VwGH vom 28.06.2006, 2005/08/0029

VwGH vom 28.06.2006, 2005/08/0029

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt.3-AlV/1218/56/2004-6004, betreffend Nichtzuerkennung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Folge gegeben und in der Begründung wörtlich wie folgt ausgeführt:

"Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Schönbrunner Straße vom wurde Ihr Antrag auf Notstandshilfe vom mit der Begründung, dass die Frist zur Beantragung der Notstandshilfe am endete, wegen Verstreichens der Drei-Jahres-Frist abgewiesen.

In Ihrer gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung gaben Sie an, dass sich Ihrer Meinung nach die Frist zur Beantragung der Notstandshilfe verlängert, da von Ihnen kein Krankengeld bezogen wurde und Sie vom bis eine Chemotherapie erhalten haben. Ihrer Berufung legten Sie eine Bestätigung des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien über ihren regelmäßigen stationären Aufenthalt in dieser Zeit bei.

Gemäß § 33 Abs. 4 AlVG kann Notstandshilfe nur gewährt werden, wenn sich der Arbeitslose innerhalb dreier Jahre nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld um die Notstandshilfe bewirbt. Die vorstehende Frist verlängere sich um Zeiträume gemäß § 15 Abs. 3 bis 5 AlVG.

Zu Ihren Einwendungen in der Berufung ist festzuhalten, dass im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 3 Z 2 AlVG mangels Erschöpfung eines Krankengeldanspruches die im vorliegenden Fall nachgewiesenen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nicht als Rahmenfristerstreckungsgrund anerkannt werden können.

In Ihrem Fall kann die Rahmenfrist um 33 Tage Ihres Spitalsaufenthaltes gemäß § 15 Abs. 3 Z 1 AlVG und um den Bezug Ihrer Berufsunfähigkeitspension vom bis und somit um 1065 Tage gemäß § 15 Abs. 3 Z 3 AlVG erstreckt werden.

Da Ihr letzter Bezugstag der Leistung aus der Arbeitslosenversicherung der war und sich die vorstehende Frist aufgrund der vorliegenden Aktenlage nicht um mehr als 1098 Tage gemäß § 15 Abs. 3 bis 5 AlVG verlängern lässt, hätten Sie Ihren Anspruch auf Notstandshilfe spätestens am geltend machen müssen.

Sie haben Ihren Anspruch auf Notstandshilfe jedoch erst am geltend gemacht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

In der Folge gab die belangte Behörde die Bestimmung des § 37 AlVG sowie die Absätze 3 bis 5 des § 15 AlVG wieder.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 4 AlVG kann Notstandshilfe nur gewährt werden, wenn sich der Arbeitslose innerhalb dreier Jahre nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld um die Notstandshilfe bewirbt. Die vorstehende Frist verlängert sich darüber hinaus um Zeiträume gemäß § 15 Abs. 3 bis 5 AlVG.

Im Verfahren ist strittig, ob der Beschwerdeführerin die Zeit ihrer erwiesenen Arbeitsunfähigkeit vor dem als rahmenfristerstreckend angerechnet werden kann, während derer sie nach der Aktenlage mangels einer eigenen Krankenversicherung keinen Anspruch auf Krankengeld hatte.

§ 15 Abs. 3 bis 5 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lauten:

"(3) Die Rahmenfrist verlängert sich weiters um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland

1. Krankengeld bzw. Wochengeld bezogen hat oder in einer Heil- oder Pflegeanstalt untergebracht gewesen ist;

2. nach Erschöpfung des Anspruches auf Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung nachweislich arbeitsunfähig gewesen ist;

3. wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, die nach ihrem Ausmaß der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 8 gleichkommt, eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung bezogen hat;

4. einen nahen Angehörigen (eine nahe Angehörige) mit Anspruch auf

Pflegegeld mindestens in Höhe der Stufe 3 gemäß § 5 des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze in häuslicher Umgebung gepflegt hat und gemäß § 77 Abs. 6 ASVG oder § 28 Abs. 6 BSVG oder § 33 Abs. 9 GSVG in der Pensionsversicherung weiterversichert war;

5. Kinderbetreuungsgeld bezogen hat.

..."

