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VwGH vom 15.12.2009, 2008/05/0209

VwGH vom 15.12.2009, 2008/05/0209

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des B H in Maria Taferl, vertreten durch Dr. Josef Deimböck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wiesingerstraße 3/13, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1- BR-426/001-2005, betreffend Kanalanschlussverpflichtung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Maria Taferl in 3672 Maria Taferl), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Gemeinderat der mitbeteiligte Marktgemeinde fasste in seiner Sitzung vom einen Grundsatzbeschluss im Sinne des § 62 Abs. 3 Z. 2 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (BO), für das gesamte Gemeindegebiet eine Kanalisationsanlage zu errichten.

Innerhalb der Kundmachungsfrist dieses Grundsatzbeschlusses (die Kundmachung erfolgte im Zeitraum bis ) beantragte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom die Ausnahme von der Kanalanschlussverpflichtung für sein Grundstück Nr. 426/1, KG Oberla, Oberla 27. Ihm seien mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Melk vom die Errichtung und der Betrieb einer vollbiologischen Abwasserreinigungsanlage auf diesem Grundstück und die Ableitung der gereinigten Abwässer im Ausmaß von max. 8 EGW in einen unbenannten Zubringer zum Erlingbach bewilligt worden. Die Reinigungsleistung dieser Kläranlage entspreche nicht nur dem Stand der Technik, sondern übertreffe auch diejenige der öffentlichen Kanalanlage.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 17 NÖ Kanalgesetz in Verbindung mit § 62 Abs. 2 und 3 BO der Anschluss seines Grundstückes an den neu gelegten Schmutzwasserkanal aufgetragen, weil die Reinigungsleistung der Kläranlage des Beschwerdeführers nicht den im § 62 Abs. 3 Z. 2 BO genannten Kriterien entspreche.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Die Abwasserreinigungsanlage des Beschwerdeführers sei noch nicht errichtet. Bei Gegenüberstellung der in den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheiden vorgeschriebenen, die Reinigungsleistungen der Anlagen betreffenden Werte habe sich ergeben, dass keine Gleichwertigkeit im Sinne des § 62 Abs. 3 Z. 2 BO vorliege und bei Gewährung der Ausnahme von der Anschlussverpflichtung die Wirtschaftlichkeit der Gemeindekläranlage gefährdet wäre.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Begründend führt die belangte Behörde aus, dass nur solche Abwasserbeseitigungsanlagen zu einer Ausnahme von der Anschlussverpflichtung führen könnten, die dem Stand der Technik entsprächen und der kommunalen gleichwertig oder überlegen seien. Ein Vergleich der Reinigungsleistungen könne nur über die im Bewilligungsbescheid festgelegten Grenzwerte, nicht jedoch über die Ablaufwerte, die Schwankungen unterworfen seien, erfolgen. Ein Vergleich der Reinigungsleistung erfordere die Berücksichtigung sämtlicher Parameter. Der wasserbautechnische Amtssachverständige habe in seinem Gutachten vom nachvollziehbar ausgeführt, dass hinsichtlich der Kohlenstoffentfernung eine Gleichwertigkeit mit der Verbandskläranlage vorliege; hinsichtlich der Stickstoffentfernung sei zwar eine gewisse Denitrifikation zu erwarten, eine gesicherte Stickstoffentfernung könne jedoch auf Grund der fehlenden maschinellen Ausrüstung (Anpassung des Sauerstoffbedarfes an die jeweiligen Erfordernisse, Umwälzung des Belebtschlammes während der Denitrifikation) nicht durchgeführt werden. Diesbezüglich werde auch schon bei der Beschreibung des Projektes durch den Planer der Anlage angeführt, dass "eine

