 m überschritten. Das vorliegende Bauvorhaben widerspreche somit den Bestimmungen des § 84 Abs. 2 lit. a BO. Wenn die Beschwerdeführerin darauf hinweise, dass die Balkone von der Fassade des bestehenden Gebäudes lediglich 1,50 m auskragten und diese auch zwei Drittel der Fassadenlänge über der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche einhielten und somit der Bestimmung des § 84 Abs. 2 lit. a BO entsprächen, verkenne sie den Regelungsinhalt dieser Norm. Im § 84 Abs. 2 lit. a BO werde u. a. die Zulässigkeit geregelt, mit bestimmten Gebäudeteilen - wie z. B. mit Balkonen - über Baufluchtlinien vorzuragen, wenn diese bestimmte im Gesetz vorgesehene Voraussetzungen erfüllten. Eine dieser Voraussetzungen für die Zulässigkeit, mit diesen Gebäudeteilen einschließlich Balkonen über Baufluchtlinien vorzuragen, sei, dass die Ausladung dieses Bauteils (Balkons) höchstens 1,50 m betrage. Aus dieser Bestimmung sei klar ersichtlich, dass das zulässige Überschreiten der Baufluchtlinien mit solchen Gebäudeteilen einschließlich Balkonen auf die ausdrücklich geregelte höchste Ausladung von 1,50 m beschränkt sei. Weiters lasse sich dieser Bestimmung entnehmen, dass die Errichtung solcher Gebäudeteile einschließlich Balkone "innerhalb" der Baufluchtlinien - somit innerhalb des durch Baufluchtlinien abgegrenzten bebaubaren Bereiches - schlechthin zulässig sei, wenn dadurch auch die weiteren Bestimmungen der Bauordnung für Wien eingehalten würden, jedoch die Errichtung von solchen Gebäudeteilen einschließlich Balkonen "außerhalb" von Baufluchtlinien - somit auf einem nach den Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes nicht bebaubaren, allenfalls zusätzlich gärtnerisch auszugestaltenden (§ 84 Abs. 2 lit. a letzter Satz Bauordnung für Wien) Bereich - nur dann zulässig sei, wenn die in dieser Gesetzesstelle geregelten Voraussetzungen - darunter auch, dass diese über die Baufluchtlinien vorragenden Gebäudeteile einschließlich Balkone eine (diesbezüglich vorragende) Ausladung von 1,50 m aufwiesen - eingehalten würden. Wollte man § 84 Abs. 2 lit. a BO einen anderen Inhalt bzw. Regelungszweck unterstellen, wäre diese Bestimmung schlechthin entbehrlich. Wenngleich es zutreffe, dass die geplanten Balkone von der Fassade des konsensgemäßen Bestandes lediglich eine Ausladung von 1,50 m aufwiesen, sei zu bedenken, dass sowohl der konsensgemäße Hofbestand als auch die nunmehr geplanten Balkone nach dem derzeit geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan gänzlich über einer nicht bebaubaren und zusätzlich gärtnerisch auszugestaltenden Fläche zu liegen kämen. Da § 84 Abs. 2 lit. a BO nicht auf die Ausladung dieser Gebäudeteile einschließlich Balkone von der Fassade eines Gebäudes abstelle, sondern auf die Ausladung dieses über die Baufluchtlinie hervorragenden Gebäudeteiles - somit auf die Überschreitung der Baufluchtlinie durch diesen Gebäudeteil -, gehe das diesbezügliche Berufungsvorbringen ins Leere. Insofern sich die Beschwerdeführerin auf § 80 Abs. 2 BO betreffend die Ermittlung der bebauten Fläche stütze, sei darauf zu verweisen, dass sich die Ermittlung der bebauten Fläche nur auf zulässigerweise errichtbare bzw. bewilligungsfähige, vor die Gebäudefront ragende Gebäudeteile einschließlich Balkone beziehe. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass das gegenständliche Vorhaben unter Heranziehung des § 68 Abs. 1 BO zu bewilligen gewesen wäre, sei darauf hinzuweisen, dass durch die geplanten Baumaßnahmen weder eine Abweichung des Baubestandes von den Bestimmungen der Bauordnung gemindert werde noch die Einhaltung dieser Bestimmungen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.
