VwGH vom 24.11.2005, 2005/07/0120
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde des Bundes, vertreten durch das Zollamt Wien, 1030 Wien, Schnirchgasse 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. RU4-B-110/001-2005, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Feststellung nach § 10 des Altlastensanierungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: G-AG in H, vertreten durch Onz Onz Krämmer Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Schriftsatz vom stellte das Zollamt K bei der Bezirkshauptmannschaft P (BH) einen Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 10 des Altlastensanierungsgesetzes (ALSAG). Beantragt wurde die Feststellung, ob Material, das die mitbeteiligte Partei in einer von ihr betriebenen Deponie abgelagert hat, Abfall ist, ob es dem Altlastenbeitrag unterliegt und welche Abfallkategorie vorliegt.
Mit Bescheid vom wies die BH den Feststellungsantrag des Zollamtes K als unzulässig zurück.
Begründet wurde diese Entscheidung damit, ein Antrag nach § 10 Abs. 1 ALSAG stehe ausdrücklich nur dem in Betracht kommenden Beitragsschuldner oder dem Hauptzollamt des Bundes zu. Auf Grund der §§ 14 und 17a des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes und der Wirtschaftsraum-Zollämter-Verordnung stehe eindeutig fest, dass die Erhebung des Altlastenbeitrages im örtlichen Wirkungsbereich der BH eine Aufgabe des Zollamtes K sei. Davor sei das Hauptzollamt Wien zuständig gewesen.
Die Antragslegitimation nach § 10 Abs. 1 ALSAG zähle jedoch nicht zur Erhebung des Altlastenbeitrages. Diese stehe nur dem Hauptzollamt zu.
Das Zollamt K berief. Es vertrat die Auffassung, durch § 17a Abs. 3 des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes sei seit an die Stelle der Zuständigkeit des Hauptzollamtes Wien zur Erhebung des Altlastenbeitrages die Zuständigkeit des Zollamtes K als Zollamt mit allgemeinem Aufgabenkreis getreten. Da der Begriff "Hauptzollamt" im ALSAG nicht an diese Gesetzesänderung angepasst worden sei, sei er nach dem klaren Willen des Gesetzgebers im Sinne des nunmehr geltenden Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes zu interpretieren, woraus sich die Parteistellung des Zollamtes K im Sinne des § 10 ALSAG ergebe.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
In der Begründung heißt es, der Verwaltungsgerichtshof habe in mehreren Erkenntnissen (z.B. , 2003/09/0010;
, 2004/04/0036; , 2000/03/0211;
, 2002/02/0281) festgestellt, dass Zuständigkeitsbestimmungen in Materiengesetzen nicht disponibel seien bzw. nicht interpretativ verändert werden dürften. Es sei daher davon auszugehen, dass nach § 10 ALSAG ausschließlich jene antragsberechtigt seien, die in der derzeit geltenden Fassung des ALSAG genannt seien, nämlich der Beitragsschuldner oder das Hauptzollamt des Bundes.
Die Tatsache, dass im § 17a Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz im Abs. 3 bestimmt werde, dass an die Stelle der Zuständigkeiten des Hauptzollamtes oder der Zollämter die im § 14 des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes definierten Zollämter treten, könne nicht als Derogation des § 10 ALSAG angesehen werden, sondern könne sich in diesem Zusammenhang nur auf die Abgabenverwaltungsorganisation beziehen.
Es sei daher der Schluss zu ziehen, dass die Zollämter nunmehr nur im Wesentlichen die früheren abgabenbehördlichen Zuständigkeiten der Hauptzollämter übertragen erhalten hätten, woraus jedenfalls nicht abgeleitet werden könne, dass ihnen auch die Antragslegitimation nach § 10 ALSAG zukomme.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die beschwerdeführende Partei vertritt die Auffassung, die Zollämter seien an die Stelle der Hauptzollämter getreten und hätten auch deren Befugnis, gemäß § 10 Abs. 1 ALSAG einen Feststellungsantrag einzubringen.
Anstelle der belangten Behörde ist der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in das Verfahren eingetreten, hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 10 Abs. 1 und 3 ALSAG lauten:
"Feststellungsbescheid
§ 10. (1) Die Behörde (§ 21) hat in begründeten Zweifelsfällen auf Antrag des in Betracht kommenden Beitragsschuldners oder des Hauptzollamtes des Bundes durch Bescheid festzustellen,
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. | ob eine Sache Abfall ist, | |||||||||
2. | ob ein Abfall dem Altlastenbeitrag unterliegt, | |||||||||
3. | welche Abfallkategorie gemäß § 6 Abs. 1 oder welcher Deponietyp gemäß § 6 Abs. 4 vorliegt, | |||||||||
4. ob die Voraussetzungen vorliegen, die Zuschläge gemäß § 6 Abs. 2 oder 3 nicht anzuwenden. | ||||||||||
.......... |
(3) Dem Bund, vertreten durch das Hauptzollamt, wird das Recht eingeräumt, Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Hauptzollämter gibt es seit dem Inkrafttreten des Abgabenänderungsgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 124, nicht mehr.
Durch Art. XV des Abgabenänderungsgesetzes 2003 (Änderung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes) wurde die Zollverwaltung neu organisiert.
