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VwGH vom 21.10.2015, 2012/13/0110

VwGH vom 21.10.2015, 2012/13/0110

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0740-W/09, miterledigt RV/0741-W/09, betreffend Einheitswert des Grundvermögens und Grundsteuermessbescheid zum (mitbeteiligte Partei: W AG in W, vertreten durch die Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währingerstraße 2-4), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei ist Rechtsnachfolgerin in einem im Jahr 2002 von ihrer Rechtsvorgängerin mit einer Liegenschaftseigentümerin abgeschlossenen Baurechtsvertrag, dessen Gegenstand im Vertrag wie folgt bezeichnet ist:

"Der Grundeigentümer räumt dem Bauberechtigten das auf der Liegenschaft als Last bücherlich einzutragende dingliche, veräußerliche und vererbliche Recht ein, auf und/oder unter der Bodenfläche der Liegenschaft ein Bauwerk oder mehrere Bauwerke zu errichten und zu haben, jedoch seiner Ausübung nach beschränkt auf die im Lageplan (Beilage ./1) rot umrandete Fläche."

Der Lageplan weist als von der Ausübung des Baurechtes betroffene Fläche den in der Breite variierenden äußeren Rand einer Längsseite und einer Schmalseite der im Wesentlichen rechteckigen, mit zwei großen Bürogebäuden bebauten Liegenschaft aus. Der Vertrag verpflichtet den Bauberechtigten, "als Bauwerk (...) ausschließlich eine Tiefgarage (Beilage ./2) zu errichten bzw. errichten zu lassen und diese in gutem und brauchbarem Zustand zu erhalten".

Mit Beschluss vom bewilligte das örtlich zuständige Bezirksgericht die Einverleibung des Baurechtes.

Mit Bescheid vom nahm das beschwerdeführende Finanzamt hinsichtlich der neu eröffneten Baurechtseinlage eine Nachfeststellung gemäß § 22 Abs. 1 BewG 1955 zum vor, mit der es der mitbeteiligten Partei die gesamte Liegenschaft samt Gebäuden zurechnete. Auf der Grundlage dieser Zurechnung erging zugleich auch ein Grundsteuermessbescheid (Nachveranlagung gemäß § 22 Abs. 1 GrStG 1955) zum .

In ihrer Berufung gegen diese Bescheide machte die mitbeteiligte Partei geltend, das Baurecht betreffe nur ein Viertel der Liegenschaftsfläche und im Besonderen nicht die Gebäude der Liegenschaftseigentümerin. Eine Teilung der Liegenschaft sei "aufgrund der verwinkelten Lage des belasteten Grundstücksteils" nicht erfolgt. Der Baurechtsvertrag samt Lageplan sei dem Grundbuchsgesuch angeschlossen und in die Urkundensammlung aufgenommen worden. Das Baurecht sei zwar auf der gesamten Liegenschaft einverleibt, die Beschränkung der Nutzungsbefugnis auf eine Teilfläche aber nach herrschender Lehre und Rechtsprechung dinglich wirksam.

Bewertungsrechtlich sei der vom Baurecht erfasste Teil als Betriebsgrundstück im Sinne des § 60 BewG 1955 zu werten, was gemäß § 60 Abs. 4 BewG 1955 im vorliegenden Fall zur Bewertung wie Grundvermögen führe. Gemäß § 51 Abs. 1 BewG 1955 bilde jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ein selbständiges Grundstück im Sinne dieses Bundesgesetzes, womit sich dieser Grundstücksbegriff von demjenigen des Grundbuchsrechtes unterscheide. Wenn gemäß § 51 Abs. 2 BewG 1955 auch das Baurecht als Grundstück gelte, so sei auch der Umfang eines solchen "Grundstücks" durch den der "wirtschaftlichen Einheit" bestimmt. Im vorliegenden Fall lägen in Bezug auf dieselbe Liegenschaft zwei verschiedene wirtschaftliche Einheiten mit verschiedenen Eigentümern vor. Gemäß § 56 Abs. 2 BewG 1955 sei im - vorliegenden - Fall einer noch 50 Jahre oder mehr betragenden Dauer des Baurechtes "der Gesamtwert" des mit dem Baurecht belasteten Grundstücks "in vollem Umfang dem Berechtigten zuzurechnen". Dies führe aber nicht zur Einbeziehung von Liegenschaftsteilen, die von der Nutzung durch den Bauberechtigten ausgeschlossen seien und auf die sich die dingliche Wirkung des Baurechtes nicht erstrecke. Es stehe im Zusammenhang mit § 56 Abs. 3 und 4 BewG 1955, wonach bei kürzerer Restdauer des Baurechtes eine Aufteilung des Gesamtwertes stattzufinden habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. Sie stellte unter Bezugnahme u.a. auf einen , ausführlich dar, dass sich ein Baurecht als Belastung des Grundstücks zwar nur auf den ganzen Grundbuchskörper beziehen, die Nutzungsberechtigung aber auf Teile davon beschränkt sein könne, wie dies etwa auch bei einem Servitutsweg möglich sei.

