VwGH vom 06.09.2011, 2008/05/0172

VwGH vom 06.09.2011, 2008/05/0172

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der B Privatstiftung (vormals: des Mag. J S in Wien), vertreten durch Mag. Michael Luszczak, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Grazer Straße 77/2, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-159/08, betreffend eine Versagung einer Baubewilligung (weitere Partei: Wiener Landesregierung), nach Durchführung einer Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 2.709,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

A. Mit Ansuchen vom wurde vom Beschwerdeführer beim Magistrat der Stadt Wien die Baubewilligung für bauliche Änderungen sowie für die Errichtung von Zubauten im Dachgeschoss des Hoftraktes auf der Liegenschaft in Wien, Qstraße 35, beantragt.

Angeschlossen war diesem Ansuchen (u.a.) die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen, die mit Bescheid des Magistrats vom erfolgte. In diesem Bescheid wurde nach § 9 der Bauordnung für Wien (BO) nach Maßgabe des in einem Bestandteil dieses Bescheides bildenden Planes unter anderem folgendes bekanntgegeben: Aus dem Bebauungsplan ergibt sich für die Liegenschaft an der Qstraße: Wohngebiet, Geschäftsviertel, Bauklasse IV (vier) und die geschlossene Bauweise. Es besteht u. a. folgende Bebauungsbeschränkung: Die im Plan mit "G" bezeichneten Flächen sind gärtnerisch zu gestalten und dann in diesem Zustand zu erhalten.

Nach Einholung von Stellungnahmen einiger Magistratsabteilungen fand am eine Bauverhandlung an Ort und Stelle statt, bei der amtssachverständig festgehalten wurde, dass das Projekt nicht den Vorschriften des Schall-, Wärme und Brandschutzes entspreche. Bei der Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer die Pläne zur Ergänzung und Richtigstellung hinsichtlich der Stellungnahmen der Sachverständigen und der Bauphysik im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG rückgemittelt und dieser beauftragt, die ergänzten bzw. richtiggestellten Pläne neuerlich vorzulegen; diese Vorlage erfolgte am .

Laut Aktenvermerk vom wurde dem Planverfasser (offenbar mit Blick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Zl. 2005/05/0088) telefonisch zur Kenntnis gebracht, dass Zubauten im Bereich "G" nicht bewilligungsfähig seien. Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer (wiederum) gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert, die rückübermittelten Baupläne hinsichtlich der Schaffung eines zweiten Rettungsweges (im Lichte einer beigeschlossenen Stellungnahme der Magistratsabteilung 68) zu ergänzen; in diesem Schreiben wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass das Bauvorhaben nicht bewilligungsfähig sei, weil in der gärtnerisch auszugestaltenden Grünfläche ("G") keine Zubauten zulässig seien. Am übermittelte der Beschwerdeführer die ergänzten Pläne betreffend die Schaffung eines zweiten Rettungsweges.

Mit Bescheid vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 70 und 71 BO die beantragte baubehördliche Bewilligung versagt. Begründend wurde darauf hingewiesen, dass das Schreiben vom zum Teil unbeachtet geblieben sei. In dem auf der gärtnerisch auszugestaltenden Fläche stehenden Hoftrakt sollten nach dem Ansuchen Zubauten im Dachgeschoss errichtet werden. Auf gärtnerisch auszugestaltenden Flächen sei die Errichtung von Neu-, Zu- und Umbauten (unter Hinweis auf das genannte Erkenntnis) nicht zulässig. Die Bewilligung sei daher gemäß § 70 BO zu versagen. Aus den hervorgekommenen Tatsachen hätten Gründe für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht erkannt werden können, weshalb auch eine Bewilligung gemäß § 71 BO nicht in Erwägung zu ziehen gewesen sei.

B. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurden die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und der Erstbescheid bestätigt.

