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VwGH vom 23.07.2009, 2008/05/0086

VwGH vom 23.07.2009, 2008/05/0086

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des J B in Ennsdorf, vertreten durch Dr. Johannes Hochleitner, Dr. Christian Ransmayr, Mag. Christian Kieberger und Mag. Roland Schwab, Rechtsanwälte in 4320 Perg, Linzerstraße 14, gegen den Bescheid der Niederösterreichische Landesregierung vom , Zl. RU1-SL-28/020-2008, betreffend Parteistellung in einem straßenrechtlichen Bewilligungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Land Niederösterreich Straßenbauabteilung 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde, des angefochtenen Bescheides und weiterer von der belangten Behörde vorgelegter Unterlagen, darunter einem Grundbuchsauszug und einem "Übergabsvertrag", ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Übergabsvertrag vom übereigneten der Beschwerdeführer und seine Ehefrau ihrem Sohn unter anderem nachstehende Liegenschaft: "EZ. 65 Grundbuch 03109 Ennsdorf, bestehend u.a. aus den Grundstücken 436/1, 791, 792, 793, 805, 806, 807, 880/2, 884/ 2, 903, 905, 922, 939, 945, 966/1, 966/2, 977, 981, 984/1, 992, 993 mit GST-Adresse Dorfstraße 26, 1053, 1071, 1241, 1307, 1314, 1319, 1328".

Unter Punkt III. "Gegenleistung" dieses Vertrages wird Nachstehendes vereinbart:

"1. Der Übernehmer räumt für sich und seine Rechtsnachfolger den Übergebern das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnungsrecht an den im Erdgeschoss gelegenen zwei Zimmern im Haus 4432 Ennsdorf, Dorfstraße 26, EZ. 65 Grundbuch 03109 Ennsdorf, ein. Damit verbunden ist das Mitbenützungsrecht an sämtlichen übrigen Räumlichkeiten im selben Haus. ...

2. Der Übernehmer verpflichtet sich, für den Fall der Erkrankung der Übergeber oder für den Fall, dass sich die Übergeber zufolge ihres Alters nicht mehr alle (gemeint offenbar: allein) erhalten können, diese zu pflegen und zu betreuen und die für eine solche Pflege und Betreuung über die Leistungen der Krankenversicherung und der Pensionsversicherung hinausgehenden Aufwendungen, wie Arztkosten, Krankenhauskosten oder Altenheim, aus eigenem zu erbringen. Zu dieser Betreuung gehören insbesondere auch die erforderlichen Botengänge und Verständigungen von Arzt und Behörden. ...

5. Der Übernehmer räumt den Übergebern das Veräußerungs- und Belastungsverbot gemäß § 364c ABGB auf deren Lebzeit hinsichtlich aller Übergabsliegenschaften hiermit ein."

Diese zu Gunsten des Beschwerdeführers eingeräumten Rechte wurden in der Liegenschaft EZ. 65, KG Ennsdorf, wie folgt verbüchert: die Dienstbarkeit der Wohnung und des Gebrauches gemäß Punkt III des Übergabsvertrages (C-LNr. 8a), die Reallast des Ausgedinges gemäß Punkt III des Übergabsvertrages (C-LNr. 9a) und das Veräußerungs- und Belastungsverbot gemäß Punkt III des Übergabsvertrages (C-LNr. 10a).

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom wurde dem Land Niederösterreich die straßenbaurechtliche Bewilligung gemäß § 12 NÖ Straßengesetz 1999 für die Errichtung der Umfahrungsstraße Umfahrung Pyburg-Windpassing erteilt. Die Trasse dieser Umfahrung verläuft (unter anderem) über die Grundstücke Nr. 805, 806, 807, 880/2, 881/2, 882/2, 883/2, 884/2, 1070 und 1071/1, sämtliche inneliegend der Liegenschaft EZ. 65, KG Ennsdorf.

Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten die Zustellung des im straßenrechtlichen Bewilligungsverfahren zuletzt ergangenen Sachentscheidungsbescheides. Begründend führte er aus, er sei als Partei iSd § 12 Abs. 3 Z 1 NÖ StraßenG übergangen worden.

