zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 15.03.2011, 2008/05/0163

VwGH vom 15.03.2011, 2008/05/0163

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail sowie die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. des K G und 2. der E G, beide in O, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-549/001-2006, betreffend Ausnahme von der Kanalanschlusspflicht (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Die beschwerdeführenden Parteien sind Eigentümer der Liegenschaft Agasse 23 in O. Im Jahr 1997 wurde ihnen eine - rechtskräftige - wasserrechtliche Bewilligung mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft G vom für die Errichtung einer Pflanzenkläranlage zum Zwecke der Reinigung der Abwässer aus Bad, Küche und Waschmaschine auf ihrem Anwesen erteilt. Diese Bewilligung war an Bedingungen und Auflagen geknüpft; das Wasserbenutzungsrecht wurde "befristet bis zur Anschlussmöglichkeit an einen öffentlichen Schmutz- oder Mischwasserkanal, längstens jedoch bis , erteilt".

Zuvor war den Beschwerdeführern mit Bescheid der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf der oben genannten Liegenschaft erteilt worden, und zwar nach Maßgabe der Sachverhaltsdarstellung, der Baubeschreibung und der mit einer Bezugsklausel versehenen Planunterlagen. In der Baubeschreibung wurde unter anderem dargelegt, dass in dem Haus für die Fäkalien eine "Komposttoilette mit aerober Verrottung" besteht. In der Baubewilligung wurden hinsichtlich dieser Komposttoilette Auflagen zum Betrieb vorgesehen.

2. Mit Antrag vom suchten die beschwerdeführenden Parteien bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde um Ausnahme von der Kanalanschlusspflicht gemäß § 62 der NÖ Bauordnung 1996 (BO) an. Mit Schreiben vom wurden sie von der mitbeteiligten Stadtgemeinde aufgefordert, die wasserrechtliche Bewilligung für die Entsorgung der auf der in Rede stehenden Liegenschaft anfallenden Fäkalien sowie einen Nachweis über die Reinigungsleistung der Kläranlage auf der Liegenschaft vorzulegen. Mit Schreiben vom verwiesen die beschwerdeführenden Parteien diesbezüglich auf die Baubewilligung vom ; die erteilten Auflagen (vgl. Punkt 10: Es darf keine Geruchsbelästigung auftreten, über die Entsorgung des Kompostes sind Nachweise zu führen) seien eingehalten worden. Verwiesen wurde ferner auf den wasserrechtlichen Bescheid vom und darauf, dass der Wasserrechtsbehörde die jährlichen Analysen des Ablaufs der Kläranlage ordnungsgemäß vorgelegt und die Analysenwerte immer ohne Beanstandung akzeptiert worden seien.

Mit Bescheid vom wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde den Antrag auf Ausnahmegenehmigung von der Kanalanschlusspflicht für die in Rede stehende Liegenschaft gemäß § 62 BO ab. In der Begründung wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass die wasserrechtliche Bewilligung vom lediglich die Bewilligung für die Reinigung der Abwässer aus Bad, Küche und Waschmaschine, nicht jedoch die Entsorgung der Toilette umfasse, und hierfür somit keine wasserrechtliche Bewilligung vorliege.

3. Die dagegen eingebrachte Berufung der beschwerdeführenden Parteien wurde vom Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde - über den Erstbescheid hinausgehend -

noch festgehalten, dass die BO offensichtlich nicht zwischen "Schmutzwässern" im herkömmlichen Sinn aus Bad, Küche, WC und "Feststoffen" aus diesen Anlagen unterscheide, sodass davon ausgegangen werden könne, dass alles, was über Bad, Küche und WC entsorgt werde, als "Schmutzwasser" gelte, für welches eine wasserrechtliche Bewilligung notwendig sei.

4. Die dagegen von den beschwerdeführenden Parteien erhobene Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass gemäß § 62 Abs. 2 BO die auf einer Liegenschaft anfallenden Schmutzwässer, wenn eine Anschlussmöglichkeit bestehe, grundsätzlich in den öffentlichen Kanal abzuleiten seien. Voraussetzung für die Anschlusspflicht einer Liegenschaft sei der zu erwartende Anfall von Abwässern unabhängig davon, ob das auf der Liegenschaft befindliche Objekt bewohnt sei oder nicht. Befinde sich auf der Liegenschaft ein Brunnen, ein Anschluss an die Wasserleitung oder sogar nur ein Plumpsklo, sei mit dem Anfall von Abwässern zu rechnen und trete somit die Anschlussverpflichtung ein.