§ 17a Abs. 3 AVOG in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2003 lautet:
"(3) An die Stelle der Zuständigkeiten des Hauptzollamtes oder der Hauptzollämter (§ 14 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 124/2003) treten die in § 14 dieses Bundesgesetzes definierten Zollämter."
Der in dieser Bestimmung erwähnte § 14 AVOG lautet auszugsweise:
"Zollämter
§ 14. (1) Den Zollämtern mit allgemeinem Aufgabenkreis obliegt für ihren Amtsbereich unbeschadet der Zuständigkeit anderer Behörden und der den Zollämtern durch sonstige Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben
1. die Vollziehung des Zollrechts (§§ 1 und 2 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes - ZollR-DG),
Tabelle in neuem Fenster öffnen
2. | die Erhebung der Verbrauchsteuern, | |||||||||
3. | die Vollziehung der Monopolvorschriften, ausgenommen das Glücksspielmonopol, | |||||||||
4. | die Erhebung des Altlastenbeitrages, | |||||||||
5. | die Vollziehung der mit dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz zugewiesenen Aufgaben. | |||||||||
....... |
(3) Der Bundesminister für Finanzen hat mit Verordnung den Sitz (die Sitze) und Amtsbereich der Zollämter mit allgemeinem Aufgabenkreis in organisatorisch zweckmäßiger, einer einfachen und kostensparenden Vollziehung, wie auch den Bedürfnissen einer bürgernahen Verwaltung dienenden Weise nach regionalen Gesichtspunkten festzulegen. Zweckmäßige Regionalisierungen sind anzustreben. Eine darüber hinausgehende Zentralisierung ist zu vermeiden. Die Ortsgemeinden Jungholz (Tirol) und Mittelberg (Vorarlberg) sind in Angelegenheiten des Abs. 1 Z 1 bis Z 3 vom Aufgabenkreis der Zollämter ausgenommen. Zur Vereinfachung des Verfahrens können in dieser Verordnung die Zuständigkeiten zur buchmäßigen Erfassung, Mitteilung und Einhebung der Abgaben und Nebenansprüche, zur Erhebung der Verbrauchsteuern sowie zur Durchführung von Erstattungen in der Ausfuhr, zur Vollziehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes und Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes, ganz oder teilweise von den örtlich im Einzelfall zuständigen Zollämtern auf andere Zollämter übertragen, wenn dies im Interesse der Kosteneinsparung, des Einsatzes technischer Hilfsmittel oder der raschen Durchführung des Verfahrens zweckdienlich ist. Alle übrigen Zuständigkeiten, die den örtlich im Einzelfall zuständigen Zollämtern zukommen, werden hiedurch nicht berührt."
Durch § 17a Abs. 3 AVOG wurden alle Angelegenheiten, für die bis zum Inkrafttreten des Abgabenänderungsgesetzes 2003 die Hauptzollämter zuständig waren, den Zollämtern übertragen. Zu den bis zum Inkrafttreten des Abgabenänderungsgesetzes den Hauptzollämtern zukommenden Zuständigkeiten zählen auch jene nach § 10 ALSAG. Auch diese gingen daher auf Grund des § 17a Abs. 3 AVOG auf die Zollämter über.
Dass der Gesetzgeber mit § 17a Abs. 3 AVOG eine umfassende Zuständigkeitsübertragung von den Hauptzollämtern auf die Zollämter verfügen wollte, ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien. So heißt es in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2003 (238 Blg. NR. XXII. GP) zu § 17a Abs. 3 AVOG:
"Diese Generalbestimmungen wurden insbesondere aus verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten gewählt, um nicht eine Vielzahl an Materiengesetzen einzeln novellieren zu müssen."
Dass die Antragstellung nach § 10 Abs. 1 ALSAG im § 14 AVOG nicht ausdrücklich erwähnt ist, ändert daran nichts. Die im § 14 Abs. 1 Z. 1 bis 5 leg. cit. genannten Angelegenheiten stellen keine abschließende Aufzählung der Aufgaben der Zollämter dar. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem Einleitungssatz des § 14 Abs. 1 AVOG, der auf die den Zollämtern durch sonstige Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben verweist. Zu diesen durch sonstige Rechtsvorschriften den Zollämtern übertragenen Aufgaben gehört auch die Antragstellung nach § 10 Abs. 1 ALSAG, da diese durch § 17a Abs. 3 AVOG vom Hauptzollamt zum Zollamt transferiert wurde.
Die Zuständigkeit der einzelnen Zollämter ergibt sich aus der Wirtschaftsraum-Zollämter-Verordnung, BGBl. II Nr. 121/2004. Diese sieht im § 2 Abs. 1 die Errichtung des Zollamtes Wien für das Bundesland Wien sowie des Zollamtes K in K u.a. für den Bezirk P vor.
§ 4 der Wirtschaftsraum-Zollämter-Verordnung überträgt die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 10 Abs. 3 ALSAG für die Zollämter mit örtlichen Bereichen in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Wien dem Zollamt Wien.
Auf Grund der letztgenannten Bestimmung ergibt sich auch die Befugnis des Zollamtes Wien zur Erhebung der vorliegenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerde.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am