Begründend wurde Folgendes ausgeführt: Gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO sei für Neu-, Zu- und Umbauten grundsätzlich die Bewilligung der Behörde zu erwirken. Nach den für die in Rede stehende Liegenschaft geltenden Bebauungsbestimmungen (Plandokument Nr. 7177) seien für diese Liegenschaft von der Baulinie, die durch die Qstraße gegeben sei, bis zur parallel verlaufenden Baufluchtlinie die Widmung Wohngebiet, Geschäftsviertel, Bauklasse IV (vier) sowie die geschlossene Bauweise festgesetzt. Die Fläche ab der Baufluchtlinie sei gärtnerisch zu gestalten und dann in diesem Zustand zu erhalten. Das vorliegende Projekt umfasse bauliche Änderungen und einen Dachgeschossausbau des Hoftraktes, der sich zur Gänze auf der Grundfläche befinde, für welche die gärtnerische Ausgestaltung vorgeschrieben sei. Wie dem Einreichplan zu entnehmen sei, solle auf dem bestehenden Hoftrakt ein neues Dachgeschoss für Wohnzwecke errichtet und dabei der oberste Abschluss des Daches um mehr als 1,50 m erhöht werden.

In dem die Frage der Zulässigkeit von Bauführungen an einem Altbestand auf derartigen Grundflächen betreffenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom sei ausgesprochen worden, dass es sich bei der Anordnung der gärtnerischen Ausgestaltung um eine Vorschreibung des Bebauungsplanes handle. So müsse der vorhandene konsentierte Altbestand auf Grund seiner Situierung auch im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben nicht abgebrochen werden, damit den Bestimmungen des Bebauungsplanes Genüge getan werde. Gemäß § 60 Abs. 3 BO sei dort, wo eine gärtnerisch auszugestaltende Fläche festgesetzt worden sei, zwar eine bauliche Änderung gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO, nicht aber ein Neu-, Zu- oder Umbau gemäß § 60 Abs. 1 lit. a leg. cit. zulässig. Es solle damit keine Bauführung erfolgen, die der Realisierung des Bebauungsplanes auf weitere lange Zeit entgegenstehe.

Durch das vorliegende Bauvorhaben solle durch die Errichtung eines neuen Dachgeschosses für Wohnzwecke der oberste Abschluss des Daches um mehr als 1,5 m erhöht und somit die Kubatur des bestehenden Hoftraktes vergrößert werden. Die gegenständliche Bauführung stelle daher unzweifelhaft einen Zubau nach § 60 Abs. 1 lit. a BO dar, der - wie erwähnt - auf Flächen, für die die gärtnerische Ausgestaltung vorgeschrieben sei, nicht zulässig sei. Dem Hinweis des Beschwerdeführers, dass es sich im Wesentlichen um einen Dachgeschosszubau handle, der in dem Umriss liege, wie er sich bei einer normalen geringfügigen Dachansteilung ergebe, und dass es sich hiebei nicht unbedingt um einen Zubau der BO handeln müsse, sei zu entgegnen, dass Zubauten iSd § 60 Abs. 1 lit. a BO alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter und lotrechter Richtung seien, ausgenommen die Errichtung von Dachgauben. Ein Raum liege vor, wenn eine Fläche zumindest zur Hälfte eines Umfangs von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen werde.

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers lägen die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung gemäß § 69 BO nicht vor. Wie dargelegt, weiche das vorliegende Bauvorhaben von den Bebauungsvorschriften insofern ab, als der Zubau auf einem Liegenschaftsteil errichtet werde, der gärtnerisch auszugestalten sei, wobei die festgesetzte, den bebaubaren Bereich abgrenzende Baufluchtlinie um mehr als 12 m überschritten werde. Diese Überschreitung sei jedenfalls als wesentliche Abweichung zu qualifizieren, da der Abstand von der Baulinie bis zu der festgesetzten parallellaufenden Baufluchtlinie insgesamt ca. 15 m betrage und die Baufluchtlinie somit um ca. 80 % überschritten werde. In Anbetracht dieser enormen Ausweitung des bebaubaren Bereiches verbunden mit der entsprechenden massiven Verringerung der im Bebauungsplan festgesetzten gärtnerisch auszugestaltenden Grundfläche würde dieser Abweichung jedenfalls eine den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan unterlaufende Tendenz zugrunde liegen. Dies sei dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom zur Kenntnis gebracht worden, eine Stellungnahme sei nicht erfolgt.

Das vorliegende Ansuchen um Baubewilligung widerspreche den Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes derart, dass allein schon auf Grund des Ausmaßes der dargestellten Überschreitung der Umfang einer unwesentlichen Abänderung iSd § 69 Abs. 2 BO überschritten werde und somit die Anwendbarkeit des § 69 BO schon aus diesem Grund (ohne weitere Prüfung der Voraussetzungen iSd § 69 Abs. 2 leg. cit.) ausgeschlossen sei. Widerspreche ein Ansuchen auf Bewilligung den Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes derart, dass der Umfang einer unwesentlichen Abänderung oder Ergänzung dieses Planes überschritten werde, sei es nach § 69 Abs. 6 BO abzuweisen. Die beantragte Baubewilligung habe daher gemäß § 70 BO versagt werden müssen.

