VwGH vom 12.09.2017, Ra 2017/16/0087
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann über die Revision der U GmbH in W, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in 1013 Wien, Rudolfsplatz 12/12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W108 2104294- 1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren an Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
1 In ihrer Mietzins- und Räumungsklage vom hatte die Revisionswerberin die Zahlung von EUR 3.224,80 samt Zinsen sowie die Räumung eines näher bezeichneten Bestandobjektes begehrt, wofür sie - ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 3.224,80 für das Zahlungsbegehren sowie von EUR 750,-- für das Räumungsbegehren (sohin insgesamt EUR 3.975,--) - Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 GGG entrichtete. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom schränkte die Revisionswerberin das Klagebegehren um das Räumungsbegehren ein und dehnte das Zahlungsbegehren um den Betrag vom EUR 3.393,60 auf insgesamt EUR 6.618,40 samt Zinsen aus.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Vorschreibung von restlicher Pauschalgebühr nach TP 1 GGG (zuzüglich eines Streitgenossenzuschlages und einer Einhebungsgebühr) auf der Grundlage eines Streitwertes von insgesamt rund 7.369,00 EUR. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens erwog das Verwaltungsgericht im Kern:
"Die Beschwerdeführerin vertritt zusammengefasst die Ansicht, dass trotz Klagsausdehnung von einem um die Klagseinschränkung verminderten Streitwert auszugeben sei, sodass die Ausdehnung des Klagebegehrens innerhalb der Grenzen des Streitwertes geblieben und keine weitere Gerichtsgebührenschuld entstanden wäre.
Damit ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht. Die Überlegungen der Beschwerdeführerin mögen - im Ergebnis - für den Fall der Erweiterung bei gleichzeitiger Einschränkung des Klagebegehrens in Bezug auf denselben Klagsanspruch gelten. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die vorliegende Fallkonstellation ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass in der eingebrachten Klage zwei Ansprüche (neben dem Zahlungsanspruch auch ein Räumungsanspruch) geltend gemacht wurden, die für die Berechnung der einheitlichen - gemäß § 18 Abs. 1 GGG für das ganze Verfahren gleichbleibenden - Bemessungsgrundlage zusammenzurechnen waren (s. § 15 Abs. 2 GGG), sodass die Bemessungsgrundlage zusammengerechnet EUR 3.975,00 betrug. Sohin trat gemäß § 18 Abs. 3 GGG dadurch, dass in der Verhandlung am ein Anspruch (das Räumungsbegehren) zurückgenommen wurde bzw. dass das zwei Ansprüche umfassende Klagebegehren um das Räumungsbegehren eingeschränkt wurde, keine Änderung des Streitwertes (der angeführten Bemessungsgrundlage) für die Pauschalgebühr ein. Mit der Überreichung der Klage, in der beide Ansprüche geltend gemacht wurden, entstand bereits damit nach § 2 Z l lit. a GGG der Gebührenanspruch des Bundes in vollem Umfang (für beide Ansprüche).
Der Wert des Streitgegenstandes (und damit die Bemessungsgrundlage von EUR 3. 975, 00) wurde vielmehr dadurch gemäß § 18 Abs. 2 Z 2 GGG gerichtsgebührenrelevant geändert, dass in der genannten Verhandlung das Zahlungsbegehren erweitert wurde, nämlich um den Betrag von EUR 3.393,60 auf den Betrag von EUR 6.618,40, sodass sich ein geänderter Streitwert (eine geänderte Bemessungsgrundlage) von gerundet EUR 7.369,00 ergibt und die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung dieses höheren Streitwertes zu berechnen und die bereits entrichtete Pauschalgebühr einzurechnen ist. Dass ausgehend von der geänderten höheren Bemessungsgrundlage im angefochtenen Bescheid die Pauschalgebühr gemäß TP l GGG samt Streitgenossenzuschlag nicht in korrekter Höhe bestimmt und die bereits entrichtete Pauschalgebühr nicht richtig einberechnet worden wäre und dass der sich daraus ergebende Betrag in der Höhe von EUR 446,20 nicht mehr offen wäre, wurde von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht und ist auch sonst nicht ersichtlich geworden. Die belangte Behörde war daher gemäß § l iVm § 6a Abs. 1 GEG verpflichtet, der zahlungspflichtigen Beschwerdeführerin die ausstehende Gerichtsgebühr gleichzeitig mit der Einhebungsgebühr in Höhe von EUR 8,00 zur Zahlung vorzuschreiben.
