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VwGH 25.04.2017, Ra 2017/16/0031

VwGH 25.04.2017, Ra 2017/16/0031

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
FamLAG 1967 §2 Abs8;
RS 1
Bei der Beantwortung der Frage nach dem Mittelpunkt der Lebensinteressen im Sinn des § 2 Abs. 8 FLAG kommt es nicht darauf an, ob der Aufenthalt im Bundesgebiet ein ständiger ist.
Norm
FamLAG 1967 §2 Abs8;
RS 2
Der Umstand, dass ein Aufenthalt zu Studienzwecken begrenzt ist, steht der Beurteilung, der Mittelpunkt der Lebensinteressen liege am Ort des Studiums, nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0325).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2007/13/0129 E RS 1
Norm
FamLAG 1967 §2 Abs8;
RS 3
Bei der Prüfung der stärksten persönlichen Beziehung zu Österreich ist die Abhängigkeit von Alimentationszahlungen eines nicht in Österreich lebenden Angehörigen nicht ausschlaggebend (vgl. das Erkenntnis vom , 2007/13/0128, mwN).
Norm
FamLAG 1967 §2 Abs8;
RS 4
Bei verheirateten Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führen, besteht die stärkste persönliche Beziehung in der Regel zu dem Ort, an dem sie mit ihrer Familie leben. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen kann auch dann in Österreich liegen, wenn die Absicht besteht, Österreich nach einer gewissen Zeit wieder zu verlassen. Ein Zuzug für immer ist nicht erforderlich. Besteht die stärkste persönliche Beziehung zu Österreich, so ist die Abhängigkeit von Alimentationszahlungen eines nicht in Österreich lebenden Angehörigen nicht ausschlaggebend (vgl. zu all dem das Erkenntnis vom , Zl. 89/14/0054). Von ausschlaggebender Bedeutung ist bei verheirateten Personen mit gemeinsamer Haushaltsführung der Familienwohnsitz (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 93/15/0145, und vom , Zl. 2007/15/0279).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2008/13/0218 E RS 1

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2017/16/0032 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision der AK in W, vertreten durch die Burghofer Rechtsanwalts GmbH in 1060 Wien, Köstlergasse 1/30, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7106035/2015, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin hatte am einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für ihre Tochter KIA gestellt, worauf für dieses Kind während der Monate April bis November 2013 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge gewährt wurden. Am überprüfte das Finanzamt die Gewährung für KIA.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes über die genannten Leistungen während des Zeitraumes April bis November 2013 als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend führte das Gericht nach Darstellung des Verfahrensganges zunächst aus,

"(a)m reichte die (Revisionswerberin) zwei Bescheide des Landes Wien, Magistratsabteilung 35 für sich und KIA nach, demgemäß deren Aufenthalt in Österreich vom bis zum rechtmäßig war und der Aufenthaltstitel ab rechtsgültig erteilt werde. Der davor innegehabte Aufenthaltstitel hatte bis zum Gültigkeit.

Am reichte die (Revisionswerberin) eine Bescheidausfertigung des AMS nach, der gemäß ihr eine Beschäftigungsbewilligung für die Zeit vom bis zum erteilt werde.

Am  legte die (Revisionswerberin) die Rot-Weiß-Rot Karte für sich und ihren Sohn vor."

3 Nach weiterer Zitierung der Rechtsgrundlagen führte das Gericht weiter aus:

"Die (Revisionswerberin) verfügt zwar seit einen Aufenthaltstitel jedoch nur zum Zweck eines Studiums. Gemäß dem Bescheid des Landes Wien, Magistratsabteilung 53 ist der Aufenthalt der (Revisionswerberin) in Österreich erst seit rechtmäßig.

Der Mietvertrag für die Wohnung lautete auf den Gatten der (Revisionswerberin) mit dem sie im Rückforderungszeitpunkt noch im gemeinsamen Haushalt lebte.

Auch wenn der Aufenthalt der (Revisionswerberin) in Österreich gem. § 8 und 9 NAG in Österreich rechtmäßig war, erfolgte dieser nur zu Studienzwecken. Darüber hinaus muss für einen Anspruch auf Familienbeihilfe gem. § 2 Abs. 8 FLAG 1967 auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich liegen. Hierbei ist jedoch nicht das Wunschdenken der (Revisionswerberin) ausschlaggebend, sondern ist dies objektiv zu beurteilen.

Wie dargestellt hielt sich die (Revisionswerberin) eben nur zu Studienzwecken in Österreich auf, wurde ihr Unterhalt von ihrer Mutter getragen, da sie selbst über keine ausreichenden Existenzmittel verfügte und hatte sie auch keine eigene Wohnung. Auch hielt sich ihr Gatte ebenfalls nur zu Studienzwecken in Österreich auf und verfügte über kein eigenes Einkommen. Objektiv gesehen mangelte es im Beschwerdezeitpunkt somit an einer ausreichend intensiven Anbindung an Österreich, weshalb die Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages zu Recht erfolgte."

