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VwGH 27.04.2011, 2010/08/0004

VwGH 27.04.2011, 2010/08/0004

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2010/08/0006

2010/08/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerden des Landes Niederösterreich, vertreten durch die Niederösterreichische Landesregierung in 3109 St. Pölten, Landhausplatz 1, gegen die auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zlen. (jeweils) LGS NÖ/RAG/05661/2009, betreffend Widerruf und Rückforderung von Altersteilzeitgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem beschwerdeführenden Land Aufwendungen in der Höhe von EUR 3.319,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden (welche alle dieselbe Geschäftszahl tragen) wurde - in Bestätigung der erstinstanzlichen Bescheide - der Bezug von Altersteilzeitgeld (für einen jeweils näher angegebenen Zeitraum) "widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und das beschwerdeführende Land zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Altersteilzeitgeldes verpflichtet.

Begründend führte die belangte Behörde im erstangefochtenen (den Dienstnehmer L betreffenden) Bescheid aus, das beschwerdeführende Land habe am für den Dienstnehmer L Altersteilzeitgeld für den Zeitraum vom bis beantragt. Die Arbeitszeit solle um 50 % verringert werden (Reduktion der wöchentlichen Normalarbeitszeit von bisher 40 Wochenstunden auf 20 Wochenstunden). Im Sinne des § 27 Abs. 5 AlVG sei vereinbart worden, dass L vom bis seine bisherige Normalarbeitszeit zur Gänze erbringe (Vollzeitphase) und er vom bis keine Arbeitsleistung zu erbringen habe ("Blockarbeitszeitmodell"). Im Punkt 8 der Vereinbarung sei festgehalten, dass das Dienstverhältnis mit dem Ende der Altersteilzeitbeschäftigung am , jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Erreichens der Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, einverständlich aufgelöst werde, sofern es nicht vorher aus anderen Gründen beendet werde. Gemäß Punkt 10 der Vereinbarung sei der Dienstnehmer verpflichtet, alle für diese Vereinbarung bedeutsamen Änderungen (z.B. vorzeitiger Pensionsanspruch) unverzüglich zu melden.

Im Formular des Antrags auf Zuerkennung des Altersteilzeitgeldes sei der Hinweis angebracht, dass bei einer vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses der Person, die sich in Altersteilzeit befinde, das Altersteilzeitgeld nur in jenen Fällen nicht rückgefordert werde, in denen die Auflösung ohne Verschulden des Dienstgebers, z.B. durch Kündigung durch den Dienstnehmer, bei Anspruch auf eine Berufsunfähigkeits- /Invaliditätspension, erfolge. Werde das Beschäftigungsverhältnis vor Ablauf der vereinbarten Dauer durch den Dienstgeber gekündigt oder im beiderseitigen Einvernehmen gelöst, sei von einer Rückforderung nur dann abzusehen, wenn die tatsächlich geleistete Arbeitszeit immer noch der vereinbarten Reduktion der Arbeitszeit entspreche, wenn also eine rechtzeitige Anpassung von Arbeits- und Freizeitphase erfolge.

Dem Antrag auf Gewährung von Altersteilzeitgeld sei die Bestätigung des Pensionsversicherungsträgers über die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer zum Stichtag beigelegen.

In der Folge sei Altersteilzeitgeld in Höhe von insgesamt EUR 25.263,09 für den Zeitraum vom bis zuerkannt und angewiesen worden.

Mit einer Änderungsmeldung (eingelangt bei der regionalen Geschäftsstelle am ) habe das beschwerdeführende Land eine Änderung der Entgelthöhe bekannt gegeben. Das Formular für diese Änderungsmeldung beinhalte den Hinweis: "Wird das Beschäftigungsverhältnis der Person, die sich in Altersteilzeit befindet, vor Ablauf der vereinbarten Dauer vom Dienstgeber gekündigt oder im beiderseitigen Einvernehmen gelöst und entspricht dadurch die tatsächlich geleistete Arbeitszeit nicht mehr der im Rahmen der Altersteilzeitvereinbarung festgelegten Arbeitszeit, ist das gesamte bisher ausbezahlte Altersteilzeitgeld zurück zu zahlen. Von einer Rückforderung ist nur dann abzusehen, wenn die Beendigung ohne Verschulden des Dienstgebers - z.B. durch Kündigung durch den/die DienstnehmerIn, Anspruch auf eine Berufsunfähigkeits-/Invaliditätspension - erfolgte."