Beschränkten sich die Befugnisse der mitbeteiligten Partei auf die im Lageplan bezeichneten Flächen, so würde eine Zurechnung der gesamten Liegenschaft einschließlich der Gebäude, von deren Benutzung die mitbeteiligte Partei "definitiv ausgeschlossen" sei, "zu einem nicht der Realität entsprechenden Ergebnis führen". Gemäß § 56 Abs. 4 BewG 1955 könne abweichend von Abs. 3 (Zurechnung des Gebäudewertes und nur eines Teils des Wertes des Grund und Bodens an den Bauberechtigten bei einer Restdauer des Baurechtes von weniger als 50 Jahren) dem Eigentümer des Grund und Bodens auch ein Anteil am Gebäudewert zugerechnet werden, wenn etwa vereinbart worden sei, dass er dafür bei Erlöschen des Baurechtes keine entsprechende Entschädigung zu leisten habe. Im vorliegenden Fall gehe es nicht einmal darum, dem Grundeigentümer einen Anteil an der zu errichtenden Parkgarage zuzurechnen, sondern nur darum, nicht dem Bauberechtigten auch Gebäude zuzurechnen, die ausschließlich von der Grundeigentümerin genutzt würden und für die diese keine Entschädigung zu leisten habe, weil sie schon in ihrem Eigentum stünden. "Im Übrigen", so die belangte Behörde, würde eine Zurechnung dieser Gebäude an die mitbeteiligte Partei "§ 2 BewG widersprechen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Finanzamtes, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte Partei erwogen hat:

§ 2 BewG 1955 lautet:

"§ 2. Wirtschaftliche Einheit.

(1) Jede wirtschaftliche Einheit ist für sich zu bewerten. Ihr Wert ist im ganzen festzustellen. Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, ist nach den Anschauungen des Verkehres zu entscheiden. Die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter sind zu berücksichtigen.

(2) Mehrere Wirtschaftsgüter kommen als wirtschaftliche Einheit nur insoweit in Betracht, als sie demselben Eigentümer gehören.

(3) Die Vorschriften der Abs. 1 und 2 gelten nicht, soweit eine Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter vorgeschrieben ist."

§ 51 Abs. 1 und 2 BewG 1955 lauten:

"§ 51. Begriff des Grundvermögens.

(1) Zum Grundvermögen gehört der Grund und Boden einschließlich der Bestandteile (insbesondere Gebäude) und des Zubehörs. In das Grundvermögen sind nicht einzubeziehen die Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, auch wenn sie wesentliche Bestandteile sind. Umzäunungen sowie Weg- und Platzbefestigungen sind bei gewerblich genutzten Grundstücken stets als Vorrichtungen anzusehen, die zu einer Betriebsanlage gehören. Jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens bildet ein selbständiges Grundstück im Sinne dieses Bundesgesetzes.

(2) Als Grundstücke gelten auch das Baurecht und sonstige grundstücksgleiche Rechte."

§ 56 Abs. 1 und 2 BewG 1955 lauten:

"§ 56. Bewertung des Baurechtes und der sonstigen grundstücksgleichen Rechte.

(1) Grundstücke, die mit Baurechten oder sonstigen grundstücksgleichen Rechten belastet sind, werden wie bebaute oder unbebaute Grundstücke bewertet.

(2) Beträgt die Dauer des Baurechtes in dem für die Bewertung maßgebenden Zeitpunkt noch 50 Jahre oder mehr, so ist der Gesamtwert gemäß Abs. 1 in vollem Umfang dem Berechtigten zuzurechnen."