Für das gegenständliche Bauvorhaben wäre daher die Erwirkung einer Ausnahmebewilligung (Bewilligung unwesentlicher Abweichungen von den Bebauungsvorschriften) gemäß § 69 Abs. 1 lit. a BO erforderlich. Grundvoraussetzung für eine solche Gewährung einer Ausnahmebewilligung nach § 69 BO sei, dass durch die Ausnahmegewährung der Umfang einer unwesentlichen Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes nicht überschritten werde.
§ 69 BO sei restriktiv zu interpretieren. Zu prüfen sei, ob der für das jeweilige Bauvorhaben erforderlichen Abweichung von den Bebauungsvorschriften eine dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan unterlaufende Tendenz inne wohne. Das beantragte Bauvorhaben weiche von den Bebauungsvorschriften insofern ab, als durch die drei geplanten Balkone die festgesetzte, entlang dem hofseitigen Wohntrakt verlaufende Baufluchtlinie um bis zu 5,60 m überschritten werde. Schon auf Grund des erheblichen Ausmaßes, mit dem die festgesetzte Baufluchtlinie überschritten und eine nach dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan unbebaubare und gärtnerisch auszugestaltende Grundfläche einer Bebaubarkeit zugeführt werden solle, könne die mit dem gegenständlichen Bauvorhaben verbundene Überschreitung der Baufluchtlinie um 5,60 m nur als wesentliche, den Intentionen des geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes zuwiderlaufende Abweichung von den Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes qualifiziert werden. Selbst die von der Beschwerdeführerin eingewandte Berücksichtigung des § 84 Abs. 2 lit. a BO, wonach u.a. Balkone (höchstens) 1,50 m über die Baufluchtlinie vorragen dürfen, vermöge eine andere Beurteilung nicht herbeizuführen. Selbst wenn man in die Beurteilung miteinbezöge, dass der Gesetzgeber - bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen - die Überschreitung von Baufluchtlinien durch Balkone im Ausmaß von 1,50 m als zulässig ansehe, würde im Beschwerdefall die Baufluchtlinie darüber hinaus noch um 4,10 m überschritten (dies entspreche einer Überschreitung dieser zulässigen Ausladung von 1,50 m um ca. 273 %) und auch eine derartige Überschreitung der festgesetzten Baufluchtlinie auf Grund des beträchtlichen Ausmaßes stelle eine wesentliche Abweichung von den Bebauungsvorschriften dar. Die Anwendbarkeit des § 69 BO sei daher schon aus diesem Grunde ausgeschlossen, sodass auf die weiteren Voraussetzungen im Sinne des § 69 Abs. 2 BO nicht näher einzugehen gewesen sei. Daran ändere auch nichts die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0052, vertretene Rechtsauffassung, dass ein Altbestand, der seinerzeit ohne Anwendung des § 69 BO rechtmäßig konsentiert worden sei, bei der Prüfung eines Zubaues, der nur unwesentlich von den geltenden Bestimmungen abweiche, grundsätzlich unbeachtlich sei. Nach dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan stehe nämlich jener Bereich, auf dem sich der konsensgemäße Hoftrakt samt den geplanten Balkonen befinde, einer Bebauung nicht (mehr) offen, weil die gärtnerische Ausgestaltung nunmehr angeordnet sei. Dadurch erweise sich die gegenständliche Abweichung von den Bebauungsvorschriften im Hinblick auf das beträchtliche Ausmaß der Baufluchtlinienüberschreitung als wesentlich. Mit der Festsetzung der gärtnerischen Ausgestaltung im geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan sei zum Ausdruck gebracht worden, dass diese Fläche, auf der sich der konsensgemäß bestehende Hoftrakt samt den geplanten Balkonen befinde, von einer künftigen Bebauung freigehalten und auch gärtnerisch ausgestaltet werden solle. Wenngleich eine derartige Festlegung samt der Anordnung einer gärtnerisch auszugestaltenden Fläche nicht dazu führe, dass der vorhandene konsentierte Altbestand auf Grund seiner Situierung (auch im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben) abgebrochen werden müsse, solle aber auf einer solchen Fläche keine Bauführung erfolgen, die der Realisierung des Bebauungsplanes auf - weitere - lange Zeit entgegenstehe (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2005/05/0088). Eine Ausnahmebewilligung gemäß § 69 Abs. 1 lit. a BO käme daher nicht in Betracht, weshalb die beantragte Baubewilligung für das gesamte Bauvorhaben im Sinne des § 69 Abs. 6 BO versagt habe werden müssen.