Mit einer weiteren Änderungsmeldung habe das beschwerdeführende Land mitgeteilt, dass L mit ausgeschieden sei; als Begründung sei angegeben worden:

"Vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses wegen langer Versicherungsdauer". Seit beziehe L eine Alterspension.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, es liege ein "Blockarbeitszeitmodell" im Sinne des § 27 Abs. 5 AlVG vor. Bei diesem Arbeitszeitmodell könne das Vorliegen der vereinbarten Verringerung der Arbeitszeit erst nach einem Durchschnittszeitraum, hier erst nach Ende des Dienstverhältnisses festgestellt und abschließend beurteilt werden. Das Dienstverhältnis von L habe vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit geendet. Dadurch habe sich die "Freizeitphase" von 13,5 Monaten auf 10,5 Monate reduziert, die "Vollzeitphase" habe 13,5 Monate betragen. Die Arbeitszeit sei somit entgegen der Vereinbarung lediglich auf 56,25 % reduziert worden. Die vereinbarte Verringerung der Arbeitszeit sei daher nicht eingehalten worden. Damit habe sich nachträglich herausgestellt, dass die ursprünglich vereinbarte Arbeitszeitreduktion nicht erfolgt sei, weshalb die Zuerkennung des Altersteilzeitgeldes für die Zeit vom bis zu widerrufen gewesen sei. Durch diesen Widerruf der Leistung sei ein Übergenuss an unberechtigt empfangenem Altersteilzeitgeld in der Höhe von EUR 25.263,09 entstanden. Eine Rückersatzpflicht bestehe hier in jedem Fall einer rechtsgrundlosen Bereicherung. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass das Dienstverhältnis von L aufgrund seines Antrages gemäß § 60 Abs. 3 LVBG und Punkt 8 der Altersteilzeitvereinbarung einverständlich gelöst worden sei. Entgegen dem Berufungsvorbringen, wonach die Lösung des Dienstverhältnisses als Dienstnehmerkündigung zu werten sei, sei dies nach § 60 Abs. 3 LVBG als einverständliche Lösung zu beurteilen. Der Hinweis des beschwerdeführenden Landes auf die Erläuterungen des Arbeitsmarktservice Niederösterreich gehe ins Leere, weil diese Erläuterungen Fälle erfassten, bei denen wegen besonderer Schutzwürdigkeit des Arbeitgebers aus Billigkeitsgründen von der Rückersatzpflicht abgesehen werde. Eine solche Schutzwürdigkeit des Dienstgebers liege hier nicht vor. Vom Dienstgeber sei in der Altersteilzeitvereinbarung die Bestimmung aufgenommen worden, wonach das Dienstverhältnis jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Erreichens der Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung aus der gesetzlichen Pensionsversicherung einverständlich aufgelöst werde. Damit sei vom Dienstgeber bewusst das Risiko in Kauf genommen worden, dass die vereinbarte Reduktion der Arbeitszeit in eventu nicht eingehalten werden könne und er auch keinen Ermessensspielraum im Hinblick auf die Art der Beendigung des Dienstverhältnisses habe. Aufgrund des verschuldensunabhängigen Rückforderungstatbestandes nach § 27 Abs. 8 AlVG bestehe die Verpflichtung, das unberechtigt empfangene Altersteilzeitgeld in der Höhe von EUR 25.263,09 rückzuerstatten.

Der zweitangefochtene Bescheid betrifft den Dienstnehmer B des beschwerdeführenden Landes. Die Begründung dieses Bescheides entspricht - abgesehen von den konkreten Einzelheiten des Falles - jenem des erstangefochtenen Bescheides. Zu den konkreten Einzelheiten dieses Falles führte die belangte Behörde aus, das beschwerdeführende Land habe am für den Dienstnehmer B Altersteilzeitgeld für den Zeitraum vom bis beantragt. Die Arbeitszeit solle - im Sinne eines "Blockarbeitszeitmodells" - um 50 % verringert werden (Vollzeitphase vom bis , Freizeitphase vom bis ). Es sei Altersteilzeitgeld in Höhe von insgesamt EUR 25.250,23 für den Zeitraum vom bis zuerkannt und angewiesen worden. Der Dienstnehmer sei mit ausgeschieden. Seit beziehe B eine Alterspension. Entgegen der vereinbarten Reduktion der Arbeitszeit um 50 % sei die Arbeitszeit auf 54,55 % reduziert worden. Es habe sich somit nachträglich herausgestellt, dass die ursprünglich vereinbarte Arbeitszeitreduktion nicht erfolgt sei, sodass die Zuerkennung des Altersteilzeitgeldes für die Zeit vom bis zu widerrufen gewesen sei. Aufgrund des verschuldensunabhängigen Rückforderungstatbestandes bestehe die Verpflichtung, das unberechtigt empfangene Altersteilzeitgeld in Höhe von EUR 25.250,23 rückzuerstatten.

