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VwGH vom 19.04.2018, Ra 2017/15/0073

VwGH vom 19.04.2018, Ra 2017/15/0073

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Dr. T B in B, vertreten durch die Rubatscher Steuerberatungs- und WirtschaftsprüfungsgesmbH in 6020 Innsbruck, Anichstraße 24, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/3100815/2016, betreffend Einkommensteuer 2014, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber war seit Mai 2012 Mitglied des Vorstands der R AG. Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts kam es auf Grund fortgesetzter Meinungsverschiedenheiten über die strategische Ausrichtung und Führung der AG zu einer vorzeitigen Auflösung des Vorstandsdienstvertrages. In der Vereinbarung vom wurde dem Revisionswerber für die vorzeitige Auflösung des Vorstandsdienstvertrages, der sonst bis gelaufen wäre, eine einmalige Entschädigung in Höhe von 700.000 EUR brutto zugesagt. Am ist der Revisionswerber endgültig aus dem Betrieb ausgeschieden. Die Entschädigung wurde von der AG nach der Bestimmung des § 67 Abs. 10 EStG 1988 als laufender Bezug abgerechnet und am ausbezahlt.

2 Das Finanzamt folgte im Einkommensteuerbescheid 2014 der Beurteilung der AG und besteuerte die Zahlung nach dem Tarif.

3 In seiner dagegen erhobenen Beschwerde beantragte der Revisionswerber, die "Abgangsentschädigung" nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 13/2014 begünstigt zu besteuern. Die Abrechnung als laufender Bezug gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 entspreche nicht der zum Zeitpunkt des Austritts geltenden Rechtslage. Nach der Rechtslage vor dem seien nach § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 Kündigungsentschädigungen sowie andere Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen, wobei ein Fünftel steuerfrei zu belassen wäre. Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 seien mit Wirkung zum Ablauf des die Worte "sowie andere Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume" in § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 gestrichen worden. Durch den Entfall der Spezialbestimmung sei die Entschädigung für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 idF des Abgabenänderungsgesetzes 2014 zu versteuern. Die mit dem Budgetbegleitgesetz 2014 beschlossene und am im Bundesgesetzblatt verlautbarte Änderung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 könne auf den Streitfall keine Anwendung finden.

4 Nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung führte der Revisionswerber in seinem Vorlageantrag ergänzend aus, für die "Abgangsentschädigung" sei charakteristisch, dass sie dafür gewährt werde, damit ein Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis ausscheide. Der Entfall der Spezialbestimmung des § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 bewirke daher zwangsläufig die Anwendbarkeit des § 67 Abs. 6 EStG 1988. Die Anwendbarkeit des § 67 Abs. 6 EStG 1988 idF des Abgabenänderungsgesetzes 2014 zwischen dem und dem bestätige auch der Gesetzgeber mit der im Budgetbegleitgesetz 2014 beschlossenen und am im Bundesgesetzblatt verlautbarten Änderung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 durch Aufnahme der Wortfolge "ausgenommen (...) Zahlungen für den Verzicht auf künftige Lohnzahlungszeiträume". Hätte der Gesetzgeber eine Anwendung der geänderten Bestimmung auf Sachverhalte ab dem gewollt, so hätte er diese, sofern es dem Gesetzgeber erlaubt sei, rückwirkend in Kraft gesetzt. Eine solche Rückwirkungsbestimmung fehle aber im Budgetbegleitgesetz 2014.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Der begünstigten Besteuerung gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 unterlägen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nur solche Bezüge, deren unmittelbare Ursache die Beendigung des Dienstverhältnisses sei (Hinweis u.a. auf , mit weiteren Nachweisen). Unter Bezügen iSd § 67 Abs. 6 EStG 1988 seien nur solche zu verstehen, die durch die Beendigung des Dienstverhältnisses ausgelöst werden bzw. mit der Auflösung in ursächlichem Zusammenhang stünden und für die Auflösung eines Dienstverhältnisses typisch seien (Hinweis auf ). Keine für die Beendigung eines Dienstverhältnisses typischen Lohnbestandteile seien Zahlungen für den Verzicht auf weitere Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume. Solche Zahlungen entsprächen nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt keiner freiwilligen Abfertigung iSd § 67 Abs. 6 EStG 1988, auch wenn ein Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses bestünde (Hinweis u. a. auf ).

