VwGH vom 28.03.2012, 2012/13/0016
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der L BetriebsgmbH in W, vertreten durch Steirer, Mika Comp. WT GmbH in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 53, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0891-W/11, miterledigt RV/0892-W/11, RV/0893-W/11, RV/0894-W/11, RV/0895-W/11, RV/0896-W/11, betreffend Zurückweisung einer Berufung als nicht fristgerecht eingebracht, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus der Beschwerde und den ihr angeschlossenen Beilagen ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der Beschwerdeführerin wurden zwischen und zahlreiche Bescheide des Finanzamts zugestellt, hinsichtlich derer sie mit Schriftsatz vom die Erstreckung der Berufungsfrist bis zum beantragte.
Diesen Antrag erledigte das Finanzamt mit Bescheid vom wie folgt:
"Bescheid
Ihrem Ansuchen vom eingelangt am zur Einbringung einer Berufung gegen die in Ihrem Schreiben
angeführten Bescheid(e) wird stattgegeben.
Die Frist wird bis zum verlängert.
Hinweis: Die gewährte Frist erscheint als ausreichend, mit einer weiteren Fristverlängerung kann nicht gerechnet werden."
Dem folgten im Vordruck noch das Wort "Begründung:" ohne nachfolgenden Text, eine Rechtsbelehrung über die fristhemmende Wirkung des mit dem Bescheid erledigten Antrags und eine Rechtsmittelbelehrung.
Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin eine weitere Verlängerung der Berufungsfrist bis zum .
Diesen Antrag erledigte das Finanzamt mit Bescheid vom wie folgt:
"Bescheid
Ihrem Ansuchen vom eingelangt am zur Einbringung einer Berufung gegen die in Ihrem Schreiben
angeführten Bescheide wird nicht stattgegeben.
Begründung:
Die bisher gewährten Fristen erscheinen als ausreichend. Der Antrag war daher abzuweisen."
Dem folgte im Vordruck vor der abschließenden Rechtsmittelbelehrung wieder die Rechtsbelehrung, durch den Antrag sei der Lauf der Berufungsfrist gehemmt worden und diese Hemmung ende mit dem Tag der Zustellung der Entscheidung über den Antrag. Die Hemmung könne jedoch nicht dazu führen, dass die Berufungsfrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt worden sei, ablaufe.
Noch am Tag der Zustellung dieses Bescheides, dem , gab die Beschwerdeführerin die Berufung zur Post.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung als nicht fristgerecht eingebracht zurück.
Die belangte Behörde vertrat dazu die Ansicht, "im Spruch" des Bescheides vom sei "die verbindliche Meinung der Behörde kundgetan" worden, "dass bei ihrem Kenntnisstand am Entscheidungstag nur noch eine letztmalige Fristverlängerung bis im Rahmen deren Ermessens erlangbar" gewesen sei. Der Beschwerdeführerin sei es damit "auferlegt" gewesen, im neuerlichen Antrag eine "Änderung der tatsächlichen Verhältnisse" zu behaupten "und die Behörde davon zu überzeugen". Da dies nach Ansicht der belangten Behörde nicht geschehen sei, sei diese "zu dem Schluss gekommen", dass die Berufungsfrist "am abgelaufen ist. Der neuerliche Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist vom konnte keine Hemmung im Sinne des § 245 Abs. 3 BAO mehr bewirken."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 2 VwGG zur Stellungnahme aufgefordert und ihr vorgehalten, der "Hinweis" in der Erledigung vom sei seiner Bezeichnung entsprechend auch inhaltlich nichts anderes als ein "Hinweis" darauf gewesen, womit (nämlich mit einer weiteren Fristverlängerung) bei einem weiteren Verlängerungsantrag "nicht gerechnet werden" könne. Gegenstand dieser Erledigung habe auch nur der damals vorliegende Antrag zu sein gehabt, dem zur Gänze stattgegeben worden sei.
