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VwGH vom 22.03.2012, 2010/07/0178

VwGH vom 22.03.2012, 2010/07/0178

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des T A in L, vertreten durch Dr. Peter Bergt, Rechtsanwalt in 6410 Telfs, Lumma 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. U-30.309/1, betreffend Feststellung nach § 6 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Über den Beschwerdeführer wurde mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft I (im Folgenden: BH) vom gemäß § 79 Abs. 2 Z 25 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 eine Geldstrafe von EUR 360,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden) verhängt, weil er am im Gemeindegebiet von L auf einem näher bezeichneten Grundstück nicht gefährliche Abfälle in Form von Lawinenholz abgebrannt und dadurch behandelt habe, obwohl nicht gefährliche Abfälle außerhalb von Anlagen oder für die Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten nicht behandelt werden dürften, weshalb er § 79 Abs. 2 Z. 3 iVm § 15 Abs. 3 leg. cit. verletzt habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer den Einspruch vom , in dem er (u.a.) an die BH den Antrag stellte, gemäß § 6 leg. cit. festzustellen, dass Lawinenholz kein Abfall sei, wobei die Behörde über diesen Antrag vor Erledigung der Strafsache entscheiden möge.

Mit Bescheid vom stellte die BH gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002 fest, dass das am auf dem näher bezeichneten Grundstück verbrannte Lawinenholz zum Zeitpunkt des Verbrennens (Behandelns) Abfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. iVm dessen Anhang 1 gewesen sei. In der Begründung ihres Bescheides vertrat die BH die Auffassung, dass der Zweck des Verbrennens nicht mit einem kulturhistorischen Kontext in Verbindung gebracht werden könne und feststehe, dass mit dem Verbrennen des Lawinenholzes die Absicht verfolgt worden sei, sich dessen zu entledigen. Der Beschwerdeführer habe dies in seinem Einspruch auch insofern eingeräumt, als seiner Ansicht nach die Verbrennung an Ort und Stelle als besser anzusehen sei, als das Holz mit Transportmitteln unter weiterem Ausstoß von Schadstoffen einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuzuführen.

Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verfahrensganges führte die belangte Behörde aus, es sei irrelevant, wer Eigentümer der Liegenschaft sei, auf welcher eine Verbrennung stattfinde. Schon im Zusammentragen des Lawinenholzes in der Absicht, dieses in Haufen zu verbrennen, manifestiere sich der Entledigungswille, und mit dem tatsächlichen Anzünden sei dieser Entledigungswille auch in die Tat umgesetzt worden. Das Lawinenholz sei ausschließlich zu dem Zweck verbrannt worden, dieses loszuwerden. Andere Möglichkeiten, wie der Transport des Holzes über die nahe gelegene Landesstraße ins Tal, seien nicht berücksichtigt worden, weil der Entledigungswille von Anfang an bestanden habe. Es sei daher der subjektive Abfallbegriff erfüllt. Das gegenständliche Lawinenholz könne auch jedenfalls der Gruppe Q16 des Anhanges 1 zum AWG 2002 zugeordnet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002 (in der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden und daher für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Fassung der AWG-Novelle 2007, BGBl. I Nr. 43) hat die Bezirksverwaltungsbehörde, wenn begründete Zweifel bestehen, ob eine Sache Abfall im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, dies entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten mit Bescheid festzustellen.

§ 2 leg. cit. hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und

1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

(2) Als Abfälle gelten Sachen, deren ordnungsgemäße Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich ist, auch dann, wenn sie eine die Umwelt beeinträchtigende Verbindung mit dem Boden eingegangen sind. Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann erforderlich sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

(3) Eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, solange


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1.
eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder
2.
sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht.
Die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung von Mist, Jauche, Gülle und organisch kompostierbarem Material als Abfall ist dann nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, wenn diese im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes anfallen und im unmittelbaren Bereich eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes einer zulässigen Verwendung zugeführt werden.
(…)

(6) Im Sinne dieses Bundesgesetzes

1. ist 'Abfallbesitzer'