Der Abwasseranfall auf dem gegenständlichen Grundstück sei daher (was von den beschwerdeführenden Parteien nicht bestritten werde) als erwiesen anzunehmen, für dieses Grundstück sei daher die besagte Anschlussverpflichtung gegeben.

Die in Rede stehende wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung Pflanzenkläranlage zum Zweck der Reinigung der Abwässer aus Bad, Küche und Waschmaschine vom sei befristet bis zur Anschlussmöglichkeit an einen öffentlichen Schmutz- oder Mischwasserkanal, längstens jedoch bis , erteilt worden. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen.

Aus den Aktenunterlagen ergebe sich, dass ein öffentlicher Abwasserkanal in der Agasse verlegt worden sei, in den ab Abwässer eingeleitet werden könnten.

Daraus ergebe sich, dass das mit Bescheid vom erteilte Wasserbenutzungsrecht mit Ablauf dieses Datums erloschen sei, weshalb sich der vorliegende Antrag als unbegründet erweise. Es erübrige sich damit, die anderen gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Anschlussverpflichtung zu prüfen. Ziel der Bestimmung des § 62 BO sei grundsätzlich die Anschlussverpflichtung für sämtliche Gebäude mit Abwasseranfall auszusprechen. Es seien somit weder verfahrensrechtliche noch materielle Rechte der beschwerdeführenden Parteien durch den in Vorstellung gezogenen Bescheid verletzt worden.

5. Gegen diesen Bescheid richteten die Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung (Beschluss vom , B 2378/07-3) dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom , B 2378/07-5).

Vor dem Verwaltungsgerichtshof machten die beschwerdeführenden Parteien Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragten die Aufhebung des bekämpften Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

6. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6.1. Die Wasserver- und -entsorgung für Gebäude wird in § 62 BO (vorliegend maßgeblich idF LGBl Nr. 8200-12) geregelt, dessen Abs. 2 hinsichtlich der auf einer Liegenschaft anfallenden Schmutzwässer eine grundsätzliche Kanalanschlusspflicht wie folgt festlegt:

"(2) Die auf einer Liegenschaft anfallenden Schmutzwässer sind, wenn eine Anschlußmöglichkeit besteht, grundsätzlich in den öffentlichen Kanal abzuleiten."

Diese grundsätzliche Anschlussverpflichtung ist nur bei dem Bestehen einer Anschlussmöglichkeit anzunehmen (hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0221, mwH). Eine Ausnahme von der Kanalanschlussverpflichtung sieht der im Beschwerdefall maßgebliche Abs. 3 dieser Bestimmung vor, der wie folgt lautet (vgl. wiederum das Erkenntnis Zl. 2007/05/0221):

"(3) Von dieser Anschlußverpflichtung sind Liegenschaften ausgenommen, wenn die anfallenden Schmutzwässer über eine Kläranlage abgeleitet werden, für die eine wasserrechtliche Bewilligung erteilt wurde oder erteilt gilt, und

1. die Bewilligung dieser Kläranlage vor der Kundmachung der Entscheidung der Gemeinde, die Schmutzwässer der Liegenschaften über eine öffentliche Kanalanlage zu entsorgen (Grundsatzbeschluß), erfolgte und noch nicht erloschen ist und

2. die Reinigungsleistung dieser Kläranlage

o dem Stand der Technik entspricht und

o zumindest gleichwertig ist mit der Reinigungsleistung jener Kläranlage, in der die Schmutzwässer aus der öffentlichen Anlage gereinigt werden,

und

3. die Ausnahme die Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Anlage nicht gefährdet.

Die Entscheidung der Gemeinde nach Z. 1 ist nach Beschlußfassung durch den Gemeinderat durch mindestens sechs Wochen an der Amtstafel der Gemeinde kundzumachen und den Haushalten, die sich im Anschlußbereich der geplanten Kanalisationsanlage befinden, durch eine ortsübliche Aussendung bekanntzugeben.