In ihrer Stellungnahme vom hält die belangte Behörde an der im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsanschauung fest. Der Gebrauch des Wortes "Hinweis" vor dem "zweiten Satz des Bescheidspruches" ändere "nichts daran, dass es sich beim betreffenden Satz um eine im normativen Zusammenhang stehende behördliche Aussage und somit um einen rechtsverbindlichen Bestandteil des Bescheidspruches" handle. Die Bewilligung einer weiteren Fristverlängerung aus den schon vorgebrachten Gründen sei mit diesem Satz "für ausgeschlossen erklärt" worden, die "behördliche Intention zur Bewilligung einer letztmaligen Fristverlängerung" könne "nicht bezweifelt werden", und die Formulierung sei "keinesfalls derart unbestimmt" gewesen, dass der Aussage nur ein "deklarativer Charakter" zugekommen sei, zumal "objektiv erkennbar" gewesen sei, dass "das Finanzamt einer weiteren Fristverlängerung ohne die Glaubhaftmachung neuer berücksichtigungswürdiger Gründe nicht zustimmen würde".
Die belangte Behörde äußert sich in ihrer Stellungnahme auch zu dem in der Beschwerde relevierten Umstand, dass der neuerliche Verlängerungsantrag vom Finanzamt nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen wurde. Diesem Umstand, heißt es in der Stellungnahme, könne "keine zu einer anderen Beurteilung führende Bedeutung beigemessen werden". Die begehrte neuerliche Fristverlängerung sei "abzulehnen" gewesen, und dass sich das Finanzamt dabei "im Ausdruck vergriffen" habe, bewirke keine Hemmung der Berufungsfrist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 245 Abs. 3 BAO kann die Berufungsfrist aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, verlängert werden. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Berufungsfrist gehemmt. Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt gemäß § 245 Abs. 4 BAO mit dem Tag der Einbringung des Antrages und endet mit dem Tag der Zustellung der Entscheidung darüber. Die Hemmung kann jedoch nicht dazu führen, dass die Berufungsfrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft.
Vor dem Hintergrund dieser an sich klaren Rechtslage ist im vorliegenden Fall nur strittig, ob sich der zweite Verlängerungsantrag der Beschwerdeführerin auf einen Gegenstand bezog, über den schon mit der Erledigung des ersten Antrages entschieden worden war. Die belangte Behörde vertritt diesen Standpunkt und leitet daraus ab, dem zweiten Antrag sei die im Gesetz vorgesehene Hemmungswirkung nicht mehr zugekommen. Der dieser Ansicht zugrunde gelegten, in der Stellungnahme der belangten Behörde näher erläuterten Auslegung des "Hinweises" im Bescheid vom ist jedoch nicht zu folgen. Das Wort "Hinweis" trennt das Folgende vom vorangegangenen Bescheidspruch, und auch die Formulierungen im nachfolgenden Satz, die gewährte Frist "erscheine" als ausreichend und mit einer weiteren Fristverlängerung könne "nicht gerechnet werden", lassen keinen Zweifel daran, dass der Antragstellerin hier nur zu ihrem eigenen Vorteil nahegelegt werden sollte, die verlängerte Frist wirklich zu nutzen. Eine andere Auslegung verbietet sich auch deshalb, weil eine Verlängerung über den hinaus nicht Gegenstand des zu erledigenden Antrags war. Es ist daher nicht zweifelhaft, dass der innerhalb offener Berufungsfrist - diese endete unter Berücksichtigung der Stattgebung des Antrages vom nicht vor Ablauf des - eingebrachte Fristverlängerungsantrag vom gemäß § 245 Abs. 3 letzter Satz BAO den Ablauf der Berufungsfrist bis zur Zustellung der Entscheidung darüber hemmte, weshalb die am zur Post gegebene Berufung rechtzeitig war (vgl. Stoll , BAO-Kommentar, 2523 f.).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 35 Abs. 2 in Verbindung mit § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG ohne weiteres Verfahren wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am