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VwGH vom 23.06.2008, 2008/05/0122

VwGH vom 23.06.2008, 2008/05/0122

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des Dr. S M in Wien, vertreten durch Mag. Robert Stadler, Rechtsanwalt in 4210 Gallneukirchen, Hauptstraße 47, gegen den Bescheid der Oö. Landesregierung vom , Zl. IKD(BauR)-013945/1-2008-Ba/Wel, betreffend die Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags in einer Bausache sowie die Zurückweisung einer Berufung wegen Verspätung (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Erhebung der Vorstellung gegen den Bescheid des Stadtsenats der Landeshauptstadt Linz vom gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG nicht stattgegeben, weiters wurde die besagte Vorstellung gemäß § 74 des Statuts für die Landeshauptstadt Linz 1992, LGBl. Nr. 7, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 1/2005, iVm § 32 Abs. 2 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Mit Bescheid vom habe die Baubehörde erster Instanz der Stadt Linz dem Beschwerdeführer als Gebäudeeigentümer auf die Bestimmungen in der §§ 47 und 48 Oö. BauO 1994 gestützte Bauaufträge erteilt. Dagegen habe dieser mit Schriftsatz vom Berufung erhoben.

Mit Bescheid vom habe der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz den Bescheid hinsichtlich des Vorschreibungspunktes 2) des Spruchabschnittes II abgeändert, im Übrigen sei der Bescheid vom bestätigt worden. In der Rechtsmittelbelehrung sei ausgeführt worden, dass das Recht bestehe, gegen diesen Bescheid innerhalb von zwei Wochen ab seiner Zustellung beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz das außerordentliche Rechtsmittel der Vorstellung einzubringen. Nach Ausweis der Verwaltungsakten sei dieser zweitinstanzliche Bescheid dem einschreitenden Rechtsanwalt nachweislich am zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom habe der Beschwerdeführer den beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz am eingegangenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung der Vorstellung gegen den Bescheid vom eingebracht. Dieser Antrag sei wie folgt begründet worden:

"Der Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz ... vom ist am in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Vorstellungswerbers eingelangt. Der Rechtsvertreter des Vorstellungswerbers hat die beiliegende Vorstellung vom verfasst und versandfertig hergestellt und wurde das postfertige Kuvert beinhaltend die Vorstellung zur Postaufgabe am auch zu den übrigen für die Postaufgabe am vorgesehenen Briefkuverts gelegt. Die Postaufgabe in der Kanzlei des Vorstellungswerbervertreters wird entweder auf Anweisung des Rechtsvertreters vom Kanzleipersonal oder von ihm persönlich, was sehr häufig der Fall ist, weil das Abgabepostamt in Gallneukirchen auf dem Weg desselben liegt, am Postamt in Gallneukirchen aufgegeben. So hat der Rechtsvertreter auch an diesem Tag die für die Postaufgabe vorgesehenen Kuverts in seine Aktentasche gegeben und die Post am am Postamt in Gallneukirchen aufgegeben. Am musste der Rechtsvertreter Mag. Robert Stadler feststellen, dass offenbar das Briefkuvert beinhaltend die Vorstellung im Zuge des Einräumens in seine Aktentasche offenbar in einen in der Tasche befindlichen Akt gerutscht sein dürfte und bei der Postaufgabe dadurch übersehen wurde. Derartiges ist in der Kanzlei des Rechtsvertreters noch nie vorgekommen, sondern wurde vielmehr genau darauf geachtet, dass sämtliche - insbesondere fristgebundene - Eingaben rechtzeitig zur Post gebracht werden, was auch am der Fall gewesen wäre, wäre nicht das Kuvert beinhaltend die Vorstellung offenbar aus einem Versehen in eine in der Aktentasche befindliche Aktenhülle gerutscht, wodurch sie vom Rechtsvertreter bei der Postaufgabe übersehen werden konnte. Erst im Zuge der Durchsicht des am in der Tasche befindlichen Aktes musste der Rechtsvertreter feststellen, dass sich in diesem Akt das postversandfertige Kuvert beinhaltend die Vorstellung befand. Zumal ansonsten peinlichst darauf geachtet wird, dass sämtliche Versandkuverts am selben Tag zur Post gegeben werden, handelt es sich beim vorliegenden offensichtlichen Missgeschick um einen Grad minderen Versehens und trifft den Rechtsvertreter kein darüber hinausgehendes Verschulden daran, dass die Vorstellung nicht rechtzeitig abgesandt wurde. Dieser Wiedereinsetzungsantrag ist rechtzeitig, weil innerhalb einer Frist von 14 Tagen ab Wegfall des Hindernisses einbracht."

Gleichzeitig mit diesem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei die mit datierte Vorstellung eingebracht worden.