Hinsichtlich einer möglichen Bewilligungsfähigkeit des Bauvorhabens nach § 71 BO sei davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin keinen begründeten Ausnahmefall für die Anwendung dieser Bestimmung geltend gemacht habe und ein solcher auch nicht erkennbar sei. Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei nämlich zu berücksichtigen, dass in gleichgelagerten Fällen ebenfalls eine derartige Bewilligung erteilt werden müsste und dies den öffentlichen Rücksichten in Bezug auf die diesbezüglichen Festsetzungen im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan widersprechen würde. Die Erteilung einer Baubewilligung nach § 71 BO würde eine Bevorzugung der Beschwerdeführerin darstellen, die im Hinblick auf die Präzedenzfolgen und der damit einhergehenden Aushöhlung der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen nicht gerechtfertigt werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung der Baubewilligung verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und führt aus, dass sich das Bauansuchen auf den Hoftrakt beziehe, der sich im Widmungsbereich Wohnzone "rot G" mit einer aufrechten Baubewilligung aus dem Jahre 1884 befinde. Der Hoftrakt weise eine Trakttiefe von etwa 6 m auf. Die beantragten Baumaßnahmen dienten der Steigerung der Wohnqualität und des sozialen Umfeldes der Bewohner. Die geplanten drei Balkone lägen parallel zum Gassentrakt. Parallel zur Anbindung der Balkone an den Hoftrakt befände sich keine Baufluchtlinie. Diese verlaufe vielmehr seitlich ausschließlich im rechten Winkel zum Hoftrakt an den geplanten Balkonen vorbei. Dies bedeute, dass vor dem in der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche liegenden Hoftrakt gar keine Baufluchtlinie verlaufe bzw. an diesen angrenze, von dem man eine Berechnung der Balkonausladung im Sinne des § 84 Abs. 2 lit. a BO vornehmen könnte. Diese Bestimmung könne daher im Beschwerdefall nicht angewendet werden. Baufluchtlinien, die vertikal zu einem Trakt angeordnet seien, an dem die Ausladung vorgenommen werde bzw. die Anbindung der Balkone erfolge, könnten für Abstandsmessungen gar nicht herangezogen werden, da es hier keine Rechengrundlage geben könne.
Dort, wo eine gärtnerisch auszugestaltende Fläche oder eine Baufluchtlinie festgesetzt worden sei, dürften zwar bauliche Änderungen im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c BO, nicht aber Neu-, Zu- oder Umbauten im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a BO erfolgen. Die Errichtung der Balkone sei eine bauliche Änderung im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c BO, die im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2005/05/0088, zulässig sei. Daraus ergebe sich auch, dass eine Ausnahmebewilligung gemäß § 69 Abs. 1 lit. a BO nicht erforderlich sei. Das Bauvorhaben weiche nämlich nicht von den Bebauungsvorschriften ab. Eine Baufluchtlinie könne nämlich nur dann überschritten werden, wenn das überschreitende Bauvorhaben, also die Ausladung, von der Baufluchtlinie bzw. von dem die Baufluchtlinie begrenzten Quertrakt ausgehe. Dies sei hier nicht der Fall. Im Lichte des Verwaltungsgerichtshofserkenntnis vom erwiesen sich daher die geplanten Balkone, die nicht mehr als 1,50 m auskragten und im Übrigen auch sämtlichen Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 lit. a BO genügten, als zulässig, zumal sie auch nicht länger existieren könnten als der konsentierte Hoftrakt, von dem sie auskragten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdegegenständlichen Baumaßnahmen sind an einem Gebäudeteil vorgesehen, der sich auf Grund einer rechtskräftigen Baubewilligung aus dem Jahre 1884 (nunmehr) auf einer Fläche befindet, die nach dem bestehenden, im Beschwerdefall anzuwendenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan als "G" (gärtnerisch auszugestaltende Fläche) festgelegt ist und außerhalb der seitlichen Baufluchtlinie und auch hinter der parallel zur Baulinie angeordneten Baufluchtlinie liegt.
Für die Beurteilung der vorliegenden Bausache ist von folgenden Regelungen der BO in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 25/2009 auszugehen:
Nach § 5 Abs. 2 BO haben Bebauungspläne Fluchtlinien zu enthalten, wobei u.a. Baufluchtlinien festgesetzt werden können, über die gemäß § 5 Abs. 6 mit einem Gebäude oder Gebäudeteil (mit Ausnahme der gemäß § 84 zulässigen Vorbauten, wie z.B. Erker, Balkone und Stiegenhausvorbauten) nicht vorgerückt werden darf.
