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VwGH vom 11.08.2018, Ra 2017/16/0005

VwGH vom 11.08.2018, Ra 2017/16/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, LL.M., über die Revision der N GmbH in I, vertreten durch Mag. Werner Tschapeller, Wirtschaftsprüfer in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 43, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/3101113/2016, betreffend Grunderwerbsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Baurechtsvertrag vom räumte die Marktgemeinde V der Revisionswerberin, einer GmbH, ein Baurecht an zwei näher bezeichneten Grundstücken der Gemeinde ein. Die Baurechtsdauer wurde mit 50 Jahren beginnend ab der Verbücherung festgelegt. Als Gegenleistung wurde ein jährlicher Baurechtszins von 8.383 EUR sowie ein Abgeltungsbetrag von 387.090 EUR für den Wert des bestehenden Gebäudes vereinbart. Der mit der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung des Vertrags beauftragte Notar ermittelte im Rahmen der Selbstberechnung die Grunderwerbsteuer mit 18.829,44 EUR, wobei er als Bemessungsgrundlage den kapitalisierten, 18fachen Baurechtszins (150.894 EUR) zuzüglich des vereinbarten Abgeltungsbetrags für das Gebäude (387.090 EUR), somit insgesamt einen Betrag von 537.984 EUR heranzog.

2 Aufgrund einer Überprüfung der vom Notar durchgeführten Selbstberechnung setzte das Finanzamt mit Bescheid vom die Grunderwerbsteuer mit 27.433,35 EUR fest. Begründend führte das Finanzamt aus, als Bemessungsgrundlage für die Einräumung eines Baurechts sei nach der ab geltenden Rechtslage der Wert der Gegenleistung, mindestens jedoch der gemeine Wert des Baurechts heranzuziehen. Laut , BMF-010206/0101-VI/5/2014, entspreche bei einer Baurechtsdauer von zumindest 50 Jahren der gemeine Wert des Baurechts dem gemeinen Wert des Grundstücks. Ausgehend von einem geschätzten durchschnittlichen Kaufpreis von 290 EUR pro m2 ergebe sich bei einer Grundfläche von 1.368 m2 eine Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer von 783.810 EUR (einschließlich des Abgeltungsbetrags für das Gebäude von 387.090 EUR).

3 In der dagegen erhobenen Beschwerde vom brachte die Revisionswerberin vor, aus § 2 GrEStG 1987 und § 6 BauRG folge, dass das Baurecht ein vom belasteten Grund und Boden "verschiedenes" Grundstück sei. Der gemeine Wert des Baurechts könne nicht mit dem gemeinen Wert des Grundstücks gleichgesetzt werden. Der Wert eines Grundstücks ohne Baurechtsbelastung sei naturgemäß höher, weil das Eigentum am Bauwerk auf eine bestimmte Laufzeit begrenzt sei und danach dem Grundeigentümer zufalle. Zudem würden die Baurechtszinsen den Bauberechtigten belasten und könne nur der Grundeigentümer etwaige stille Reserven des Grund und Bodens realisieren. Die Kapitalisierung nach §§ 15 und 16 BewG 1955 diene der einfachen und gleichmäßigen Ermittlung des gemeinen Werts der zu kapitalisierenden (Baurechtszins-)Verpflichtung. Ein nach diesen leges speciales ermittelter Kapitalwert sei als gemeiner Wert des Baurechts iSd § 10 BewG 1955 anzusehen, der nach § 5 GrEStG 1987 um allfällige Einmalzahlungen und sonstige Gegenleistungen zu erhöhen und der Bemessung der Grunderwerbsteuer zu Grunde zu legen sei. Die im vorgenommene Gleichsetzung des gemeinen Wert des Baurechts mit dem gemeinen Wert des unbelasteten Grundstücks sei gesetzlich nicht gedeckt und sachlich nicht zu rechtfertigen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Bei der Begründung eines Baurechts sei die Grunderwerbsteuer vom Wert der Gegenleistung, nach § 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG 1987 mindestens jedoch vom gemeinen Wert des Baurechts zu bemessen. Der gemeine Wert des Baurechts entspreche dem gemeinen Wert des unbebauten oder bebauten Grundstücks. Nach § 56 Abs. 1 BewG 1955 seien Baurechte wie bebaute oder unbebaute Grundstücke zu bewerten. Zur Berücksichtigung der Dauer des Baurechts bei der Ermittlung des gemeinen Werts könne auf § 56 Abs. 2 und 3 Z 1 BewG 1955 zurückgegriffen werden. Der Revisionswerberin sei nicht zu folgen, wonach der Kapitalwert (§§ 15 und 16 BewG 1955) dem gemeinen Wert des Baurechts entspreche. Beim kapitalisierten Wert nach § 15 BewG 1955 handle es sich ausschließlich um eine bewertungsrechtliche Methode zur einfachen und praktikablen Ermittlung der Gegenleistung, die mit dem 18fachen Jahreswert begrenzt sei. Dieser Wert entspreche keineswegs dem gemeinen Wert des Baurechts bzw. des Grundstücks im Sinne des § 10 BewG 1955.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision über die der Verwaltungsgerichtshof nach Einleitung des Vorverfahrens (§ 36 VwGG) und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde erwogen hat:

6 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In der Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesfinanzgericht habe verkannt, dass das Baurecht nach § 2 GrEStG 1987 ein selbstständiges, vom belasteten Grund und Boden "verschiedenes" Grundstück sei. Die Mindestbemessungsgrundlage nach § 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG 1987 richte sich somit nicht nach dem gemeinen Wert des belasteten Grund und Bodens, sondern nach dem gemeinen Wert des selbstständigen Grundstücks "Baurecht". § 56 BewG 1955 könne nicht zur Ermittlung des gemeinen Werts des Baurechts herangezogen werden, da diese Bestimmung die Bemessung des Einheitswerts von Grundstücken regle. Der gemeine Wert sei dagegen in § 10 BewG 1955 geregelt. Die Regeln über den Kapitalwert von wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen und von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen (§§ 15 und 16 BewG 1955) seien Spezialregeln für die Ermittlung des gemeinen Werts der genannten Nutzungen und Leistungen und auf die Ermittlung der Gegenleistung nach den §§ 4 und 5 GrEStG 1987 anzuwenden. Da die Gegenleistung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr vereinbart worden sei und ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse im Sinne des § 10 BewG 1955 nicht vorlägen, bestehe kein Grund zur Annahme, dass der gemeine Wert des Baurechts höher sei, als die vereinbarte Gegenleistung.

9 Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt. 10 Nach § 1 Abs. 1 Z 1 Grunderwerbsteuergesetz 1987

(GrEStG 1987), BGBl. Nr. 309/1987, unterliegen der Grunderwerbsteuer Kaufverträge oder andere Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen. Da gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987 Baurechte Grundstücken gleichstehen, unterliegt auch die Begründung eines Baurechts durch Abschluss eines Baurechtsvertrags dem Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 (vgl. ).

11 Nach § 4 Abs. 1 GrEStG 1987, BGBl. Nr. 309/1987 in der im Revisionsfall noch anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 36/2014, ist die Grunderwerbsteuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen. Ist die Gegenleistung geringer als der gemeine Wert des Baurechts, ist der Berechnung der Grunderwerbsteuer der gemeine Wert des Baurechts zugrunde zu legen (§ 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG 1987, BGBl. Nr. 309/1987 idF BGBl. I Nr. 36/2014).

12 Die Bestimmungen des ersten Teils des BewG 1955 (§§ 2 bis 17) gelten grundsätzlich für alle bundesrechtlich geregelten Abgaben (§ 1 Abs. 1 BewG 1955). Nach näherer Regelung durch die in Betracht kommenden Gesetze gilt der erste Abschnitt des zweiten Teils des BewG 1955 (§§ 19 bis 68) u.a. auch für die Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 2 BewG 1955).

13 Gemäß § 10 Abs. 2 BewG 1955 bestimmt sich der gemeine Wert nach dem Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.

14 Soweit das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis die Auffassung vertritt, dass der gemeine Wert des der Revisionswerberin auf die Dauer von 50 Jahren eingeräumten Baurechts aufgrund der Normierung des § 56 BewG 1955 dem gemeinen Wert des Grundstücks entspreche, kann dem nicht gefolgt werden.

15 Wie die Revision zu Recht vorbringt, lässt das Bundesfinanzgericht dabei außer Acht, dass § 56 BewG 1955 zum ersten Abschnitt des zweiten Teils des BewG 1955 gehört und die Bewertung von Baurechten und sonstigen grundstücksgleichen Rechten im Zusammenhang mit der Ermittlung des Einheitswerts regelt. Nach § 1 Abs. 2 BewG 1955 gilt der erste Abschnitt des zweiten Teils des BewG 1955 (§§ 19 bis 68) aber nur "nach näherer Regelung durch die in Betracht kommenden Gesetze" für die Grunderwerbsteuer (vgl. ). Eine solche Regelung enthält aber § 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG 1987 - im Gegensatz zu den auf den "Einheitswert" abstellenden Ziffern 1 und 2 dieses Absatzes - nicht.

16 Die in § 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG 1987 vorgesehene Grunderwerbsteuer-Bemessungsgrundlage (Mindestbemessungsgrundlage bei einer niedrigeren Gegenleistung) ist somit ausschließlich der auf der Grundlage des § 10 BewG 1955 zu ermittelnde "gemeine Wert" des einzuräumenden Baurechts. Es kommt also auf den Preis an, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (am freien Markt) - unter zueinander fremden Personen - für die Einräumung eines solchen Baurechts (z.B. bei Einmalerlag) gezahlt würde, wobei ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse auszublenden sind. Entgegen dem Revisionsvorbringen bildet hingegen, wenn § 4 Abs. 2 Z 3 lit. a GrEStG 1987 anzuwenden ist, die tatsächlich im konkreten Einzelfall gezahlte Gegenleistung nicht die Bemessungsgrundlage.

17 Die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987, wonach Baurechte den Grundstücken gleichstehen, bedeutet, dass die in § 1 leg. cit. angeführten Tatbestände auch auf Baurechte anzuwenden sind, nicht jedoch, dass bei der Bemessungsgrundlage des gemeinen Werts derjenige des Grundstücks auch für das Baurecht heranzuziehen wäre.

18 Da das Bundesfinanzgericht den gemeinen Wert des Grundstücks als Bemessungsgrundlage herangezogen hat, statt Ermittlungen über den gemeinen Wert eines einzuräumenden Baurechts anzustellen, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

19 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

20 Für das fortgesetzte Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass § 15 BewG 1955 nur die Bewertung wiederkehrender Nutzungen und Leistungen regelt. Damit ist § 15 BewG 1955 (und die Einschränkung auf ein bestimmtes Vielfaches des Jahreswerts) aber nur für die Bewertung der Bauzinsverpflichtung, somit der Gegenleistung (§ 4 Abs. 1 GrEStG 1987) für die Einräumung des Baurechts, nicht aber für die Bewertung des Baurechts selbst von Bedeutung. Der Wert des Baurechts ist eigenständig nach § 10 BewG 1955 zu ermitteln.

21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017160005.L00

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