Dieser Antrag des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer könne lediglich Partei iSd § 13 Abs. 1 Z 2 des NÖ Straßengesetzes 1999 sein, da nur in dieser Bestimmung dinglich Berechtigten Parteistellung im Straßenbewilligungsverfahren eingeräumt werde. Unter "Grundstück" iSd § 13 Abs. 1 leg. cit. sei jedes einzelne Grundstück und nicht alle für einen Eigentümer unter einer EZ zusammengefassten Grundstücke (Liegenschaft) zu verstehen. Es ergebe sich aus dem Grundbuch im Zusammenhang mit dem Übergabsvertrag, dass dem Beschwerdeführer lediglich ein lebenslängliches und unentgeltliche Wohnrecht an den im Erdgeschoss gelegenen zwei Zimmern im Haus 4432 Ennsdorf, Dorfstraße 26, EZ. 65, samt Mitbenützungsrecht an sämtlichen übrigen Räumlichkeiten im selben Haus und ein Mitbenützungsrecht an der Garage für seinen PKW eingeräumt sei. Das Haus Dorfstraße 26 befinde sich auf dem Grundstück Nr. 993, EZ. 65, KG Ennsdorf. Die Trasse der bewilligten Straße sei nicht über dieses Grundstück projektiert. Daher sei dieses Grundstück kein Grundstück iSd § 13 Abs. 1 Z 2 NÖ Straßengesetz 1999, auf dem die Baumaßnahme durchgeführt werden solle. Daher sei der Beschwerdeführer hinsichtlich dieser dinglichen Rechte auch nicht Partei gemäß der genannten Bestimmung. Ein behaupteter Fruchtgenuss zu Gunsten des Beschwerdeführers sei aus dem Grundbuch nicht ersichtlich und auch den Angaben des Beschwerdeführers zufolge nicht eingetragen, daher lasse sich auch daraus keine Parteistellung des Beschwerdeführers ableiten.

In seiner dagegen beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er erachtet sich in seinem "Recht auf Zuerkennung der Parteistellung, insbesondere nach § 13 NÖ StraßenG 1999 in einem straßenrechtlichen Bewilligungsverfahren nach § 12 NÖ StraßenG" verletzt. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid durchaus erkannt, dass der Beschwerdeführer als "dinglich Berechtigter" Parteistellung haben könnte. Dies werde jedoch mit der Begründung verneint, dass sich das intabulierte Wohnrecht lediglich auf eine bestimmte Räumlichkeit beziehe, die selbst vom Straßenbauvorhaben nicht betroffen sei. Unabhängig davon übersehe die belangte Behörde jedoch, dass die intabulierte Reallast des Ausgedinges an der gesamten Liegenschaft EZ. 65, KG Ennsdorf, begründet und daher die gesamte Liegenschaft zum Sachhaftungsobjekt bestellt sei. Ebenso verhielte es sich auch mit dem Veräußerungs- und Belastungsverbot. Wer "dinglich Berechtigter" sei, bestimme sich nach dem Zivilrecht und sei als Vorfrage gemäß § 38 AVG zu beurteilen gewesen. Die belangte Behörde sei durch die falsche Interpretation des Grundbuchsauszuges zu einem falschen Ergebnis gekommen. Bei rechtsrichtiger Beurteilung hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem Beschwerdeführer Parteistellung nach § 12 NÖ Straßengesetz 1999 einzuräumen gewesen wäre. Mit den dinglichen Berechtigungen Ausgedinge und Veräußerungs- und Belastungsverbot habe sich die belangte Behörde gar nicht auseinander gesetzt. Auch bezüglich des Wohnrechts liege die belangte Behörde falsch, wenn sie meine, dieses erstrecke sich nur auf die beiden im Übergabsvertrag genannten Wohnräume des Hauses, sondern es sei auch hier von der gesamten Liegenschaft als Sachhaftungsobjekt auszugehen.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Von der belangten Behörde wurde eine Mappe vorgelegt, jedoch trotz erneuter Aufforderung, nicht sämtliche Akten des Verwaltungsverfahrens (insbesondere nicht der straßenrechtliche Bewilligungsbescheid).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer vermeint, "dinglich Berechtigter der Grundstücke, auf denen die Baumaßnahmen durchgeführt werden sollen" gemäß § 13 Abs. 1 Z 2 NÖ Straßengesetz 1999 zu sein, da zu seinen Gunsten im Grundbuch die "Dienstbarkeit der Wohnung und des Gebrauches", der "Reallast des Ausgedinges" und ein Veräußerungs- und Belastungsverbot eingetragen sind.

Die belangte Behörde verneint seine Parteistellung mit dem Hinweis, die Dienstbarkeit des Wohnens und des Gebrauches sowie die Reallast des Ausgedinges würden sich lediglich auf das Grundstück Nr. 993 beziehen, auf dem allerdings keine Baumaßnahmen durchgeführt würden.

Die relevanten Bestimmungen des NÖ Straßengesetzes 1999 (in der Folge: StrG) lauten:

"§ 12

Bewilligungsverfahren

(1) Für den Bau und die Umgestaltung einer Straße nach den §§ 5 und 6 ist eine Bewilligung der Behörde erforderlich.

Umgestaltungen von Straßen,

bei denen keine Rechte von Parteien nach § 13 Abs. 1 Z. 2 bis 5 berührt werden oder

denen von diesen Parteien nachweisbar zugestimmt wurde, bedürfen keiner Bewilligung.

(2) Dem Antrag um Bewilligung sind Planunterlagen anzuschließen, die alle Angaben zu enthalten haben, die für die Beurteilung des Vorhabens notwendig sind.

