VwGH vom 21.10.2015, 2012/13/0087
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 1/23 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1890-W/08, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2003 (mitbeteiligte Partei: C Privatstiftung in W, vertreten durch die Profundia Wirtschaftstreuhand GmbH in 1200 Wien, Treustraße 29), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die mitbeteiligte Privatstiftung (Begünstigter: A) hielt nach den Feststellungen der belangten Behörde ab März des Streitjahres 2003 die Hälfte der Anteile an einer Holding GmbH (im Folgenden: "Holding"), die Alleingesellschafterin einer GmbH war. Die andere Hälfte der Anteile an der Holding hielt eine zweite Privatstiftung (Begünstigter: R).
A und R waren Miteigentümer einer von ihnen an die GmbH vermieteten Liegenschaft, auf der die GmbH im Streitjahr Sanierungsarbeiten durchführte. In einem die GmbH betreffenden Prüfungsbericht und den Begründungen darauf beruhender Bescheide, mit denen das Finanzamt die beiden Privatstiftungen jeweils zur Haftung für Kapitalertragsteuer heranzog, wurde die Auffassung vertreten, im Zusammenhang mit den Sanierungsarbeiten sei es zu verdeckten Ausschüttungen der GmbH an die Holding und von dieser an die beiden Privatstiftungen gekommen, wobei tatsächliche Nutznießer die Liegenschaftseigentümer A und R gewesen seien.
Gegen diese Bescheide erhoben die Privatstiftungen Berufungen, wobei sie u.a. jeweils das Vorliegen verdeckter Ausschüttungen bestritten und dazu auf die Berufung der GmbH gegen die im Anschluss an die Prüfung ergangenen Bescheide u.a. über Körperschaft- und Umsatzsteuer für das Jahr 2003 verwiesen. Dieser Berufung der GmbH wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom in diesem Punkt nicht Folge gegeben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung der mitbeteiligten Privatstiftung gegen den Bescheid über Haftung für Kapitalertragsteuer Folge. Sie legte dazu dar, aus der Berufungsentscheidung vom gehe "zweifelsfrei hervor, dass es auf Ebene der GmbH - und nicht auf Ebene der beiden Privatstiftungen - zu einer verdeckten Ausschüttung" an A und R gekommen sei, "obwohl diese nicht Anteilsinhaber der GmbH waren". Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne die Zuwendung eines Vorteils an den Anteilsinhaber auch darin gelegen sein, dass ihm ("im konkreten Fall der Holding") nahestehende Personen ("im konkreten Fall" A und R) begünstigt würden. Die "primär wesentliche Tatsache", dass die verdeckte Ausschüttung "auf Ebene der GmbH - und nicht auf Ebene der Privatstiftungen - erfolgte", habe das Finanzamt "komplett ausgeblendet". Da die ausschüttende GmbH "und nicht die Privatstiftungen" Schuldnerin "der Kapitalerträge" gewesen sei, könne nach Ansicht der belangten Behörde keine Verpflichtung der mitbeteiligten Privatstiftung zum Abzug der Kapitalertragsteuer angenommen werden. Die "gedankliche Transformation der verdeckten Ausschüttungen auf die Ebene der Privatstiftungen" könne "nur durch eine Kette von tatsachenwidrigen Annahmen zustande gebracht werden". Nehme man eine "gedankliche Entflechtung der rechtlichen Konstrukte" vor, so ergebe sich, "dass eine verdeckte Ausschüttung der GmbH an die nahestehenden Personen" A und R erfolgt sei. Die "logische Konsequenz" könne nur sein, "dass derselbe Vorgang nicht gleichzeitig oder zusätzlich als Zuwendung der Privatstiftungen an die Empfänger der verdeckten Ausschüttungen beurteilt werden" könne. Die Zuwendungen an A und R seien "definitiv nicht durch die Privatstiftungen" erfolgt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Finanzamtes, der die mitbeteiligte Privatstiftung und - unter Vorlage der Verwaltungsakten - die belangte Behörde in Gegenschriften vom Oktober und November 2012 entgegengetreten sind.
Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung der zweiten Privatstiftung als unbegründet ab, wozu sie u. a. auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/13/0257, verwies. Die Beschwerde der davon betroffenen Privatstiftung ist zur Zl. 2013/13/0062 anhängig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des Finanzamtes erwogen:
Die belangte Behörde hat ausgehend von den Erwägungen in der die Umsatz- und Körperschaftsteuer der GmbH betreffenden, unangefochten gebliebenen Berufungsentscheidung eine verdeckte Ausschüttung der GmbH an deren Alleingesellschafterin (die Holding) angenommen, wobei der Vorteil (soweit es den Beschwerdefall betrifft) A als einer der Holding "nahestehenden Person" zugekommen sei. Dass der Vorgang mit Rücksicht darauf, dass A und R die Begünstigten der beiden Privatstiftungen waren, die die Anteile an der Holding hielten, auch eine Ausschüttung der Holding an deren Anteilsinhaber (die beiden Privatstiftungen) und (soweit es den Beschwerdefall betrifft) eine Zuwendung der mitbeteiligten Privatstiftung an A bedeuten könnte, schien der belangten Behörde in "logischer Konsequenz" nicht möglich.
Dieser Betrachtungsweise steht das schon erwähnte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/13/0257, entgegen, dessen Begründung zur sogenannten "durchgeleiteten" verdeckten Ausschüttung, auf die im Übrigen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, auszugsweise lautet:
"Wendet eine GmbH, die im Eigentum einer Privatstiftung steht, dem Begünstigten der Stiftung einen Vermögensvorteil zu, und liegt die wirtschaftliche Veranlassung hierfür nicht in gegenüber der GmbH erbrachten Leistungen, sondern in der Stellung des Zuwendungsempfängers als Begünstigtem der Stiftung, wird also das Vermögen der GmbH und damit der ihre Anteile haltenden Stiftung vermindert, während das Vermögen des Begünstigten eine Vermehrung erfährt, so liegt einerseits eine (verdeckte) Ausschüttung der GmbH an die Stiftung und andererseits eine (verdeckte) Zuwendung der Stiftung an den Begünstigten vor (vgl. in diesem Sinn zur sogenannten 'durchgeleiteten' verdeckten Ausschüttung das bereits zitierte Erkenntnis (vom , 2002/13/0022,) VwSlg. 8088/F). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Vorgang auf einer auf Vorteilsgewährung gerichteten Willensentscheidung der Stiftung beruht.
Die auf Vorteilsgewährung gerichtete Willensentscheidung kann sich schlüssig aus den Umständen des betreffenden Falles ergeben und liegt z.B. auch dann vor, wenn der Stiftungsvorstand - ausdrücklich oder schlüssig - mit einem Vorteil, den sich der Begünstigte ursprünglich ohne dessen Kenntnis zuwendet, in der Folge einverstanden ist."
Da die Gründe, aus denen die belangte Behörde der Berufung der mitbeteiligten Privatstiftung Folge gab, somit rechtlich nicht zutreffen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am