Ablaufqualität von ... bei weitgehender Nitrifikation und

teilweiser Denitrifikation eingehalten werden" könne, woraus ersichtlich sei, dass selbst der Projektant nur eine teilweise Denitrifikation garantieren könne. Es liege daher keine Gleichwertigkeit hinsichtlich der Stickstoffentfernung mit der Verbandskläranlage vor. Der Amtssachverständige habe auch nachvollziehbar dargelegt, dass nur ein geringer Teil des im Abwasser vorhandenen Phosphors im Belebtschlamm gebunden werden könne, sodass nur Ablaufwerte zu erwarten seien, die deutlich über dem Grenzwert der Verbandskläranlage liegen. Auch hinsichtlich der Phosphorentfernung sei somit keine Gleichwertigkeit mit der Verbandskläranlage gegeben. Ein Vergleich der Reinigungsleistung müsse immer anhand des bestehenden Konsenses erfolgen. Phosphor stelle einen wesentlichen Parameter für die Abwassserbelastung dar, zumal der Nährstoffeintrag in die Gewässer gering gehalten werden soll. In großen Anlagen werde dieser Anteil durch die Phosphatfällung reduziert; bei der gegenständlichen Kleinkläranlage sei dies auf Grund der fehlenden Phosphatfällungsanlage nicht möglich. Auch wenn diese Kleinkläranlagen trotz der größeren Phosphataustragung eine wasserrechtliche Genehmigung erhielten, müssten sie sich jedoch bei einem Vergleich mit kommunalen Kläranlagen im Sinne des § 62 Abs. 3 Z. 2 BO diese schlechteren Werte zurechnen lassen.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom , B 747/08-10, abgelehnt und die Beschwerde zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichthof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten. Der Verfassungsgerichtshof führte aus:

"Die Beschwerde bedenkt nicht ausreichend, dass der Verfassungsgerichtshof bereits in seiner Vorjudikatur (VfSlg. 16.534/2002) dargelegt hat, dass er grundsätzlich keine Bedenken gegen eine Anschlussverpflichtung im Sinne des § 62 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 hat, sofern die damit verbundene gesetzliche Regelung - wie dies § 62 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1996 nunmehr vorsieht - sachgerechte Ausnahmen ermöglicht."

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Gewährung einer Ausnahme von der Verpflichtung zum Anschluss an einen öffentlichen Kanal verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Marktgemeinde erstattete ebenfalls eine Gegenschrift.

Der Beschwerdeführer replizierte.

Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes teilten die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit, dass die Kläranlage des Beschwerdeführers noch nicht (vollständig) errichtet und nicht in Betrieb ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgebliche Bestimmung des § 62 der NÖ Bauordnung 1996 hat folgenden Wortlaut (auszugsweise):

"§ 62

Wasserver- und -entsorgung

(1) Für jedes Gebäude, das Aufenthaltsräume enthält, muss die Versorgung mit einwandfreiem Trinkwasser gesichert sein.

(2) Die auf einer Liegenschaft anfallenden Schmutzwässer sind, wenn eine Anschlussmöglichkeit besteht, grundsätzlich in den öffentlichen Kanal abzuleiten.

(3) Von dieser Anschlussverpflichtung sind Liegenschaften ausgenommen, wenn die anfallenden Schmutzwässer über eine Kläranlage abgeleitet werden, für die eine wasserrechtliche Bewilligung erteilt wurde oder erteilt gilt, und

1. die Bewilligung dieser Kläranlage vor der Kundmachung der Entscheidung der Gemeinde, die Schmutzwässer der Liegenschaften über eine öffentliche Kanalanlage zu entsorgen (Grundsatzbeschluss), erfolgte und noch nicht erloschen ist und

2. die Reinigungsleistung dieser Kläranlage


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dem Stand der Technik entspricht und
-
zumindest gleichwertig ist mit der Reinigungsleistung jener Kläranlage, in der die Schmutzwässer aus der öffentlichen Anlage gereinigt werden, und
3. die Ausnahme die Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Anlage nicht gefährdet.
...

(5) Ist der Anschluss an einen öffentlichen Kanal nicht möglich, sind die Schmutzwässer in eine Senkgrube zu leiten oder über eine Kläranlage, für ei eine wasserrechtliche Bewilligung erteilt wurde oder erteilt gilt, abzuleiten.

..."

Im Beschwerdefall hat die Berufungsbehörde im Berufungsbescheid vom unwidersprochen festgestellt, dass für eine auf dem Grundstück des Beschwerdeführers zu errichtende Kläranlage eine wasserrechtliche Bewilligung erteilt, diese Kläranlage jedoch noch nicht errichtet und in Betrieb genommen worden ist.