6 Da die streitgegenständliche Entschädigung unstrittig für den Verzicht auf weitere Arbeitsleistungen des Revisionswerbers für künftige Lohnzahlungszeiträume gezahlt worden sei, entspreche die Entschädigung von ihrem wirtschaftlichen Gehalt her nicht einer freiwilligen Abfertigung iSd § 67 Abs. 6 EStG 1988. Nach schon angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begünstige § 67 Abs. 6 EStG 1988 grundsätzlich nur Zahlungen für in der Vergangenheit (vor Beendigung des Dienstverhältnisses) angehäufte Ansprüche. Der Tatbestand decke somit nur Entschädigungszahlungen für vergangenheitsbezogene Ansprüche ab, die über einen gewissen Zeitraum verteilt zu gewähren gewesen wären, tatsächlich aber nicht oder nicht in voller Höhe zur Auszahlung gelangt seien. Zahlungen für zukunftsbezogene Ansprüche, wie solche für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume, seien bei Auszahlungen bis zum ausschließlich nach dem Tatbestand des § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 22/2012 begünstigt. Die Begünstigung nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 13/2014 sei auf Zahlungen für solche Ansprüche nicht anwendbar, auch nicht subsidiär. Dies habe der Gesetzgeber im Budgetbegleitgesetz 2014, BGBl. I Nr. 40/2014, mit der Änderung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 klargestellt (Hinweis auf RV 53 BlgNR 25. GP 14).

7 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht zulässig, weil die Rechtsfrage, ob Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt freiwillige Abfertigungen iSd § 67 Abs. 6 EStG 1988 darstellen, durch die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ausreichend geklärt sei.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob die am vorgenommene gravierende Änderung im Wortlaut des § 67 Abs. 6 EStG 1988 nur deklaratorisch im Sinne einer Klarstellung oder konstitutiv wirke, worüber der Verwaltungsgerichtshof noch nicht entschieden habe.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die vorliegende Revision erweist sich im Hinblick auf die aufgeworfene Rechtsfrage als zulässig, jedoch als unbegründet.

11 § 67 Abs. 6 EStG 1988 in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 13/2014 lautete auszugsweise:

"Sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen, ausgenommen von BV-Kassen ausbezahlte Abfertigungen), sind nach Maßgabe folgender Bestimmungen mit dem Steuersatz von 6 % zu versteuern: (...)"

12 Mit dem Budgetbegleitgesetz 2014, BGBl. I Nr. 40/2014, wurde der erste Satz des § 67 Abs. 6 EStG 1988 wie folgt ergänzt:

"Sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen, ausgenommen von BV-Kassen ausbezahlte Abfertigungen und Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistung für künftige Lohnzahlungszeiträume), sind nach Maßgabe folgender Bestimmungen mit dem Steuersatz von 6 % zu versteuern:"

13 Die Änderung diente nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Klarstellung, dass Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für zukünftige Lohnzahlungszeiträume nicht dem § 67 Abs. 6 EStG 1988 zu subsumieren sind. Die mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 umgesetzten Änderungen sollten damit im Wortlaut verdeutlicht werden (vgl. RV 53 BlgNR 25. GP 14).

14 § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl. I Nr. 13/2014, lautet:

"Kündigungsentschädigungen sind gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen, höchstens jedoch ein Fünftel des Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG."

15 In der zuvor geltenden Fassung BGBl. I Nr. 142/2000 hatte § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 folgenden Wortlaut:

"Kündigungsentschädigungen sowie andere Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume sind gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen."

16 Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 13/2014, wurde die Begünstigung des § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 somit auf Kündigungsentschädigungen eingeschränkt. Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume sollten nicht mehr erfasst werden (vgl. RV 24 BlgNR 25. GP 9). Die Änderung ist auf Auszahlungen anzuwenden, die nach dem erfolgten (§ 124b Z 256 EStG 1988).

17 Gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 sind sonstige Bezüge, die nicht unter Abs. 1 bis 8 fallen, wie ein laufender Bezug zu besteuern.

18 Die Umschreibung der von der Begünstigungsbestimmung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 umfassten Lohnbestandteile mit "sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen", findet sich schon in der Stammfassung der Bestimmung, sodass zu dessen Auslegung auch auf Judikatur zurückgegriffen werden kann, die zu früheren Fassungen der Bestimmung ergangen ist.