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a)
der Abfallerzeuger oder
b)
jede Person, welche die Abfälle innehat;
2.
ist 'Abfallerzeuger'
a)
jede Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfallen (Abfallersterzeuger), oder
b)
jede Person, die Vorbehandlungen, Mischungen oder andere Arten der Behandlung vornimmt, die eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken;
3.
ist 'Abfallsammler' jede Person, die von Dritten erzeugte Abfälle selbst oder durch andere
a)
abholt,
b)
entgegennimmt oder
c)
über deren Abholung oder Entgegennahme rechtlich verfügt;
4.
ist 'Abfallbehandler' jede Person, die Abfälle verwertet oder beseitigt;
(…)"
In der Gruppe Q16 des Anhanges 1 zum AWG 2002, in die die belangte Behörde das Lawinenholz eingeordnet hat, sind Stoffe oder Produkte aller Art, die nicht einer der sonst in diesem Anhang erwähnten Gruppen angehören, als Abfälle bezeichnet. Bei dieser Abfallgruppe handelt es sich um einen umfassenden Auffangtatbestand, sodass der Zuordnung zu den anderen in diesem Anhang genannten Abfallgruppen keine entscheidende Bedeutung zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/07/0164, mwN).
Nach der zur Richtlinie 75/442/EWG idF der Richtlinie 91/156/EWG (Abfall-Richtlinie) ergangenen Judikatur des EuGH (vgl. etwa das Urteil vom , C-304/94 u.a., Rechtssache Tombesi) handelt es sich bei dem in dieser Richtlinie definierten Abfallbegriff - danach bedeutet "Abfall": Alle Stoffe oder Gegenstände, die unter die in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss (vgl. Art. 1 lit. a und Anhang I, insbesondere Punkt Q16 der genannten Richtlinie) - um einen gemeinsamen, die Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten bindenden Begriff, weshalb der österreichische Abfallbegriff richtlinienkonform auszulegen ist. Der EuGH hat weiters in seinem Urteil vom in der Rechtssache C-9/00 (Rechtssache Palin Granit Oy) zu diesem gemeinschaftsrechtlichen Abfallbegriff (unter Zitierung von Vorjudikatur) ausgesprochen, dass der Begriff "Abfall" nicht eng ausgelegt werden dürfe und die Frage, ob ein bestimmter Stoff Abfall sei, anhand sämtlicher Umstände zu beurteilen sei. Zwar gebe die zitierte Richtlinie kein maßgebliches Kriterium für die Ermittlung des Willens des Besitzers, sich eines bestimmten Stoffes oder Gegenstandes zu entledigen, vor, doch habe der EuGH in seiner Judikatur bestimmte Anhaltspunkte benannt, anhand derer sich der Wille des Besitzers auslegen lasse. Solche Anhaltspunkte bestünden z.B. darin, ob ein bestimmter Stoff ein Produktionsrückstand sei, das heißt ein Erzeugnis, das nicht als solches zum Zweck einer späteren Verwendung angestrebt worden sei, oder in welchem Grad die Wiederverwendung eines Stoffes ohne vorherige Bearbeitung wahrscheinlich sei (vgl. zum Ganzen etwa auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/07/0182, mwN).
Ferner ist nach der hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/07/0154, mwN) von einer Entledigung im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 dann zu sprechen, wenn die Weitergabe der Sache in erster Linie darauf abzielt, diese loszuwerden, und somit darin das überwiegende Motiv für die Weitergabe bzw. Weggabe der Sache gelegen ist.
Die von der belangten Behörde getroffene Beurteilung, dass mit dem Zusammentragen des Lawinenholzes in der Absicht, dieses zu verbrennen, und dem tatsächlichen Verbrennen, womit dieser Entledigungswille in die Tat umgesetzt wurde, der subjektive Abfallbegriff im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 verwirklicht wurde, begegnet keinen Bedenken.