§ 5 Abs. 4 lit. p BO lautet:
"Über die Festlegungen von Abs. 2 und 3 hinaus können die Bebauungspläne zusätzlich enthalten:
...
p) die Anordnung der gärtnerischen Ausgestaltung unbebauter Grundflächen;"
§ 60 BO hat folgenden Wortlaut (auszugsweise):
"§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:
a) Neu-, Zu- und Umbauten. ... Unter Umbau sind jene Änderungen des Gebäudes zu verstehen, durch welche die Raumeinteilung oder die Raumwidmungen so geändert werden, dass nach Durchführung der Änderungen das Gebäude als ein anderes anzusehen ist. Ein Umbau liegt auch dann vor, wenn solche Änderungen selbst nur ein einzelnes Geschoss betreffen. Der Einbau von Wohnungen oder Teilen davon in das Dachgeschoss gilt nicht als Umbau.
Tabelle in neuem Fenster öffnen
b) | ... | |||||||||
c) | Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und baulichen Anlagen (nunmehr: Bauwerk), wenn diese von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch sie das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, sowie jede Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage (nunmehr: Bauwerk); ... |
(3) Bestimmungen des Bebauungsplanes stehen der Zulässigkeit von Bauführungen gemäß Abs. 1 lit. c nicht entgegen."
Im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0018, hat der Verwaltungsgerichtshof näher begründet ausgeführt, dass es sich bei der Anordnung der gärtnerischen Ausgestaltung und auch bei der Festlegung der Baufluchtlinien um Vorschreibungen des Bebauungsplanes handelt und ein konsentierter Altbestand, der auf gärtnerisch auszugestaltenden Flächen errichtet ist, im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben nicht abgebrochen werden muss, damit den Bestimmungen des Bebauungsplanes Genüge getan wird. Zu beurteilen ist aber, ob die in einem solchen Altbestand geplanten Baumaßnahmen zulässig sind. Es soll in einem solchen Fall kein Bau erfolgen, der der Realisierung des Bebauungsplanes auf - weitere - lange Zeit entgegensteht. Bloße bauliche Änderungen im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c BO kämen unter diesen Voraussetzungen als gemäß § 60 Abs. 3 zulässige bauliche Maßnahmen in einer gärtnerisch auszugestaltenden Fläche oder bei Überschreitung der Baufluchtlinie in Betracht (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0088).
Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die belangte Behörde gehen zutreffend davon aus, dass das geplante Bauvorhaben baubewilligungspflichtig im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c BO ist, zumal die baulichen Maßnahmen nicht als so weitgehend einzustufen sind, dass nach der Änderung das Gebäude als ein anderes anzusehen ist (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom und die dort referierte hg. Rechtsprechung).
Die Ausweisung der gärtnerischen Ausgestaltung sowie einer Baufluchtlinie im Bebauungsplan stehen somit dem Bauvorhaben nicht entgegen (siehe § 60 Abs. 3 BO). Die belangte Behörde durfte daher die Abweisung des Bauvorhabens zulässigerweise nicht darauf stützen, dass das Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei den genannten Bestimmungen des Bebauungsplanes widerspricht.
Auch die Begründung der belangten Behörde, das Bauvorhaben verstoße gegen § 84 Abs. 2 lit. a BO und sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 69 BO auch nicht bewilligungsfähig, trifft nicht zu.
§ 84 Abs. 2 lit. a BO in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 37/2001 hat folgenden Wortlaut:
"Bauteile vor den Baufluchtlinien und in Abstandsflächen und Vorgärten
§ 84
(1) ...
(2) Über Baufluchtlinien, in die Abstandsflächen und in die Vorgärten dürfen außerdem folgende Gebäudeteile vorragen:
a) auf eine Breite von höchstens einem Drittel der betreffenden Gebäudefront, Erker, Balkone und Stiegenhausvorbauten, sofern die Ausdehnung aller dieser Bauteile höchstens 1,50 m beträgt. ..."
Diese Bestimmung ermöglicht sohin ein Überschreiten der Baufluchtlinie für Balkone der hier zu beurteilenden Art in Bezug auf die betreffende Gebäudefront, d.h. auf diejenige Gebäudefront, aus der diese Balkone herauskragen. Im Beschwerdefall sind aber die zur Bewilligung eingereichten Balkone an der Front des zulässigerweise errichteten Gebäudeteiles, der sich nunmehr in der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche befindet, geplant, für welche keine Baufluchtlinie angeordnet ist.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am