VwGH vom 20.05.2020, Ra 2017/13/0072

VwGH vom 20.05.2020, Ra 2017/13/0072

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des W in W, vertreten durch die Prof. Dr. Thomas Keppert Wirtschaftsprüfung GmbH & Co KG in 1060 Wien, Theobaldgasse 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7101082/2013, betreffend Aufhebung eines Bescheids gemäß § 299 BAO und Zurückweisung von Anträgen auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 1999 gemäß § 295 Abs. 4 BAO sowie Wiederaufnahme des diesbezüglichen Verfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Der Revisionswerber war im Jahr 1999 u.a. an mehreren Kommanditgesellschaften beteiligt.

2Am erließ das Finanzamt für den Revisionswerber einen gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten vorläufigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999.

3Aufgrund einer - als neuer Grundlagenbescheid (für eine Kommanditgesellschaft, an der der Revisionswerber beteiligt war) intendierten - Enunziation erließ das Finanzamt am einen neuen gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten vorläufigen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999.

4Das gegen die als neuer Grundlagenbescheid intendierte Enunziation eingebrachte Rechtsmittel wies der unabhängige Finanzsenat mit Bescheid vom zurück, weil es sich bei dieser Erledigung um einen Nichtbescheid handle.

5Mit Eingabe vom (ergänzt durch Eingaben vom und ) beantragte der Revisionswerber die Aufhebung des vorläufigen Einkommensteuerbescheids vom gemäß § 295 Abs. 4 BAO sowie - in eventu - die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO, da der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999 auf einem Nichtbescheid beruhe und dies (auch) eine neu hervorgekommene Tatsache sei.

6Mit Bescheid vom hob das Finanzamt in Entsprechung des Antrags des Revisionswerbers den Einkommensteuerbescheid vom gemäß § 295 Abs. 4 BAO auf.

7Mit Bescheid vom hob das Finanzamt den Bescheid vom gemäß § 299 Abs. 1 BAO mit der Begründung auf, dass mit Ablauf des Jahres 2009 die absolute Bemessungsverjährung eingetreten sei und dem Antrag auf Aufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO daher nicht hätte stattgegeben werden dürfen.

8Mit einem weiteren Bescheid vom wies das Finanzamt die Anträge des Revisionswerbers vom (ergänzt durch die Eingaben vom19. Dezember 2012 und ) auf Aufhebung des vorläufigen Einkommensteuerbescheids für 1999 vom gemäß § 295 Abs. 4 BAO sowie auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO zurück, weil die Anträge nicht fristgerecht gestellt worden seien.

9Die gegen die beiden Bescheide vom erhobenen Berufungen (nunmehr Beschwerden) wies das Bundesfinanzgericht mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis vom ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

10In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht - soweit hier wesentlich - aus, die Anträge des Revisionswerbers vom auf Bescheidaufhebung gemäß § 295 Abs. 4 BAO und auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO seien nicht fristgerecht erfolgt und vom Finanzamt zu Recht zurückgewiesen worden. Nach § 295 Abs. 4 BAO sei ein Antrag auf Bescheidaufhebung vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist zu stellen. Die Frist des § 304 lit. a BAO sei durch die absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren gemäß § 209 Abs. 3 BAO begrenzt, wobei diese Frist mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung erfolgt sei, zu laufen begonnen habe. Aber auch die Frist des § 304 lit. b BAO sei im Zeitpunkt der Antragstellung am bereits abgelaufen gewesen. Der das Einkommensteuerverfahren für das Jahr 1999 abschließende Bescheid sei bereits am ergangen. Die Anträge auf Bescheidaufhebung nach § 295 Abs. 4 BAO sowie auf Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO seien somit mehr als fünf Jahre nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheids und damit nach Ablauf der Frist des § 304 lit. b BAO gestellt worden.

11Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - wie sich aus dem Weiteren ergibt: zulässige - Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde sowie einer Replik des Revisionswerbers erwogen hat:

12Mit Erkenntnis vom , G 159/2019-13, G 226/2019-11, G 248/2019-8, sprach der Verfassungsgerichtshof u.a. aufgrund eines aus Anlass des vorliegenden Falls gestellten Antrags des Verwaltungsgerichtshofes (protokolliert zu G 226/2019) aus, dass der Satz „Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist zu stellen.“ in § 295 Abs. 4 BAO des Bundesgesetzes über allgemeine Bestimmungen und das Verfahren für die von den Abgabenbehörden des Bundes, der Länder und Gemeinden verwalteten Abgaben (Bundesabgabenordnung - BAO), BGBl. Nr. 194/1961 idF BGBl. I Nr. 76/2011, verfassungswidrig war.

13Da es sich im vorliegenden Fall um einen Anlassfall iSd Art. 140 Abs. 7 B-VG handelt, ist der vom Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erklärte letzte Satz des § 295 Abs. 4 BAO, wonach ein Antrag nach § 295 Abs. 4 BAO vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 BAO maßgeblichen Frist zu stellen ist, im gegenständlichen Fall nicht anzuwenden.

14Das Bundesfinanzgericht hat seine abweisende Entscheidung auf den vom Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erklärten letzten Satz des § 295 Abs. 4 BAO gestützt. Die gegenständlich angefochtene Entscheidung erweist sich deshalb als rechtswidrig.

15Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

16Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

17Von der in der Revision beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2017130072.L00

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.