...

(3) Die Behörde hat vor Erteilung der Bewilligung eine mündliche Verhandlung abzuhalten, in deren Verlauf ein Augenschein an Ort und Stelle (Trassenbegehung) vorzunehmen ist.

Zur Verhandlung sind zu laden:

1. die Parteien nach § 13 Abs. 1,

...

§ 13

Parteien

(1) Im Bewilligungsverfahren nach § 12 haben Parteistellung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
der Antragsteller (Straßenerhalter),
2.
die Eigentümer und sonstige dinglich Berechtigte der Grundstücke, auf denen die Baumaßnahmen durchgeführt werden sollen,
3. die Eigentümer der Grundstücke, die an die für den geplanten Straßenbau beanspruchten Flächen angrenzen (Nachbarn),
4. die Straßenerhalter von Verkehrsflächen, die an die geplante Straße angeschlossen werden sollen,
5. die Mitglieder einer Beitragsgemeinschaft (§ 17 Abs. 1).
..."
Hinsichtlich des Wohnungsrechts wird im Übergabsvertrag das "lebenslängliche und unentgeltliche Wohnungsrecht an den im Erdgeschoss gelegenen zwei Zimmern im Haus 4432 Ennsdorf, Dorfstraße 26, EZ. 65 Grundbuch 03109 Ennsdorf" eingeräumt. Damit verbunden ist auch "das Mitbenützungsrecht an sämtlichen übrigen Räumlichkeiten im selben Haus".
Zutreffend geht die belangte Behörde davon aus, dass es sich bei dem dem Beschwerdeführer eingeräumten Wohnungsrecht um ein dingliches Recht handelt, das nicht auf der gesamten Liegenschaft, sondern nur auf dem Grundstück Nr. 933 der Liegenschaft EZ. 65, KG Ennsdorf, eingeräumt wurde.
Entscheidungswesentlich ist aber das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei auf Grund der zu seinen Gunsten im Grundbuch eingetragenen Reallast des Ausgedinges "dinglich Berechtigter" im Sinn des § 13 Abs. 1 Z 2 NÖ StrG.
§ 308 ABGB zählt zu den "dinglichen Sachenrechten" das Recht des Besitzes, des Eigentums, des Pfandrechtes, der Dienstbarkeit und des Erbrechtes. Diese Aufzählung wird in der zivilrechtlichen Literatur und Rechtsprechung einerseits als nicht ganz zutreffend und andererseits als unvollständig beurteilt. Als dingliches Sachenrecht im Sinne des § 308 ABGB werden jedenfalls auch die Reallastberechtigungen angesehen. Unter einer Reallast wird die "dinglich wirkende" Belastung eines Grundstückes mit einer Haftung für bestimmte, in der Regel wiederkehrende Leistungen des jeweiligen Grundeigentümers verstanden. Ihre Verbücherungsfähigkeit im Grundbuch ergibt sich aus § 12 Grundbuchsgesetz (vgl. dazu Koziol-Welser , Bürgerliches Recht13, I (2006), Seiten 240 und 433).
Eine Mischform zwischen bloßen Forderungsrechten, persönlichen Dienstbarkeiten und Reallasten stellt die Reallast des "Ausgedinges" dar. Dabei handelt es sich um die dingliche Verpflichtung zu Natural-, Geld- und Arbeitsleistungen, um den Unterhalt und die Wohnbedürfnisse des Übergebers eines in der Regel landwirtschaftlichen Betriebes zu sichern. Das Ausgedinge belastet - wie jede Reallast - den ganzen Grundbuchskörper (Einlagezahl; vgl. Marent/Preisl , Grundbuchsrecht,
3. Auflage, Rz 9 zu § 9 Grundbuchsgesetz, Seite 28).
Ist daher der Beschwerdeführer Reallastberechtigter der Liegenschaft EZ. 65, Grundbuch Ennsdorf, im Sinne der dargestellten Rechtslage, so hat er im Bewilligungsverfahren nach § 12 StrG als dinglich Berichtiger gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. Parteistellung, wenn auf Grundstücken dieser Liegenschaft projektsgemäß Baumaßnahmen durchgeführt werden sollen.
Im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde nicht mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit dem Beschwerdeführer ob der zu seinen Gunsten im Grundbuch eingetragenen Reallast des Ausgedinges Parteistellung als "dinglich Berechtigtem" im Sinne des § 13 Abs. 1 Z 2 StrG zuzuerkennen ist. Für die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, die Reallast des Ausgedinges sei nur für das Grundstück Nr. 993 eingeräumt, findet sich weder im Grundbuchsauszug noch im Übergabsvertrag ein Hinweis und diese Annahme wird auch nicht näher begründet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Das Kostenmehrbegehren des Beschwerdeführers war abzuweisen, weil in dem pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
Wien, am