Andere von der Beschwerdeführerin nicht vorgebrachte, gegen die Richtigkeit des angefochtenen Bescheides sprechende Umstände sind nicht zu erkennen. Da dem angefochtenen Bescheid eine Rechtswidrigkeit iSd. Art. 130 Abs. l Z l B-VG somit nicht anhaftet, war die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.
3. 1.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen. ..."
3 Abschließend begründete das Verwaltungsgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision damit, es könne sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass im konkreten Fall eine Rechtsfrage stelle, die über den (hier vorliegenden konkreten) Einzelfall hinaus Bedeutung entfalte. Ausgehend davon könne eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG von grundsätzlicher Bedeutung auch insofern nicht bejaht werden.
4 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision erachtet sich die Revisionswerberin in ihrem Recht verletzt, keine weitere Pauschalgebühr zu entrichten. Die Zulässigkeit ihrer Revision begründet sie damit, das Verwaltungsgericht zitiere im angefochtenen Erkenntnis keine einzige einschlägige Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, womit für die Revisionswerberin nicht ersichtlich sei, mit welcher Rechtsprechung im Einklang stehen solle. Soweit ersichtlich gebe es zur vorliegenden Frage keine abschließende Beurteilung des Verwaltungsgerichtshofes. Auch weise der Revisionsfall über den Einzelfall hinaus Relevanz auf: es handle sich um einen "klassischen Fall", da in Österreich täglich zahlreiche Mietzins- und Räumungsklagen eingebracht würden und nach Übergabe des Objektes um das Räumungsbegehren eingeschränkt werde, die aushaftenden Mieten jedoch weiter geltend gemacht würden. In der Sache vertritt die Revisionswerberin die Ansicht, führe eine in einem Schriftsatz vorgenommene Einschränkung und gleichzeitige Ausdehnung des Klagebegehrens dazu, dass insgesamt ein geringerer Betrag begehrt werde, entstehe keine (weitere) Gebührenschuld. Auch eine Aufspaltung in eine Klagsausdehnung hinsichtlich jener Titel, bei denen sich die Beträge vergrößerten und einer Klagseinschränkung hinsichtlich der Titel, bei welchen sich die Beträge verringerten, änderten den Streitwert nur auf den durch den begehrten Urteilsspruch angeführten - sich nach Saldierung der einzelnen Änderungen ergebenden - Betrag "()". Die Revisionswerberin habe im Grundverfahren nie Ansprüche erhoben, die einen Streitwert von EUR 7.000,-- überschritten hätten. Laut Protokoll sei eindeutig zuerst um das Räumungsbegehren eingeschränkt und dann um das Zahlungsbegehren ausgedehnt worden.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren eingeleitet.
6 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde hat eine als Gegenschrift bezeichnete Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Abweisung der Revision als unbegründet beantragt. Das von der Revisionswerberin zitierte Erkenntnis vom , 2012/16/0130, beziehe sich auf eine andere Fallkonstellation als jene im Revisionsfall, nämlich auf eine Saldierung bei gleichzeitiger Klagseinschränkung und Ausdehnung in Ansehung desselben Klagsanspruchs in Geld. Im Revisionsfall sei neben dem Zahlungsanspruch auch ein vom Gesetzgeber nach § 16 GGG mit EUR 750,-- bewerteter Räumungsanspruch geltend gemacht worden. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , 97/16/0151, ausgesprochen habe, stelle eine Verpflichtung zur Bezahlung eines bestimmten Mietzinses gegenüber einem Unterlassungsbegehren - und damit wohl auch gegenüber einem Räumungsbegehren - ein Aliud dar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Revision erweist sich in Ansehung der Zulässigkeitsbegründung der Revision als zulässig, in der Sache jedoch als nicht berechtigt.
8 Gemäß § 15 Abs. 2 GGG sind mehrere in einem zivilgerichtlichen Verfahren von einer einzelnen Partei oder von Streitgenossen geltend gemachte Ansprüche zusammen zu rechnen; die Summe der geltend gemachten Ansprüche bildet, soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt wird, eine einheitliche Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren.
9 § 18 GGG lautet, soweit im Revisionsfall von Relevanz:
"Wertänderungen
§ 18. (1) Die Bemessungsgrundlage bleibt für das ganze Verfahren gleich.
(2) Hievon treten folgende Ausnahmen ein:
1. Wird der Streitwert gemäß § 7 RATG geändert ...
2. Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer
Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen.
...
