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VwGH vom 05.09.2019, Ra 2017/16/0004

VwGH vom 05.09.2019, Ra 2017/16/0004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Dr. Mairinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der JUDr. J S in P, Tschechische Republik, vertreten durch Dr. Harald Bösch, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Am Stein 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/1300002/2012, betreffend Beschlagnahme gemäß § 89 FinStrG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Feldkirch Wolfurt), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Am reiste die Revisionswerberin gemeinsam mit ihrer Tochter aus der Schweiz kommend bei der Zollstelle Höchst des Zollamts Feldkirch Wolfurt in das Zollgebiet der Europäischen Union ein. Im Zuge einer Zollkontrolle wurden bei der Revisionswerberin Bankunterlagen aufgefunden, die von den Zollbeamten als für Erhebungen bezüglich des Bargeldverkehrs bedeutsam erachtet wurden. Die Revisionswerberin erklärte, sie sei Rechtsanwältin in der Tschechischen Republik, die betreffenden Unterlagen gehörten einem Klienten und sie selbst unterliege der Verschwiegenheitspflicht.

2 Schließlich fertigten die Zollbeamten Kopien der betreffenden Bankunterlagen an und händigten die Originale wieder an die Revisionswerberin aus. Die angefertigten Kopien wurden von den Zollbeamten versiegelt und der Vorsitzenden des Spruchsenats I des Zollamts Feldkirch Wolfurt als Finanzstrafbehörde I. Instanz zur Entscheidung darüber, ob die Unterlagen der Beschlagnahme unterlägen, vorgelegt.

3 Mit Bescheid vom entschied die Vorsitzende des Spruchsenats, dass die am bei der Zollstelle Höchst des Zollamts Feldkirch Wolfurt sichergestellten und in einem versiegelten Kuvert am vorgelegten Beweismittel gemäß § 89 Abs. 3 lit. a FinStrG der Beschlagnahme unterlägen. Die Verdächtige habe sich geweigert, Einsicht in die im Rahmen einer routinemäßigen Zollkontrolle vorgefundenen Bankunterlagen zu gewähren. § 89 Abs. 3 FinStrG schränke das Beschlagnahmeverbot im Interesse der Finanzstrafrechtspflege ein, wenn der zur Verschwiegenheit Verpflichtete selbst als Täter im Verdacht stehe. Da sich die fragliche Amtshandlung gegen die Revisionswerberin wegen des Verdachts der Verletzung der Verpflichtungen im Bargeldverkehr gemäß § 48b FinStrG richte, unterlägen die betreffenden Unterlagen der Beschlagnahme. 4 In der gegen den Beschlagnahmebescheid erhobenen Beschwerde vom schilderte die Revisionswerberin das Geschehen anlässlich der Zollkontrolle bei der Zollstelle Höchst aus ihrer Sicht und beantragte zum Beweis für die Richtigkeit des von ihr geschilderten Sachverhalts ihre Einvernahme als Partei sowie die Einvernahme ihrer Tochter und Kanzleimitarbeiterin S als Zeugin. Die Bankunterlagen hätten mangels eines ausreichenden Tatsachensubstrats für einen begründeten Verdacht, dass Verpflichtungen im Bargeldverkehr gemäß § 48b FinStrG verletzt worden seien, nicht sichergestellt werden dürfen. Im Übrigen handle es sich bei Bankunterlagen nicht um "Bargeld oder diesem gleichgestellte Zahlungsmittel" iSd § 48b FinStrG und stehe der Sicherstellung der Unterlagen auch entgegen, dass die Revisionswerberin als Anwältin der Verschwiegenheitspflicht unterliege. Da die Revisionswerberin keine ausreichende Kenntnis der deutschen Sprache habe, wäre im Rahmen der Zollkontrolle, insbesondere in Hinblick auf die vorzunehmenden Belehrungen, zudem ein Dolmetscher beizuziehen gewesen.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Verweigere eine tschechische Wirtschaftsanwältin bei der Rückreise aus der Schweiz von einem Besuch bei einer Schweizer Privatbank an der österreichischen Grenze im Rahmen der zollamtlichen Überwachung die Einsichtnahme in ihr in der Schweiz übergebene Bankunterlagen, die ihr zumindest teilweise aufgrund der Betreuung einer karibischen Offshore-Gesellschaft zur Verfügung stünden, sei sie selbst nachweislich über ein Giro-Konto dieser Briefkastenfirma zeichnungsberechtigt und vernichte sie überdies trotz Beobachtung durch die Zollorgane am Amtsplatz der Zollstelle im Fahrzeug, in welches sie sich nach Entreißen der bereits in den Händen eines Zollorgans befundenen Bankunterlagen zurückgezogen habe, unter Mithilfe einer mitreisenden Kanzleimitarbeiterin von ihr als verfänglich angesehene Dokumente, bestehe der dringende Verdacht, dass sie selbst bei der vorherigen Einreise in die Schweiz oder in den Jahren zuvor als Geldbotin für die Offshore-Gesellschaft bzw. für die dahinter stehenden Kapitalgeber Geldmittel über die Außengrenze der EU verbracht, dies nicht gemeldet und dadurch vorsätzlich ein Finanzvergehen nach § 48b FinstrG begangen habe. Selbst wenn für die sichergestellten Bankunterlagen eine gesetzlich anerkannte Verschwiegenheitspflicht bestünde, unterlägen diese nach § 89 Abs. 3 lit. a FinStrG der Beschlagnahme, stehe die Revisionswerberin doch in Verdacht, als unmittelbare Täterin Finanzvergehen nach § 48b FinStrG begangen zu haben. 7 Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , E 730/2015- 8, ab und trat diese an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts sodann erhobene Revision (die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung) erwogen:

9 In der vorliegenden Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesfinanzgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Es liege nicht "im Ermessen" des Bundesfinanzgerichts, ob es Beweise aufnehme und welche der beantragten Beweise es aufnehme und welche nicht. Das Bundesfinanzgericht habe selbst ausgeführt, dass es sein Erkenntnis lediglich aufgrund der Aktenlage des erstinstanzlichen Verfahrens sowie aufgrund des Vorbringens in der Beschwerde gefällt habe. Die von der Revisionswerberin in der Beschwerde beantragte Einvernahme als Partei sowie die Einvernahme der Zeugin S seien jedoch unterblieben. Hätte das Bundesfinanzgericht diese Einvernahmen durchgeführt, hätte es festgestellt, dass die Revisionswerberin weder der deutschen noch der englischen Sprache ausreichend mächtig sei, um ihre Rechte zu wahren, sie keinerlei Bankunterlagen mit Hilfe ihrer Kanzleimitarbeiterin "zum Verschwinden gebracht" oder "vernichtet" habe, sie bei der Schweizer Bank über keine Kundenkarte verfügt habe, sie keine - eine Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht iSd VO (EG) 1889/2005 begründende - "Barmittel" oder als "Bargeld" zu qualifizierenden Gegenstände mitgeführt habe und die von ihr mitgeführten Kontounterlagen lediglich zu ihrer Information als Rechtsanwältin der W Inc. gedient hätten.

10 Die Revision ist zulässig und begründet.

11 Das Bundesfinanzgericht ist dem Antrag der Revisionswerberin, u.a. ihre Tochter und Kanzleimitarbeiterin S als Zeugin zu dem in der Beschwerde behaupteten Geschehen bei der Zollstelle Höchst einzuvernehmen, ohne nähere Begründung nicht nachgekommen. Vielmehr hat es den entscheidungswesentlichen Sachverhalt - über die lediglich rudimentären Feststellungen im bekämpften Bescheid hinaus - offenkundig nur anhand der im Akt einliegenden "Tatbeschreibung" der Zollbeamten sowie der Einvernahme der Zollbeamtin K festgestellt und ist dabei nicht dem Sachverhaltsvorbringen der Beschwerde gefolgt.

12 Das Bundesfinanzgericht hat die beantragte Einvernahme der Zeugin S unterlassen, ohne nähere Gründe dafür anzuführen. 13 Das angefochtene Erkenntnis war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

14 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017160004.L00

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