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VwGH vom 19.12.2013, 2012/15/0039

VwGH vom 19.12.2013, 2012/15/0039

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr in 4320 Perg, Herrenstraße 20, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zlen. RV/0739-L/09, RV/0697-L/09, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens (Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für 2005) und Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Kalenderjahr 2005, (mitbeteiligte Parteien: BG und MG, beide in N), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid vom wurden die im Kalenderjahr 2005 erzielten Einkünfte der mitbeteiligten Miteigentümergemeinschaft gemäß § 188 BAO einheitlich und gesondert festgestellt.

Im Gefolge einer abgabenbehördlichen Prüfung nahm das Finanzamt das Verfahren betreffend die Feststellung der Einkünfte für 2005 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf. Mit dem Wiederaufnahmebescheid vom erging auf demselben automationsunterstützt erstellten Ausdruck auch ein geänderter Bescheid über die im Kalenderjahr 2005 erzielten Einkünfte gemäß § 188 BAO.

Die Mitbeteiligten erhoben Berufung sowohl gegen den Wiederaufnahmebescheid als auch gegen den neuen Feststellungsbescheid.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 273 Abs. 1 BAO als unzulässig zurück. Zugleich sprach die belangte Behörde aus, dass der Bescheid vom betreffend (die geänderte) Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Kalenderjahr 2005 aufgehoben werde.

Begründend verwies die belangte Behörde auf das Original des Finanzamtsbescheides, das wie folgt lautet:

"1. Das Verfahren hinsichtlich

der Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO

für 2005 wird gem. § 303 (4) BAO wiederaufgenommen.

Begründung

Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (4) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen Bescheid zu ersehen.

TABELLE NICHT DARSTELLBAR

Der verwiesene Punkt 2 der Erläuterungen lautet:

"HINWEIS FÜR EINEN FESTSTELLUNGSBESCHEID GEMÄSS § 188 BAO

Der Bescheid hat Wirkung gegenüber allen Beteiligten, denen gemeinschaftliche Einkünfte zufließen (§ 191 Abs. 3 lit. b BAO). Mit der Zustellung dieses Bescheides an eine nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person gilt die Zustellung an alle Beteiligten als vollzogen (§ 101 Abs. 3 BAO)."

Der automationsunterstützt ergangene Bescheid vom , mit dem das Verfahren hinsichtlich einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte wieder aufgenommen worden sei, enthalte lediglich den Hinweis auf die umseitig gegebene Rechtsmittelbelehrung, hingegen fehle ein Hinweis auf den auf der Rückseite des Ausdrucks abgedruckten Punkt 2, der die Zustellfiktion enthalte. Dies bedeute, dass die Zustellfiktion nicht Inhalt des Wiederaufnahmebescheides geworden sei. Auch der Umstand, dass der Punkt 2 der Rückseite des automationsunterstützt erstellten Bescheides mit "Hinweis für einen Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO" bezeichnet sei, spreche nicht dafür, dass der Verweis auf die Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 BAO nach den Willen der bescheiderlassenden Behörde auch für den Wiederaufnahmebescheid gelten solle. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass der Bescheid vom , mit dem das Verfahren hinsichtlich einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für 2005 wieder aufgenommen worden sei, keinen Hinweis auf die Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 BAO enthalte. Damit sei der Wiederaufnahmebescheid im Sinne der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht wirksam ergangen und die dagegen erhobene Berufung zurückzuweisen. Da der die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügende Bescheid vom nicht rechtswirksam geworden sei, sei es nicht zulässig, einen geänderten Feststellungsbescheid zu erlassen, dieser sei daher ersatzlos nach dem Grundsatz "ne bis in idem" aufzuheben.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 191 Abs. 1 lit. c BAO ergeht der Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 BAO an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.

Gemäß § 191 Abs. 3 BAO wirken Feststellungsbescheide im Sinne des § 188 BAO gegen alle, denen gemeinschaftliche Einkünfte zufließen. Damit ein Feststellungsbescheid diesen Gesellschaftern (Mitgliedern) gegenüber im Sinne des § 97 Abs. 1 BAO wirksam wird, muss er ihnen auch zugestellt sein oder als zugestellt gelten (vgl. den hg. Beschluss vom , 99/15/0051).

Gemäß § 101 Abs. 3 BAO sind schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit oder an eine Personengemeinschaft gerichtet sind (§ 191 Abs. 1 lit. a und c BAO), einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.

Im Beschwerdefall wurde mit dem erstinstanzlichen Sammelbescheid vom einerseits die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung von Einkünften für 2005 verfügt (Punkt 1) und andererseits die Einkünfte für dieses Jahr neu festgestellt (Punkt 2). Der kombinierte Bescheid besteht aus einem Blatt, auf dessen Rückseite sich Rechts(mittel)belehrungen und weitere Erläuterungen befinden. Unter Punkt 2 des Sammelbescheides wird auf Punkt 2 der umseitigen Erläuterungen verwiesen, diese enthalten unstrittig, den Hinweis:

"Mit der Zustellung dieses Bescheides an eine nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person gilt die Zustellung an alle Beteiligten als vollzogen (§ 101 Abs. 3 BAO)". Der Sammelbescheid wurde einem der beiden Miteigentümer - unstrittig der Vertreter nach § 81 BAO -

zugestellt.

Die formularmäßige Zusammenfassung mehrerer (isoliert rechtskraftfähiger) Bescheide ist zulässig. Doch sind die essentiellen Spruchbestandteile für sich gesondert anzuführen (vgl. Ritz , BAO4, § 198 Tz 8; sowie das hg. Erkenntnis vom , 2001/16/0243).

Der Hinweis gemäß § 101 Abs. 3 BAO gehört nicht zu den essentiellen Spruchbestandteilen, die zu jedem der isoliert rechtskraftfähigen Bescheide gesondert angeführt werden müssten. Insoweit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

Auch die Ausführungen der belangten Behörde, der Hinweis auf die Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 BAO sei so gefasst, dass er die Absicht des Finanzamtes erkennen lasse, nur hinsichtlich der Feststellung der Einkünfte von dieser Zustellfiktion Gebrauch machen zu wollen, überzeugen nicht.

Wohl trifft es zu, dass die Abgabenbehörde von der Zustellfiktion gemäß § 101 Abs. 3 BAO keinen Gebrauch machen muss. In diesem Fall ist der Bescheid jedem Gesellschafter zuzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/15/0029). Unter den gegebenen Umständen ist es nicht möglich, ein und denselben Sammelbescheid hinsichtlich eines Bescheidabspruchs gemäß § 101 Abs. 3 BAO an die nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person und hinsichtlich eines anderen Bescheidabspruchs jedem einzelnen Gesellschafter zuzustellen. Wird der Sammelbescheid sämtlichen Gesellschaftern (Miteigentümern) zugestellt, bedarf es einer Zustellfiktion nicht. Der "Hinweis für einen Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO" ist auch auf diesbezüglich abändernde oder aufhebende Bescheide, wie gegenständlich einen solchen gemäß § 303 BAO zu beziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 96/15/0161).

Nach dem Gesagten hätte die belangte Behörde nicht davon ausgehen dürfen, dass der kombinierte Bescheid vom nur hinsichtlich eines Spruchteiles wirksam ergangen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am