Die hier anzuwendende Regelung des § 62 BO über die Verpflichtung zum Anschluss eines Grundstückes an den öffentlichen Kanal und die Ausnahme von dieser Verpflichtung wurde mit der 5. Novelle zur Niederösterreichischen Bauordnung 1996, LGBl 8200- 11, neu gefasst, nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , VfSlg 16.534, die Vorgängerbestimmung als verfassungswidrig aufgehoben hatte. Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis festgehalten, dass grundsätzlich keine Bedenken bestehen, durch Gesetz einen Kanalanschlusszwang vorzuschreiben, er hielt jedoch den Ausschluss jedweder Ausnahme von der Anschlussverpflichtung als überschießend und unverhältnismäßig. Zu den Gründen für die Ausnahme von der Anschlussverpflichtung führte der Verfassungsgerichthof in diesem Erkenntnis aus:

"... Der Verfassungsgerichtshof kann der Landesregierung

daher nicht folgen, wenn sie meint, die Errichtung einer kommunalen Kanalisationsanlage im verbauten Gebiet würde durch die vom Verfassungsgerichtshof vermisste Ausnahmebestimmung "praktisch unmöglich". Eine solche Ausnahmebestimmung müsste nämlich nicht jede Kleinkläranlage - oder gar auch Senkgruben - erfassen, sondern nur solche Abwasserreinigungsanlagen, die dem Stand der Technik entsprechen und der kommunalen Anlage gleichwertig oder überlegen sind. Eine Ausnahme für solche Anlagen ist von Verfassungs wegen auch nur dann geboten, wenn sie bereits bestehen, bevor die kommunale Anlage gebaut wird, und wenn ihre Errichtung für die nunmehr Anschlusspflichtigen mit spürbaren Aufwendungen verbunden war, die nun frustriert erschienen. Diese Umstände wären, ebenso wie die Frage, ob eine konkrete Ausnahme die Wirtschaftlichkeit der kommunalen Anlage gefährden würde, im Einzelfall von der Behörde zu prüfen, welche die BauO zu vollziehen hat.

..."

Die mit der erwähnten 5. Novelle erfolgte Neuregelung des § 62 BO folgt den Intentionen dieses Verfassungsgerichtshofserkenntnisses (siehe die bei Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht,

7. Auflage, Seite 620, wiedergegebenen Erläuternden Bemerkungen (Motivenbericht) zu dieser Novelle).

Nach dem klaren Wortlaut des Einleitungssatzes des Abs. 3 des § 62 BO setzt die Erteilung einer Ausnahme von der Anschlussverpflichtung eines Grundstückes voraus, dass "die anfallenden Schmutzwässer über eine Kläranlage abgeleitet werden". Die wasserrechtlich bewilligte Kläranlage muss daher im Zeitpunkt der zulässigen Antragstellung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0124) bereits errichtet und in Betrieb sein (so auch die erwähnten EB, die vom "Bestand der bewilligten Kläranlage" ausgehen). Maßgeblicher Grund für die Gewährung der Ausnahme von der Anschlussverpflichtung gemäß § 62 Abs. 3 BO ist nämlich, dass die mit der Errichtung einer Kläranlage verbundenen Aufwendungen frustriert wären.

Im Beschwerdefall wurde die Kläranlage vom Beschwerdeführer noch nicht errichtet und in Betrieb genommen, weshalb eine beantragte Ausnahme von der Anschlussverpflichtung schon aus diesem Grunde nicht in Betracht kommt. Es erübrigt sich daher, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war jedoch aus folgenden Gründen nicht erforderlich:

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht. Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom , Zl. 7401/04 (Hofbauer Nr. 2/Österreich) und vom , Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlicher Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit den Verfahren betreffend "ziemlich technische" Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte. Im vorliegenden Fall handelt es sich um rein rechtliche Fragen (Auslegung des § 62 Abs. 3 Einleitungssatz BO). Art. 6 EMRK steht daher dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung

konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0270).

Wien, am