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VwGH 04.12.2019, Ra 2017/16/0124

VwGH 04.12.2019, Ra 2017/16/0124

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
FamLAG 1967 §6 Abs5
RS 1
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes scheidet ein Anspruch auf Familienbeihilfe aus, wenn der typische Lebensunterhalt (u.a. Unterkunft, Bekleidung, Verpflegung) durch die öffentliche Hand gedeckt wird (vgl. zum Ausschluss der Familienbeihilfe bei Ableistung des Präsenzdienstes ; bei Ableistung des Zivildienstes ; bei Strafgefangenen ; sowie bei subsidiär Schutzberechtigten, die Leistungen aus der Grundversorgung erhalten, ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Dr. Mairinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der I R in U, vertreten durch Dr. Aldo Frischenschlager und Mag. Maria Navarro-Frischenschlager, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Landstraße 15, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/6100204/2017, betreffend erhöhte Familienbeihilfe ab Juni 2016 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt St. Johann Tamsweg Zell am See), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der Revisionswerberin auf (erhöhte) Familienbeihilfe ab Juni 2016 ab. Der Revisionswerberin stehe ein Eigenanspruch nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 nicht zu, weil die Kosten für ihre Unterbringung in einer betreuten Wohnung in Z zur Gänze vom Land Salzburg getragen würden.

2 In der dagegen erhobenen Beschwerde vom sowie der Vorhaltsbeantwortung vom brachte die Revisionswerberin zusammengefasst vor, durch den Tagsatz "Teilbetreutes Wohnen" der Salzburger Behindertenhilfe würden nur die Mietkosten und die Verpflegung bezahlt. Alle weiteren und ebenfalls notwendigen Kosten für Waschmittel, Hygiene- /Kosmetikartikel, Bekleidung, Handykosten, Fahrten, persönliche Freizeitaktivitäten, Arztbedarf, Verhütungsmittel, Kontoführung etc. müsse die Revisionswerberin selbst tragen.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Bundesfinanzgericht - nach einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung des Finanzamts und der Stellung eines Vorlageantrags durch die Revisionswerberin - die Beschwerde ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht - soweit hier wesentlich - aus, die Revisionswerberin sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom (richtig: 2016) im Rahmen einer Hilfe gemäß § 10 des Salzburger Behindertengesetzes (SBG) in die Einrichtung "Teilbetreutes Wohnen 04" der A GmbH in Z aufgenommen worden. Sie bewohne eine eigene Kleinwohnung und erhalte eine Betreuung im Ausmaß von ca. 10 Stunden pro Woche. Zusätzlich werde die Revisionswerberin im Caritas Tageszentrum M tagesbetreut und beziehe dort ein leistungsabhängiges Motivationstaschengeld von 60 EUR pro Monat.

5 Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin trage die öffentliche Hand ihre Unterhaltskosten zur Gänze. Nach der Aktenlage umfasse der Tagsatz der Salzburger Behindertenhilfe die Mietkosten, die Betriebskosten, die Betreuungskosten sowie die Grundernährungskosten (hauptsächlich Frühstück und Abendessen, das Mittagessen werde in der Tagesbetreuungsstätte M eingenommen). Dass der Revisionswerberin behinderungsbedingte spezifische Aufwendungen erwachsen wären, die die öffentliche Hand nicht abgedeckt hätte, sei weder behauptet worden, noch gehe dies aus den im Finanzamtsakt einliegenden Unterlagen hervor. Die Revisionswerberin leiste keinen eigenen Beitrag zu ihrer Unterbringung, Verköstigung und Betreuung durch die A GmbH. Aufgrund der Höhe der Hilfe gemäß § 10 SBG (2.507,70 EUR/monatlich) sei evident, dass die Revisionswerberin die typischen Lebenshaltungskosten nicht tragen müsse. Das Taschengeld von 60 EUR stehe der Revisionswerberin ausschließlich für ihren persönlichen Bedarf (Kosmetik, Süßigkeiten, Kino, etc.) zur Verfügung. Im Übrigen habe die Revisionswerberin von der Möglichkeit, ein zusätzliches Taschengeld nach dem SBG zu beantragen, wenn dies zur Bestreitung ihres täglichen Bedarfs notwendig sei, keinen Gebrauch gemacht.

6 Da die öffentliche Hand für den Unterhalt der Revisionswerberin sorge und diese keine adäquaten Eigenleistungen erbringe, stehe der Revisionswerberin ein Eigenanspruch nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 nicht zu.

7 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch das Finanzamt - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes scheidet ein Anspruch auf Familienbeihilfe aus, wenn der typische Lebensunterhalt (u.a. Unterkunft, Bekleidung, Verpflegung) durch die öffentliche Hand gedeckt wird (vgl. zum Ausschluss der Familienbeihilfe bei Ableistung des Präsenzdienstes ; bei Ableistung des Zivildienstes ; bei Strafgefangenen ; sowie bei subsidiär Schutzberechtigten, die Leistungen aus der Grundversorgung erhalten, ).

9 Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis die Feststellung getroffen, dass die der Revisionswerberin gewährte Behindertenhilfe des Landes Salzburg die Mietkosten, die Betriebskosten, die Betreuungskosten sowie die Grundernährungskosten umfasse. Daraus hat das Bundesfinanzgericht gefolgert, dass die Kosten für den Unterhalt der Revisionswerberin in ihrer Gesamtheit von der öffentlichen Hand getragen würden. Auf das Vorbringen der Revisionswerberin, wonach sie die übrigen Kosten, u.a. auch jene für Bekleidung, Waschmittel und Hygieneartikel, selbst tragen müsse, ist das Bundesfinanzgericht nicht näher eingegangen. Allein die Höhe der gemäß § 10 SBG gewährten Hilfe (2.507,70 EUR/monatlich) für die von der A GmbH an die Revisionswerberin erbrachten Leistungen lässt den Schluss des Bundesfinanzgerichts, wonach die typischen Unterhaltskosten der Revisionswerberin von der öffentlichen Hand getragen worden seien, aber nicht zu. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Revisionswerberin keine behinderungsbedingten spezifischen Aufwendungen entstanden seien und sie von der Möglichkeit, ein zusätzliches Taschengeld nach dem SBG zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht habe.

10 Das angefochtene Erkenntnis war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

11 Im fortgesetzten Verfahren wird zu berücksichtigen sein, dass § 6 Abs. 5 FLAG 1967 durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 77/2018 rückwirkend zum geändert wurde. 12 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
FamLAG 1967 §6 Abs5
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017160124.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAE-74408