Das Vorhaben könne auch nicht gemäß § 71 BO genehmigt werden. Für die Anwendung des § 71 BO müssten besondere sachliche Gründe, somit ein begründeter Ausnahmefall gegeben sein. Vom Beschwerdeführer sei kein Grund angeführt worden, der eine Bewilligung der Überschreitung der festgesetzten Baufluchtlinie einschließlich der flächenmäßigen Ausnützbarkeit sachlich rechtfertigen würde, ein solcher Grund sei auch nicht erkennbar. Da die Voraussetzungen im Beschwerdefall somit nicht gegeben seien, würde die Erteilung einer Baubewilligung nach § 71 BO eine Bevorzugung des Beschwerdeführers darstellen, die im Hinblick auf die Präzedenzfolgen und der damit einhergehenden Aushöhlung der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen nicht gerechtfertigt werden könne. Im Übrigen sei das eingereichte Projekt auf Dauer angelegt, ferner sei kein sachlicher Widerrufsgrund einer Bewilligung denkbar.

C. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und/oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

D. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO sind Zubauten alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung, ausgenommen die Errichtung von Dachgauben. Nach der hg. Rechtsprechung ist ein Zubau gegeben, wenn die Kubatur des Gebäudes vergrößert wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0095, mwH).

Auf dem Boden der insoweit unstrittigen Feststellungen betreffen die baulichen Änderungen sowie der Dachgeschossausbau den Hoftrakt, der sich zur Gänze auf einer Grundfläche befindet, für welche nach dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan die gärtnerische Ausgestaltung vorgeschrieben ist. Der Zubau soll auf einem Liegenschaftsteil errichtet werden, der gärtnerisch auszugestalten ist und die festgesetzte, den bebaubaren Bereich abgrenzende Baufluchtlinie um mehr als 12 m überschreitet. Nicht in Abrede gestellt wird ferner, dass der Abstand von der Baulinie bis zur parallel laufenden Baufluchtlinie 15 m beträgt und der bestehende Altbestand, auf den sich das Bauprojekt bezieht, die Baufluchtlinie um mehr als 12 m - somit um ca. 80 % - überschreitet.

Gegen die Beurteilung des vorliegenden Bauvorhabens als Zubau wendet die Beschwerde ein, dass der oberste Abschluss des Daches ab der obersten Geschossdecke (derzeit) eine Höhe von 3,05 m aufweise, durch die Änderung des Baues gemäß dem "Einreichplan Nr. 6 Dach" das Gebäude ab der obersten Geschossdecke (lediglich) um 2,90 m erhöht werde und das Gebäude damit um 15 cm unter der bisherigen obersten Dachkante liege. Zudem übersehe die Behörde, dass ohne eine wesentliche (Projekt-)Änderung die Errichtung des bisher vorhandenen Steildaches jederzeit möglich wäre, dies würde aber um 50 % mehr Dachfläche beanspruchen.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Die belangte Behörde hat in Übereinstimmung mit dem vorgelegten Einreichplan festgestellt, dass durch die Errichtung eines neuen Dachgeschosses für Wohnzwecke der oberste Abschluss des Daches gegenüber dem gegebenen "Altbestand" erhöht und damit die Kubatur des bestehenden Hoftraktes vergrößert wird (vgl. die "Westansicht" bzw. "Ostansicht" sowie den Schnitt A-A im Plan) und somit ein Zubau vorliegt. Auf die Lage (bloß) der obersten ehemaligen Dachkante kommt es dabei entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht an. Am Ergebnis der belangten Behörde vermag auch der Hinweis auf eine mögliche Planänderung im Zusammenhang mit der Errichtung eines Steildaches nichts zu ändern.