Innerhalb von vier Wochen nach Ablauf der Kundmachungsfrist hat der Liegenschaftseigentümer einen Antrag um Ausnahme von der Anschlußverpflichtung bei der Baubehörde einzubringen. Diesem Antrag sind der Nachweis der wasserrechtlichen Bewilligung der Kläranlage und wenn diese schon betrieben wird, ein Befund über deren Reinigungsleistung, erstellt von einer hiezu befugten Stelle (staatlich autorisierte Anstalt, in einem EU-Mitgliedsstaat oder EWR-Staat akkreditierte Stelle, Sachverständiger), anzuschließen.

Wird die Ausnahme genehmigt, hat der Liegenschaftseigentümer, beginnend mit der Inbetriebnahme seiner Kläranlage bzw. der Rechtskraft des Ausnahmebescheides, in Zeitabständen von jeweils fünf Jahren unaufgefordert einen Befund über die aktuelle Reinigungsleistung der Baubehörde vorzulegen. Ist die Reinigungsleistung nicht mehr jener der Kläranlage der öffentlichen Kanalisation gleichwertig, ist der Ausnahmebescheid aufzuheben."

6.2. Unstrittig ist im Beschwerdefall, dass die von den beschwerdeführenden Parteien vorgelegte wasserrechtliche Bewilligung aus dem Jahr 1997 für die Errichtung einer Pflanzenkläranlage bis zur Anschlussmöglichkeit an einen öffentlichen Schmutz- oder Mischwasserkanal (längstens jedoch bis ) rechtskräftig befristet erteilt wurde. Die beschwerdeführenden Parteien haben sich ferner nicht gegen die maßgebliche Feststellung gewendet, dass ein solcher öffentlicher Abwasserkanal für die in Rede stehende Liegenschaft in der Agasse bereits verlegt wurde, in den ab Abwässer eingeleitet werden können.

Damit ist aber der Umstand eingetreten, an den die besagte Befristung anknüpft und die wasserrechtliche Bewilligung zum Erlöschen bringt. Ob diese Befristung seinerzeit (was die beschwerdeführenden Parteien in Abrede stellen) dem Wasserrechtsgesetz 1959 entsprach, kann angesichts der unstrittigen Rechtskraft dieser wasserrechtlichen Bewilligung vorliegend dahinstehen. Dass für die beschwerdeführenden Parteien in der Vergangenheit eine wasserrechtliche Bewilligung bestand, vermag nichts daran zu ändern, dass seit dem Außerkrafttreten des wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides die früher bewilligte Kläranlage konsenslos (geworden) ist und damit eine Ableitung von Schmutzwässern über diese Kläranlage nicht dem Gesetz entspricht.

Mit dem Vorbringen, dass mit Abwässern von der Toilettenanlage der Beschwerdeführer nicht einmal theoretisch gerechnet werden dürfe, da sie eine baubehördlich bewilligte abwasserfreie Toilettenanlage betrieben, sind sie auf den klaren Wortlaut des § 62 Abs. 3 BO zu verweisen, wonach eine Ausnahme von der Anschlussverpflichtung die Ableitung von Schmutzwässern über eine Kläranlage unter den dort näher genannten Voraussetzungen verlangt, was aber bezüglich der in der Baulichkeit der Beschwerdeführer unstrittig gegebenen Komposttoilette nicht gegeben ist. Schon deshalb ist für die beschwerdeführenden Parteien mit dem unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , VfSlg 16.534, erstatten Vorbringen, von anfallenden Schmutzwässern iSd § 62 BO könne nur dann gesprochen werden, wenn solche Schmutzwässer überhaupt anfielen, nichts zu gewinnen.

Da das Parteiengehör nur zu Tatsachen (Sachverhaltsfragen, vgl. § 45 Abs. 3 AVG), nicht aber auch zu Rechtsfragen zu gewähren ist, versagt schließlich das Vorbringen, dass die belangte Behörde die beschwerdeführenden Parteien mit dem Hinweis auf das besagte Außerkrafttreten der wasserrechtlichen Bewilligung überrascht hätte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/07/0079).

6.3. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

6.4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am