Der Anspruch der Beschwerdeführerin auf den Bezug von Arbeitslosengeld war am erschöpft. Ein - daran anschließender - Anspruch auf Notstandshilfe stand ihr wegen der Höhe des anrechenbaren Einkommens ihres Ehemannes nicht zu. Nach mehreren in der Zwischenzeit gestellten, rechtskräftig abgewiesenen, Anträgen stellte die Beschwerdeführerin am den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Notstandshilfe. Die belangte Behörde kam zu einer Verlängerung der Rahmenfrist um 33 Tage eines Spitalsaufenthaltes (§ 15 Abs. 3 Z. 1 AlVG) und um 1065 Tage des Bezuges einer Berufsunfähigkeitspension (§ 15 Abs. 3 Z. 3 AlVG) und so zu dem Ergebnis, dass die dreijährige Frist zur Geltendmachung des Anspruches am geendet hat.

Die Beschwerdeführerin macht in der Beschwerde geltend, die belangte Behörde hätte die Rahmenfrist noch um den Zeitraum vom bis zum verlängern müssen, während dessen sie im AKH Wien eine Chemotherapie erhalten habe und somit nachweislich arbeitsunfähig gewesen sei.

Die Beschwerdeführerin hat unstrittig vor Eintritt der behaupteten Arbeitsunfähigkeit kein Krankengeld bezogen, weshalb auch keine Erschöpfung des Anspruches darauf eingetreten sein konnte. Der Tatbestand des § 15 Abs. 3 Z. 2 AlVG sieht diese Voraussetzung jedoch ausdrücklich vor. Der von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde vorgenommenen Auslegung dieser Bestimmung dahin, dass es lediglich auf die Arbeitsunfähigkeit ankäme, steht schon der klare Wortlaut entgegen. Auch der systematische Zusammenhang mit § 15 Abs. 3 Z. 1 AlVG zeigt, dass es beim Tatbestand der Z. 2 darauf ankommt, ob die Arbeitsunfähigkeit nach Erschöpfung des Krankengeldbezuges (Z. 1) fortdauert.

Zum Argument in der Beschwerde, die rechtswidrige Unterlassung der Berücksichtigung auch dieser Zeit folge aus der "Anwendung der verfassungsgesetzwidrigen Bestimmung des § 15 Abs. 3 Z 2 iVm § 33 Abs. 4 AlVG", ist Folgendes auszuführen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die in § 15 AlVG enthaltenen Aufzählungen erschöpfend (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 98/08/0421).

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin nicht, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen im Hinblick auf den Gleichheitssatz eine Interpretation geboten wäre, wonach die Aufzählung der Tatbestände des § 15 AlVG nicht erschöpfend sei und auch jene Fälle zu erfasse hätte, in denen der nachweislichen Arbeitsunfähigkeit keine Erschöpfung des Anspruches auf Krankengeld vorangegangen ist bzw. ein solcher Anspruch gar nicht bestanden hat. Auf gesundheitliche Beeinträchtigungen wird insbesondere auch in § 15 Abs. 3 Z. 1 und 3 AlVG sachgerecht Bedacht genommen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0045).

Der Verwaltungsgerichtshof hegt auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 33 Abs. 4 zweiter Satz AlVG. Dem Gesetzgeber kommt bei der Ausgestaltung sozialrechtlicher Leistungen und in diesem Zusammenhang bedeutsamer Fristen ein weiter rechtspolitischer Spielraum zu; dies gilt auch für die Heranziehung von Tatbeständen der Fristerstreckung. Auch der Gesichtspunkt der Abdeckung der minimalsten Lebensbedürfnisse zwingt den Gesetzgeber zu keiner bestimmten Ausgestaltung des Arbeitslosenversicherungsrechtes, da es sich dabei um einen Gesichtspunkt der Sozialhilfe handelt, deren Inanspruchnahme dem Arbeitslosen - soweit dieser nicht in der Lage sein sollte, die minimalsten Lebensbedürfnisse durch eigene Mittel abzudecken - frei steht (vgl. zu einer vergleichbaren Rechtslage das Erkenntnis vom , Zl. 98/08/0170).

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am