2. Entgegen der Beschwerde ist die belangte Behörde auf die (auf § 9 Abs. 4 BO gestützten) Argumente des Beschwerdeführers in der Berufung betreffend die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen eingegangen. Da diese Bekanntgabe (unstrittig) den einschlägigen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan - eine Rechtsverordnung - wiedergibt, konnte mit dem Berufungsvorbringen weder eine Verordnungs- noch eine Gesetzwidrigkeit des Erstbescheides aufgezeigt werden, die die belangte Behörde aufzugreifen gehabt hätte. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist insofern nicht ersichtlich. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan werden in der Beschwerde nicht mehr geltend gemacht. Solche Bedenken sind auch nicht erkennbar; insbesondere kann in Anbetracht der auch in einem Fall wie dem vorliegenden zulässigen Bauvorhaben nach § 60 Abs. 1 lit. c BO nicht gesagt werden, dass (wie in der Berufung vorgebracht) "faktisch eine kalte Enteignung" gegeben sei.

Weiters versagt der Einwand, die belangte Behörde sei in keiner Weise auf "die zu lange Aktenbearbeitungszeit" des Magistrats der Stadt Wien eingegangen, und bei rascher und richtiger Aktenbearbeitung wäre die Behörde zumindest dem schon angesprochenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Zl. 2005/05/0088, zuvorgekommen und es wäre eine Baubewilligung erteilt worden. Es kann nämlich nicht gesagt werden, dass dieses Erkenntnis die gegebene Gesetzeslage zu ändern vermocht hätte.

3.1. Nach Auffassung der belangten Behörde kommt vorliegend eine Ausnahme iSd § 69 BO bezüglich der im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan getroffenen Festlegung "G" schon deshalb nicht in Betracht, weil - wie erwähnt - die Baufluchtlinie vom Baubestand, auf den sich das in Aussicht genommene Projekt bezieht, in einem solchen Ausmaß (nämlich um ca. 80 %) überschritten werde, sodass zweifellos nicht mehr von einer bloß unwesentlichen Abweichung von den Bebauungsvorschriften gesprochen werden könne (vgl. § 69 Abs. 2 BO). Da nach § 69 Abs. 6 BO im Fall des Überschreitens des Umfanges einer unwesentlichen Abänderung des Flächenwidmungsplanes bzw. des Bebauungsplanes ein Ansuchen um Baubewilligung abzuweisen ist, erachtete es die Behörde auch nicht für erforderlich, den lediglich für die Entscheidung über Bewilligungen von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften gemäß § 69 BO zuständigen Bauausschuss der Bezirksvertretung zu befassen.

3.2. § 69 BO in der hier maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 41/2005 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Unwesentliche Abweichungen von Bebauungsvorschriften

§ 69.

(1) Für einzelne Bauvorhaben hat die Behörde nach Maßgabe des Abs. 2 über die Zulässigkeit folgender Abweichungen von den Bebauungsvorschriften zu entscheiden:

f) Abweichungen von den Bestimmungen des Bebauungsplanes nach § 5 Abs. 4 lit. d, e, i, k, m, n, o, p, q, r, s, u und y für jede Art von Baulichkeiten, …

(2) Durch Abweichungen nach Abs. 1 darf die Baubehörde der Nachbargrundflächen ohne nachgewiesene Zustimmung des betroffenen Nachbarn nicht vermindert werden; an Emissionen darf nicht mehr zu erwarten sein, als bei einer der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entsteht. Im übrigen darf, abgesehen von der unter Abs. 1 näher genannten Voraussetzungen, von den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes nur unwesentlich abgewichen werden; es dürfen das vom Flächenwidmungsplan und Bebauungsplanbeabsichtigte örtliche Stadtbild nicht störend beeinflußt und die beabsichtigte Flächennutzung sowie Aufschließung nicht grundlegend anders werden. Die Gründe, die für die Abweichung sprechen, sind mit den Gründen, die dagegen sprechen, abzuwägen. Insbesondere ist auf den konsensgemäßen Baubestand der betroffenen Liegenschaft und der Nachbarliegenschaften sowie auf den Umstand, daß die Ausnahmebewilligung nur für die Bestanddauer des Baues gilt, Bedacht zu nehmen. Vom Bauwerber geltend gemachte Verpflichtungen aus Bundes- oder anderen Landesgesetzen sind zu berücksichtigen, desgleichen, ob die Abweichung einer zeitgemäßen Ausstattung oder der besseren barrierefreien Benützbarkeit des konsensgemäßen Baubestandes oder des geplanten Baues dienlich ist.

(3) Die Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften ist nur auf Antrag zulässig; das Ansuchen um Baubewilligung gilt zugleich als Antrag auf Bewilligung der für das Bauvorhaben erforderlichen unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften.