(3) Eine Änderung des Streitwertes für die Pauschalgebühren
tritt nicht ein, wenn das Klagebegehren zurückgezogen oder eingeschränkt wird oder wenn ein Teil- oder Zwischenurteil gefällt wird."
10 Das Gerichtsgebührengesetz knüpft bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes durch die Vorschreibungsbehörde zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestandes, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme geknüpft ist, hinwegsieht, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden (vgl. etwa die in Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren12, unter E 12 und 13 zu § 1 GGG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
11 Im Revisionsfall ist unbestritten, dass die Revisionswerberin in ihrer Mietzins- und Räumungsklage vom im Rahmen einer zulässigen Klagshäufung nach § 227 Abs. 1 ZPO ein Zahlungsbegehren über EUR 3.224,80 s.A. sowie ein Räumungsbegehren erhoben hatte. Sie zieht nicht in Zweifel, dass sich die Bemessungsgrundlage für diese Ansprüche nach § 15 Abs. 2 GGG mit insgesamt EUR 3.975,-- errechnete.
12 Die Revisionswerberin zieht auch nicht in Zweifel, dass die Einschränkung des Räumungsbegehrens in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom zufolge des § 18 Abs. 3 GGG keine Änderung des Streitwertes für die Pauschalgebühren nach sich zog.
13 Das von der Revisionswerberin für ihren Standpunkt ins Treffen geführte Erkenntnis vom , 2012/16/0130, hatte den Fall zum Gegenstand, dass die Klägerin in einem vorbereitenden Schriftsatz ihr Klagebegehren auf Zahlung, gegründet auf einen Anspruch auf Ersatz verschiedener Aufwendungen zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes, in einzelnen Positionen einschränkte und in anderen wiederum ausdehnte, sodass das ausschließlich als Bemessungsgrundlage in Betracht kommende Zahlungsbegehren insgesamt auf einen niedrigeren Betrag lautete. Auch eine Aufspaltung in eine Klagsausdehnung hinsichtlich der Titel, in denen sich die Beträge vergrößerten, und einer Klagseinschränkung hinsichtlich der Titel, hinsichtlich welcher sich die Beträge verringerten, wie sie im vorbereitenden Schriftsatz bezeichnet wurden, änderten - so der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom -
bei einer derartigen Konstellation den Streitwert nur auf den durch den begehrten Urteilsspruch angeführten, sich nach Saldierung der einzelnen Änderungen ergebenden Betrag (vgl. auch Wais/Dokalik, aaO, E 17c sowie E 147 zu § 18 GGG).
14 § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG setzt für eine Berechnung der Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes voraus, dass der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert wird (oder dass Gegenstand des Vergleiches eine Leistung ist, deren Wert das Klagebegehren übersteigt). § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG stellt nach seinem klaren Wortlaut auf das "Klagebegehren", sohin auf den Inhalt des Urteilsbegehrens ab. War in dem von der Revisionswerberin zitierten Erkenntnis vom das Klagebegehren ausschließlich auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtet, der nach teilweiser Einschränkung und teilweiser Ausdehnung hinsichtlich einzelner Teilansprüche insgesamt keine Erweiterung erfuhr, so umfasste der Streitgegenstand im Revisionsfall ein Zahlungs- sowie ein Räumungsbegehren, deren Ansprüche - wie bereits ausgeführt wurde - nach § 15 Abs. 2 GGG zusammenzurechnen sind. Eine Einschränkung des Räumungsbegehrens zog keine Änderung des Streitwertes für die Pauschalgebühren nach sich, sehr wohl bewirkte die Ausdehnung des Zahlungsbegehrens eine Erweiterung des Klagebegehrens nach § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG, sodass unter Zusammenrechnung des zur Folge des § 18 Abs. 3 GGG nach wie vor maßgeblichen Räumungsbegehrens sowie des Zahlungsbegehrens von insgesamt EUR 6.618,40 der Wert des Streitgegenstandes den Schwellenwert von EUR 7.000,-- nach TP 1 GGG überschritt.
15 Damit legte das Verwaltungsgericht zu Recht einen Wert des Streitgegenstandes von über EUR 7.000,-- nach TP 1 GGG zugrunde.
16 Die Revision ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
17 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
18 Die Abweisung des Mehrbegehrens gründet sich darauf, dass § 48 Abs. 2 VwGG und die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 den Ersatz eines Vorlageaufwandes der belangten Behörde im Sinn des § 21 Abs. 1 Z. 2 VwGG nicht vorsehen (vgl. etwa den Beschluss vom , Ra 2014/02/0049).
Wien, am