Gemäß § 2 Abs. 6 Z 1 lit. b AWG 2002 ist "Abfallbesitzer" jede Person, welche die Abfälle innehat. Unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers, er habe "im Rahmen" seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes "die Flächen" von dem genannten Holz befreit, und es sei das Holz auf dem Grundstück der Gemeinde "gesammelt und verbrannt" worden, kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Beschwerdeführer Besitzer des sodann durch Verbrennung vernichteten Lawinenholzes gewesen ist. Wenn er in der Beschwerde weiters vorbringt, er habe zu keinem Zeitpunkt den Willen gehabt, diese Sachen zu verwahren, für sich zu behalten oder für sich zu verwenden, so ändert dies nichts an der Besitzausübung durch ihn, die sich im Sammeln und Zusammenschichten zwecks Verbrennung manifestiert hat. Dass diese Handlungen (jedenfalls teilweise) auf dem Grundstück der Gemeinde ausgeübt worden seien, ändert nichts an dieser Beurteilung. In diesem Zusammenhang ist auf die zur Abfall-Richtlinie ergangene Rechtsprechung des EuGH hinzuweisen, wonach diese Richtlinie eine weite Definition des "Besitzers" gibt (vgl. etwa das Urteil vom , C-1/03, Rechtssache Van de Walle, RN 55, 56) und "jeder Besitzer von Abfällen" verpflichtet ist, die Verwertung oder Beseitigung der Abfälle unter Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie sicherzustellen (vgl. etwa das Urteil vom , C-188/07, Rechtssache Commune de Mesquer, RN 70).
Mit dem Verbrennen des Holzes wurde somit der Besitz am Lawinenholz im Sinne der genannten Richtlinie und des AWG 2002 aufgegeben und der Entledigungswille betätigt.
Die Beschwerde vertritt weiters die Auffassung, dass das Lawinenholz "im unmittelbaren Rahmen und Bereich eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes" nach allgemeiner Verkehrsauffassung seiner bestimmungsgemäßen Verwendung zugeführt worden sei und daher eine zulässige Verwendung im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 2 AWG 2002 vorliege. Im gegenständlichen Fall handle es sich um einen mit dem "Schwenden" und anschließenden Verbrennen von Holzresten im Almenbereich vergleichbaren Sachverhalt, welche Pflegemaßnahmen ausdrücklich als erforderlich angesehen würden. Hätte man keine adäquate Möglichkeit der Entfernung von Lawinenholz mehr, so würde eine Verödung der landwirtschaftlichen Flächen eintreten. In einem (näher bezeichneten) Erlass der belangten Behörde vom sei die Zulässigkeit des punktuellen Verbrennens von Baum- und Strauchschnitt im Almbereich erklärt worden. Die belangte Behörde hätte daher feststellen müssen, dass die Gemeinde auf einer Seehöhe von 1366 m liege, die Vegetationsperiode meistens nur vier Monate dauere, nur kleine Mengen der Holzreste verbrannt worden seien und ein Freihalten der Flächen von Lawinenholz in derartigen Höhenlagen unbedingt erforderlich sei.
Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
So geht die Beschwerdeansicht, dass der vorliegende Sachverhalt unter § 2 Abs. 3 Z 2 AWG 2002 zu subsumieren sei, bereits deshalb fehl, weil § 2 Abs. 3 leg. cit. einen Ausnahmetatbestand in Bezug auf den objektiven Abfallbegriff im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 2 leg. cit. darstellt. Im Beschwerdefall ist jedoch - wie dargestellt - der subjektive Abfallbegriff im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 erfüllt.
Ob schließlich der in der Beschwerde genannte Erlass der belangten Behörde das punktuelle Verbrennen von Baum- und Strauchschnitt im Almbereich zulässt, ist bereits deshalb von hier nicht entscheidungswesentlicher Bedeutung, weil Erlässe oder Richtlinien, denen nicht der Charakter von Rechtsverordnungen zukommt, keine für den Verwaltungsgerichtshof verbindlichen Rechtsquellen darstellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/07/0121, mwN).
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am