19 Im Erkenntnis vom , 2000/13/0028, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass § 67 Abs. 6 EStG 1988 nicht Zahlungen erfasst, die geleistet werden, um den Dienstnehmer zur vorzeitigen Auflösung eines Dienstvertrages zu bewegen. Weiters wies der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass derartige Zahlungen unter die Bestimmung des § 67 Abs. 8 EStG 1988 fielen. Die Versteuerung habe nach § 67 Abs. 8 EStG 1988 (mit dem Belastungsprozentsatz) zu erfolgen, auch wenn ein Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses bestehe, wie dies bei Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume und Vergleichssummen in der Regel der Fall sein wird.

20 Der Revisionswerber bringt vor, § 67 Abs. 8 EStG 1988 sei für Auszahlungen, die nach dem erfolgt seien (somit auch für die revisionsgegenständliche Zahlung) infolge Änderung der Bestimmung mit BGBl. I Nr. 13/2014 nicht mehr anwendbar, womit "in allen Fällen seither bis zum Inkrafttreten der Neuregelung des § 67 Abs. 6 EStG durch das Budgetbegleitgesetz 2014 auch ‚Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume' nach § 67 Abs. 6 EStG begünstigt" seien.

21 Dieser Ansicht wäre dann zuzustimmen, wenn Zahlungen, die geleistet werden, um den Dienstnehmer zur vorzeitigen Auflösung seines Dienstverhältnissen zu bewegen, nach der bis zum Abgabenänderungsgesetz 2014 erfolgten Änderung des § 67 Abs. 8 EStG 1988 sowohl dem § 67 Abs. 6 als auch dem § 67 Abs. 8 zu subsumieren gewesen wären, Abs. 8 aber als lex specialis der Besteuerung nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 vorgegangen wäre, sodass mit dem Wegfall der Spezialbestimmung des Abs. 8 eine Besteuerung nach Abs. 6 zu erfolgen hätte. Der angeführten Vorjudikatur liegt ein derartiges Verständnis des Verhältnisses der beiden Bestimmungen zu einander jedoch nicht zu Grunde. Der Verwaltungsgerichtshof hat vielmehr unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass Zahlungen, die geleistet werden, um den Dienstnehmer zur vorzeitigen Auflösung eines Dienstvertrages zu bewegen, nicht dem § 67 Abs. 6 EStG 1988 zu subsumieren sind. Dass die Regelung des § 67 Abs. 8 EStG die sonst nach Abs. 6 vorzunehmende Besteuerung verdränge, kann auch dem vom Revisionswerber angeführten - noch zum EStG 1972 ergangenen - Erkenntnis vom , 90/14/0053, nicht entnommen werden.

22 Für die Abgrenzung zwischen Abs. 6 und Abs. 8 lit. b leg. cit. ist wesentlich, ob die Zahlung - nach ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt - mit der Absicht ausverhandelt bzw. angeboten worden ist, eine friktionsfreie vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses erst herbeizuführen; von ausschlaggebender Bedeutung sind die Hintergründe der Vertragsauflösung und die Motive, die zur Zahlung führen. Von sonstigen Bezügen iSd § 67 Abs. 6 EStG 1988 kann nicht gesprochen werden, wenn eine Zahlung geleistet wird, um den Dienstnehmer zur vorzeitigen Auflösung eines Dienstvertrages zu bewegen (vgl. mit Hinweisen auf die Rechtsprechung Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19, § 67 Tz 122).

23 Der Wegfall der Begünstigung für Verzichtszahlungen mit dem AbgÄG 2014 ändert nichts daran, dass derartige Zahlungen (auch wenn sie in Zusammenhang mit der Beendigung eines Dienstverhältnisses stehen) schon nach der Rechtslage vor dem Budgetbegleitgesetz 2014 nicht dem § 67 Abs. 6 EStG 1988 zu subsumieren waren. Die mit dem Budgetbegleitgesetz 2014 in § 67 Abs. 6 EStG 1988 durch Ergänzung der Wortfolge "(ausgenommen ...) und Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistung für künftige Lohnzahlungszeiträume" beabsichtigte "Klarstellung" bewirkte - anders als der Revision zu Grunde liegt - keine Änderung des normativen Gehaltes des § 67 Abs. 6 EStG 1988.

24 Da schon der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die vom Revisionswerber behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017150073.L00

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