Der drittangefochtene Bescheid betrifft den Dienstnehmer St. Zu den konkreten Einzelheiten dieses Falles führte die belangte Behörde aus, das beschwerdeführende Land habe am für diesen Dienstnehmer Altersteilzeitgeld für den Zeitraum vom bis beantragt. Die Arbeitszeit solle - im Sinne eines "Blockarbeitszeitmodells" - um 50 % verringert werden (Vollzeitphase vom bis , Freizeitphase vom bis ). Es sei Altersteilzeitgeld in Höhe von insgesamt EUR 12.889,61 für den Zeitraum vom bis zuerkannt und angewiesen worden. Der Dienstnehmer sei mit ausgeschieden; seit beziehe St eine Alterspension. Entgegen der vereinbarten Reduktion der Arbeitszeit auf 50 % sei die Arbeitszeit auf 92,31 % reduziert worden. Es habe sich somit nachträglich herausgestellt, dass die ursprünglich vereinbarte und gesetzlich erforderliche Arbeitszeitreduktion nicht erfolgt sei, sodass die Zuerkennung des Altersteilzeitgeldes für die Zeit vom bis zu widerrufen gewesen sei. Aufgrund des verschuldensunabhängigen Rückforderungstatbestandes bestehe die Verpflichtung, das unberechtigt empfangene Altersteilzeitgeld in Höhe von EUR 12.889,61 rückzuerstatten.

Gegen diese Bescheide erhob das beschwerdeführende Land zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschlüssen vom , Zlen. B 912/09-7, B 913/09-7 und B 914/09-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerden ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Ergänzung der Beschwerden, Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und nach Verbindung der Verfahren zu gemeinsamer Beratung und Entscheidung erwogen:

Die hier zu beurteilenden Fälle gleichen in Sachverhalt und Rechtsfrage jenem, der mit Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0003, entschieden wurde (dieser betrifft Altersteilzeitgeld für einen weiteren Dienstnehmer des auch hier beschwerdeführenden Landes). Aus den in jenem Erkenntnis angeführten Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, war das Altersteilzeitgeld nicht zu widerrufen, sondern - mit dem Tag der Wirksamkeit der Auflösung des Dienstverhältnisses - einzustellen. Eine Rückersatzpflicht besteht nur für Altersteilzeitgeld, welches entgegen der mit dem Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses zu verfügenden Einstellung ausbezahlt wurde. Ein derartiger Fall liegt hier nur hinsichtlich des zweitangefochtenen Bescheides (für den Zeitraum bis ) vor; die Rückersatzpflicht für diesen Zeitraum wurde vom beschwerdeführenden Land bereits in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid nicht bekämpft.

Im erstangefochtenen Bescheid verweist die belangte Behörde auch auf ein Schreiben des beschwerdeführenden Landes an den Dienstnehmer L vom . Darin habe dieses ihrem Dienstnehmer - unter Verweis auf Punkt 8 der Altersteilzeitvereinbarung - mitgeteilt, dass das Dienstverhältnis mit aufgrund der Anerkennung des Anspruches auf Pension ab ende und ihm die Lohndifferenz für die Zeit vom bis nachgezahlt werde. Wenn die belangte Behörde dazu darauf verweist, aus diesem Schreiben gehe hervor, dass die Beendigung auch vom Dienstgeber angestrebt worden sei, so wurde mit diesem Schreiben aber lediglich - im Sinne einer Wissenserklärung - darauf verwiesen, dass das Dienstverhältnis entsprechend der Altersteilzeitvereinbarung mit geendet habe; eine (rechtsgestaltende) Willenserklärung (Auflösungserklärung) kann diesem Schreiben nicht entnommen werden. Ob die Beendigung des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber - subjektiv - angestrebt worden sei, ist nicht entscheidend, da das Dienstverhältnis - unabhängig von einem Willen des Dienstgebers in diesem Zeitpunkt -

entsprechend der bereits zuvor getroffenen Vereinbarung, welche auch Grundlage der Bewilligung des Altersteilzeitgeldes war, endete. Es liegt hier kein Umstand vor, welcher dem Arbeitsmarktservice erst nach Zuerkennung des Altersteilzeitgeldes bekannt geworden ist.

Die angefochtenen Bescheide waren sohin wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AlVG 1977 §27 Abs5;
AlVG 1977 §27 Abs8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2011:2010080004.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
AAAAE-74354