In der Amtsbeschwerde wird dargelegt, strittig sei "der Umfang der zu bewertenden wirtschaftlichen Einheit 'Baurecht' im Sinne des § 56 Abs. 1 BewG" 1955. Der "Wortlaut des § 56 Abs. 1 BewG" 1955 beziehe sich "ausdrücklich auf die gesamte wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstückes", und zwar "so wie sich das eingetragene Baurecht nach § 5 Baurechtsgesetz auf den ganzen Grundbuchskörper bezieht". Nach § 51 Abs. 1 letzter Satz BewG 1955 bilde "jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ein selbständiges Grundstück" im Sinne dieses Bundesgesetzes. Der "Umfang des belasteten Grundstücks" werde "durch den Umfang der belasteten EZ" des Grundbuchs bestimmt. Für eine "einschränkende Interpretation des Begriffes 'belastetes Grundstück', etwa nach dem Umfang eines auf einem Plan eingezeichneten Nutzungsrechtes an einem Teil des belasteten Grundstückes," biete "der Gesetzeswortlaut keinen Raum". Bei "Aufrechterhaltung des einheitlichen Grundbuchskörpers" sei "der gesamte Grundbuchskörper Gegenstand der Belastung durch das Baurecht". Der von der belangten Behörde zitierte § 56 Abs. 4 BewG 1955 betreffe nur Fälle, in denen die Restdauer des Baurechtes weniger als 50 Jahre betrage.

Mit diesen Ausführungen bezieht sich das beschwerdeführende Finanzamt zwar auf den Begriff der "wirtschaftlichen Einheit", ohne aber auf dessen nähere Bestimmung in § 2 Abs. 1 BewG 1955 Bedacht zu nehmen. Nach den dort festgelegten Maßstäben kann die "wirtschaftliche Einheit" und damit auch das "Grundstück" im Sinne des § 51 Abs. 1 letzter Satz und Abs. 2 BewG 1955 über die Liegenschaftsteile, auf die sich die Nutzungsberechtigung des Bauberechtigten beschränkt, nicht hinausreichen.

Schon im Erkenntnis vom , 2083/64, VwSlg 3418/F, ÖStZB 1966, 112, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, auf einem einheitlichen Grundbuchskörper könnten zwei wirtschaftliche Einheiten bestehen und die Behandlung einer Sache als eine besondere wirtschaftliche Einheit sei "vom Grundbuchsstande weitgehend unabhängig". In dem Erkenntnis vom , 755, 758/71, ÖStZB 1973, 140, wurde dies in einem Fall mit drei Wohnblöcken auf nur einem Grundbuchskörper mit nur einer Parzelle bekräftigt. Die Behauptung des beschwerdeführenden Finanzamtes, der "Umfang des belasteten Grundstücks" werde durch den "Umfang der belasteten EZ" bestimmt und die "Aufrechterhaltung des einheitlichen Grundbuchskörpers" stehe dem Standpunkt der belangten Behörde entgegen, widerspricht diesen Erkenntnissen und verkennt den besonderen Grundstücksbegriff des § 51 Abs. 1 letzter Satz BewG 1955, an den die Bestimmungen des § 56 BewG 1955 anknüpfen.

Die Amtsbeschwerde wirft der belangten Behörde auch vor, die Abänderung des Grundsteuermessbescheides sei "unter Verkennung der Bestimmung des hier maßgebenden § 9 Abs. 1 Z 3 GrStG" 1955 erfolgt. Nach dieser Sonderbestimmung sei im Falle des Baurechtes "der Berechtigte für den Grund und Boden und, wenn dieser bebaut ist, auch für die darauf bestehenden Gebäude Schuldner der Grundsteuer. Das bedeutet für die Grundsteuer, dass der Berechtigte bis Ablauf des Baurechts im vollen Umfang Schuldner der Grundsteuer bleibt." Hiezu genügt es in Anbetracht des schon Gesagten, an die im angefochtenen Bescheid erwähnten Verweisungen des Grundsteuergesetzes 1955 auf den nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes 1955 festgestellten Einheitswert zu erinnern (§§ 12 und 22 GrStG 1955).

Die Amtsbeschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am