Abschließend begründete das Gericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision im Kern damit, im beschwerdegegenständlichen Fall liege eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, weshalb das Gericht die Revision als nicht zulässig erachte.

4 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision legt ihre Zulässigkeit darin dar, aus der "Entscheidung 2009/16/0179 und auch aus der Entscheidung 2009/16/0125" ergebe sich, dass bei verheirateten Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führten, die stärkste persönliche Beziehung in der Regel zu dem Ort bestehe, an dem sie mit ihrer Familie lebten. Selbst ein Zuzug für immer sei nicht erforderlich. Im angefochtenen Erkenntnis werde die "Entscheidung 2008/15/0325" zitiert und daraus der unrichtige Schluss gezogen, dass diese Entscheidung dafür spreche, dass der gegenständlichen Beschwerde nicht stattzugeben sei. Zu Unrecht vermeine das Gericht, dass schon deshalb der Lebensmittelpunkt der Revisionswerberin nicht in Österreich gelegen sei, da sie selbst über keine ausreichenden Existenzmittel verfügt habe und auch keine eigene Wohnung gehabt hätte. Zu Unrecht gehe das Gericht davon aus, dass aus dem Aufenthalt zu Studienzwecken und dem Mangel an eigenem Einkommen eine ausreichend intensive Anbindung an Österreich nicht gegeben sei. Damit entferne sich das Gericht von der bisherigen Rechtsprechung.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Revision das Vorverfahren eingeleitet, in dessen Rahmen die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erklärte, eine Revisionsbeantwortung nicht zu erstatten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6 Das Gericht zieht die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nach § 3 Abs. 1 und 2 FLAG nicht in Zweifel; es sieht jedoch den Mittelpunkt des Lebensinteresses im Sinn des § 2 Abs. 8 FLAG deshalb nicht im Bundesgebiet gelegen, weil sich die Revisionswerberin nur zu Studienzwecken in Österreich aufgehalten habe, deren Unterhalt von ihrer Mutter getragen worden sei, da sie selbst über keine ausreichenden Existenzmittel verfügt habe, und sie auch keine eigene Wohnung gehabt habe. Auch ihr Gatte habe sich nur zu Studienzwecken in Österreich aufgehalten und über kein eigenes Einkommen verfügt.

7 Nach § 2 Abs. 8 FLAG haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

8 Bei der Beantwortung der Frage nach dem Mittelpunkt der Lebensinteressen im Sinn des § 2 Abs. 8 FLAG kommt es nicht darauf an, ob der Aufenthalt im Bundesgebiet ein ständiger ist. Der Umstand, dass ein Aufenthalt zu Studienzwecken begrenzt ist, steht der Beurteilung, der Mittelpunkt der Lebensinteressen liege am Ort des Studiums, nicht entgegen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2007/13/0129, und vom , 2009/16/0114).

Bei der Prüfung der stärksten persönlichen Beziehung zu Österreich ist die Abhängigkeit von Alimentationszahlungen eines nicht in Österreich lebenden Angehörigen nicht ausschlaggebend (vgl. das Erkenntnis vom , 2007/13/0128, mwN). Bei verheirateten Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führen, besteht die stärkste persönliche Beziehung in der Regel zu dem Ort, an dem sie mit ihrer Familie leben. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen kann auch dann in Österreich liegen, wenn die Absicht besteht, Österreich nach einer gewissen Zeit wieder zu verlassen. Ein Zuzug für immer ist nicht erforderlich. Besteht die stärkste persönliche Beziehung zu Österreich, so ist die Abhängigkeit von Alimentationszahlungen eines nicht in Österreich lebenden Angehörigen nicht ausschlaggebend. Von ausschlaggebender Bedeutung ist bei verheirateten Personen mit gemeinsamer Haushaltsführung der Familienwohnsitz (vgl. das Erkenntnis vom , 2008/13/0218, mwN).

9 Vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung sind die vom Gericht ins Treffen geführten Umstände (Aufenthalt zu Studienzwecken in Österreich, Tragen des Unterhaltes durch die Mutter, keine ausreichenden eigenen Mittel) nicht geeignet, die Annahme des Mittelpunkts der Lebensinteressen im Bundesgebiet auszuschließen.

10 Die vor diesem Hintergrund zulässige Revision erweist sich damit auch als berechtigt, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben ist.

11 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
FamLAG 1967 §2 Abs8;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017160031.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAE-74263