(4) Über den Antrag auf Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften hat die Behörde schriftlich durch Bescheid unter Bezugnahme auf ein bestimmtes Bauvorhaben nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens über das Ansuchen um Baubewilligung unbeschadet des Abs. 8 zu erkennen; die Behörde darf nur Anträge, die sich auf ein bestimmtes Bauansuchen beziehen und mit Bauplänen gemäß § 63 Abs. 1 lit. a belegt sind, nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens über das Ansuchen um Baubewilligung in Behandlung nehmen. Durch den Bescheid werden der Flächenwidmungsplan und der Bebauungsplan weder abgeändert noch ergänzt. Wird die Bewilligung erteilt, ist damit über Einwendungen abgesprochen.

(5) Der Antrag auf Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften ist nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens über das Ansuchen um Baubewilligung unbeschadet des Abs. 8 an die örtlich zuständige Behörde (§ 133) weiterzuleiten.

(6) Widerspricht ein Ansuchen um Baubewilligung den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes derart, daß der Umfang einer unwesentlichen Abänderung oder Ergänzung des Flächenwidmungsplanes beziehungsweise des Bebauungsplanes überschritten wird, ist es abzuweisen; ein mit dem Ansuchen um Baubewilligung verbundener ausdrücklicher Antrag auf Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften gilt in diesem Falle als dem Ansuchen um Baubewilligung nicht beigesetzt. Dies gilt auch, wenn der Bauwerber mit dem Ansuchen um Baubewilligung ausdrücklich einen Antrag auf Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften stellt, ohne daß sein Bauvorhaben einer solchen Bewilligung bedarf, beziehungsweise wenn das Ermittlungsverfahren über das Ansuchen um Baubewilligung ergibt, daß die Baubewilligung ohne Änderung des Bauvorhabens oder der Baupläne versagt werden muß.

…"

3.3. Nach der hg. Rechtsprechung ist eine wesentliche Abweichung dann gegeben, wenn der Abweichung eine den Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan unterlaufende Tendenz innewohnt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0052, mwH). Entscheidend dabei ist, ob und in welchem Umfang durch das zu bewilligende Bauvorhaben Abweichungen von den Bebauungsvorschriften erfolgen. Maßgebend für die Beurteilung ist jener Flächenwidmungs- und Bebauungsplan, der Grundlage der für das gegenständliche Baubewilligungsverfahren relevanten Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen war.

In § 69 Abs. 2 BO findet sich (seit der Novelle LGBl. Nr. 48/1992) die Anordnung, dass auf den konsensgemäßen Baubestand der betroffenen Liegenschaft und der Nachbarliegenschaften Bedacht zu nehmen ist. Diese Anordnung bewirkt (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2005/05/0052, mwH), dass selbst dann, wenn der konsensgemäß vorhandene Baubestand bereits wesentlich von den nunmehr maßgebenden Bebauungsvorschriften abweicht, nicht ohne weiteres davon gesprochen werden kann, dass das geplante Bauvorhaben, wenn es für sich betrachtet nur eine unwesentliche Abweichung darstellt, die Tendenz des Flächenwidmungsplanes und Bebauungsplanes unterläuft.

Für sich betrachtet führt das vorliegende Bauprojekt nicht dazu, dass es angesichts der bereits vom konsensgemäßen vorhandenen Baubestand verwirklichten Abweichung vom vorliegenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan eine wesentliche Abweichung von den Bebauungsvorschriften iS des § 69 BO bewirken würde. Dies hat die belangte Behörde verkannt, wenn sie auf Grund der gegenteiligen Ansicht zum Ergebnis kam, dass gemäß § 69 BO der zuständige Bauausschuss der Bezirksvertretung nicht zu befassen wäre, und den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Vielmehr wird die Frage der Zulässigkeit der Abweichung anhand der Kriterien des § 69 Abs. 2 BO von diesem Bauausschuss zu beurteilen sein.

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das auf Ersatz des Kilometergeldes für die Strecke Wiener Neustadt - Wien gerichtete Begehren des Beschwerdeführervertreters betreffend den Ersatz der Fahrtkosten (2 x 62 km a EUR 0,42) war insoweit als Mehrbegehren abzuweisen, als es dem nach § 49 Abs. 3 VwGG zustehenden Fahrtkostenersatz im Ausmaß der Höhe des Fahrpreises für die 1. Tarifklasse der Eisenbahn (das sind 2 x EUR 16,10) überschreitet.

Wien, am