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG könne nicht nur ein äußeres Ereignis, sondern auch ein Irrtum als "Ereignis" iSd § 71 Abs. 1 AVG angenommen werden. Es sei der dem Vertreter des Beschwerdeführers unterlaufene Irrtum aber weder als unvorhergesehenes Ereignis anzusehen, noch beruhe die Versäumung der Vorstellungsfrist auf einem lediglich minderen Grad des Versehens. Die erforderliche und auf jeden Fall zumutbare Sorgfalt hätte eine abschließende Kontrolle notwendig gemacht, um feststellen zu können, ob alle für den bestimmten Briefe auch tatsächlich der Post übergeben worden seien, um eben keine Briefsendung zu übersehen. Aus dem Wiedereinsetzungsantrag ergebe sich aber nicht, dass vor Übergabe der Briefsendung an die Post eine derartige Kontrolle stattgefunden hätte. Wäre eine derartige Kontrolle durchgeführt worden, so hätte auf jeden Fall auffallen müssen, dass das Briefkuvert - beinhaltend die in Rede stehende Vorstellung - gefehlt habe. Für die belangte Behörde wäre eine Kontrolle der Briefsendungen vor der Übergabe an die Post gerade deshalb erforderlich gewesen, weil sich unter den Briefsendungen am besagten Tag zumindest ein Brief befunden habe, dessen nicht rechtzeitige Aufgabe Rechtsfolgen ausgelöst habe. Unter diesen Umständen wäre daher eine besondere Aufmerksamkeit bzw. Sorgfalt geboten gewesen. Abgesehen davon hätte dem Wiedereinsetzungswerber auffallen müssen, dass ihm seitens der Post kein Aufgabeschein ausgehändigt worden sei, würden doch Briefsendungen, die an Fristen gebunden seien, in der Regel eingeschrieben aufgegeben (Gegenteiliges sei nicht behauptet worden). Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Vertreter des Beschwerdeführers erkennen müssen, dass am nicht alle Briefsendungen der Post übergeben worden seien. So gesehen sei das Außerachtlassen der bezeichneten Sorgfalt als ein den Grad des minderen Versehens überschreitendes Verschulden des Rechtsvertreters zu werten.

Angesichts der nach § 74 Abs. 2 erster Satz des Statuts für die Landeshauptstadt Linz 1992 gegebenen Vorstellungsfrist von zwei Wochen und der Bestimmung des § 32 Abs. 2 AVG war im vorliegenden Fall Mittwoch, der , der letztmögliche Termin, Vorstellung für den genannten vom Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz erlassenen Bescheid zu erheben. Da jedoch diese Vorstellung - wie aus dem Wiedereinsetzungsantrag hervorgehe - frühestens am zur Post gegeben worden sei, sei die genannte Vorstellung wegen Fristablauf als verspätet anzusehen. Im Hinblick auf die Nichtstattgebung des Wiedereinsetzungsantrages sei daher die gleichzeitig erhobene Vorstellung wegen Verspätung zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Vorweg ist festzuhalten, dass - insoweit stimmen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überein - die Frist zur Erhebung einer Vorstellung gegen den Bescheid des Stadtsenats der Landeshauptstadt Linz vom versäumt wurde, womit die wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages erfüllt ist (vgl. § 71 Abs. 1 AVG).

2. Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrendes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/18/0032, mwH).

3. Der nach dieser Rechtslage für berufliche rechtskundige Parteienvertreter - wie den Vertreter des Beschwerdeführers - gebotene strenge Sorgfaltsmaßstab hätte es erforderlich gemacht, dass sich dieser Parteienvertreter im Abgabepostamt in Gallneukirchen bei der Postaufgabe vergewissert, dass auch die von ihm zur Postaufgabe übernommene Vorstellung tatsächlich zur Post gegeben wurde. Dass dies erfolgt sei, wird vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Entgegen der Beschwerde wäre es für die Kontrolle am Postamt dazu ausreichend gewesen, die Anzahl der in seiner Kanzlei zur Postaufgabe übernommenen mit der Anzahl der tatsächlich zur Post gegebenen Briefsendungen zu vergleichen. Der Hinweis, der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers würde täglich zwischen fünf und 50 Briefsendungen absetzen und zur Post bringen, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern; vielmehr legt gerade eine größere Anzahl von zur Postaufgabe übernommenen auch (jedenfalls zum Teil) fristgebundenen Postsendungen nahe, dass nur mit einer Kontrolle im angegebenen Sinn sichergestellt werden kann, dass tatsächlich jeweils die vollständige Anzahl der Sendungen zur Post gegeben wird. Dem Einwand, die belangte Behörde hätte unter Verstoß gegen das Recht auf Parteiengehör ihre Beurteilung "auf Mutmaßungen über den Versand von Anwaltspost" gestützt, ist kein Erfolg beschieden, zumal sich die diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde auf die eingehende Darstellung des Sachverhalts im Wiedereinsetzungsantrag gründen lassen. Vor diesem Hintergrund kann die Meinung des Beschwerdeführers, bei dem von seinem Rechtsvertreter zur verantwortenden Aufmerksamkeitsfehler handle es sich um einen minderen Grad des Versehens, zumal ein derartiger Fehler seinem Rechtsvertreter noch nie unterlaufen sei, nicht geteilt werden.

4. Die Zurückweisung der verspäteten Berufung erfolgte nach dem Gesagten (vgl. oben Punkt 3) ebenfalls zu Recht.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich auch eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am