VwGH vom 15.06.2010, 2008/05/0063

VwGH vom 15.06.2010, 2008/05/0063

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie den Senatspräsidenten Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der Gemeinde Gosau in Gosau, vertreten durch Dr. Michael Schneditz-Bolfras, Dr. Fritz Vierthaler und Dr. Christoph Mizelli, Rechtsanwälte in 4810 Gmunden, Marktplatz 16, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BauR-P-096065/4-2008-Mo, betreffend Nichtgenehmigung einer Änderung des Flächenwidmungsplanes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

A. S. ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 441/2 in der beschwerdeführenden Gemeinde mit einem darauf befindlichen Wohnhaus und Nebengebäuden; dieses Grundstück weist wie das an der Sch.-Straße (auch: -Weg) südöstlich anschließende Wiesengrundstück Nr. 434 die Widmung "Dorfgebiet" auf. Der A. S. gehört auch das daran anschließende, im Grünland gelegene Grundstück Nr. 441/1.

Mit Schreiben vom stellte A. S. den Antrag auf Umwidmung einer Teilfläche von 1.000 m2 des Grundstücks Nr. 441/1 in Bauland. Dieses Grundstück solle als Baufläche für ihre Tochter dienen.

In seiner Begutachtung vom führte der Ortsplaner der beschwerdeführenden Gemeinde aus, dass aus fachplanerischer Sicht gegen eine Änderung des Flächenwidmungsplans hinsichtlich einer Teilfläche des Grundstückes Nr. 441/1 in Dorfgebiet mit teilweiser Überlagerung einer "Schutzzone im Bauland - Freifläche und Grünfläche" keine Bedenken bestünden. Das betroffene Teilgrundstück befinde sich zwar außerhalb der im Entwicklungskonzept dargestellten Baulanderweiterungsflächen, gemäß der Definition im Funktionsplan seien jedoch überall dort, wo keine Siedlungsgrenzen gesetzt seien, sowie in allen Gebieten, die sich als Bauland eignen, Baulückenschließungen und geringfügige Arrondierungen bis maximal

1.300 m2 oder zwei Parzellen im Anschluss an bestehendes Bauland und nach vorangegangener Einzelprüfung zulässig. Es werde grundsätzlich festgehalten, dass jedenfalls eine durchgehende Verbauung bzw. eine durchgehende Querriegelbildung zur Talzone unzulässig sei. Im gegenständlichen Bereich befände sich jedoch eine deutlich erkennbare räumliche und somit landschaftsbildwirksame Trennung zwischen den Wohnsiedlungsgebieten und Tourismuseinrichtungen im Bereich des Talbodens. Diese landwirtschaftlich genutzte Zone solle auch weiterhin deutlich erkennbar bleiben, weshalb der Umwidmung dann zugestimmt werde, wenn sich die Bebauung auf den nordwestlichen Bereich des beantragten Grundstückes beschränke und der südwestliche Bereich, welcher lagemäßig auch deutlich tiefer liege, von einer Bebauung frei bleibe.

Die Naturschutzabteilung der belangte Behörde lehnte in ihrer Stellungnahme vom die Änderung des Flächenwidmungsplans ab. Mit der beantragten Widmung würde ein erster Schritt zu einem baulichen Querriegel in exponierter Lage gesetzt. Dies würde die Grünlandzone negativ beeinflussen, welche wiederum ein Landschaftsmerkmal des Talraumes sei. Der verbleibende Grünraum zwischen dem Dorfgebiet und dem einzelnen Wohngebäude (nahe der Landesstraße) würde zu stark eingeschränkt und hierdurch die Funktionsfähigkeit der Grünachse gefährdet. Das verbleibende "Fenster" könne längerfristig nicht von einer Verbauung freigehalten werden.

Der forsttechnische Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung führte in seinem Schreiben vom aus, der Änderung könne bei plangemäßer Umsetzung aus Sicht des öffentlichen Interesses am Schutz vor Wildbachgefahren zugestimmt werden.

Mit ihrem Schreiben vom lehnte die Abteilung Raumordnung des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung unter Hinweis auf die Stellungnahme der Naturschutzabteilung die Änderung des Flächenwidmungsplanes als landschaftsschädigenden Eingriff ab.

In der Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Gosau vom wurde der Beschluss gefasst, der beantragten Änderung des Flächenwidmungsplanes zuzustimmen. Man verstehe die Befürchtung, dass entlang des bestehenden Sch.-Weges eine Häuserreihe entstehen könne, wobei eine solche Häuserreihe vom Gemeinderat derzeit nicht befürwortet werde. Anhand von Fotos sei festgestellt worden, dass durch die geplante Bebauung dieses Grundstücksteils der Blick Richtung Gosau Hintertal und Gosaukamm nicht beeinträchtigt werde. Gosau sei eine Streusiedlung ohne Ortskern. Weiters befänden sich in diesem Bereich bereits mehrere Wohnhäuser. Die Eigentümerin habe keine andere Möglichkeit für einen Bauplatz. Alle Aufschließungselemente seien gegeben.

Mit Schreiben vom beantragte die Gemeinde Gosau die Genehmigung der Änderung des Flächenwidmungsplans durch die belangte Behörde gemäß § 34 Abs. 1 Oö RaumordnungsG.

Die belangte Behörde teilte mit Scheiben vom Versagungsgründe mit: Das betreffende Grundstück sei Teilfläche einer großräumigen Grünlandzone und komme auf einem Geländerücken zu liegen. Diese Grünlandzone stelle ein wesentliches Landschaftsmerkmal des Talraumes dar. Mit der beantragten Widmung würde ein erster Schritt zu einem baulichen Querriegel in überdies sehr exponierter Lage gesetzt. Die Umwidmung stehe im Widerspruch zum örtlichen Entwicklungskonzept, da in diesem Bereich keine Erweiterung vorgesehen sei. Von einer Abrundung könne nicht gesprochen werden. Es sei daher beabsichtigt, dem Plan die Genehmigung gemäß § 34 Abs. 2 Z. 1, 3 und 4 Oö RaumordnungsG zu versagen.

In seiner Sitzung vom beschloss der Gemeinderat eine Stellungnahme, die mit Schreiben vom an die belangte Behörde übermittelt wurde. Darin wird die vom Gemeinderat schon zuvor vertretene Auffassung wiederholt und erklärt, dass die Versagungsgründe für den Gemeinderat nicht nachvollziehbar seien. Die belangte Behörde wurde ersucht, einen Lokalaugenschein durchzuführen.

Mit dem angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde als Aufsichtsbehörde der Flächenwidmungsplan-Änderung Nr. 23 gemäß § 36 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 Z. 1, 3 und 4 Oö RaumordnungsG die begehrte Genehmigung. Die bekannt gegebenen Versagungsgründe seien nicht entkräftet worden. Die Gemeinde sei in ihrer Stellungnahme gar nicht auf den Widerspruch zum örtlichen Entwicklungskonzept eingegangen. Für eine Änderung des örtlichen Entwicklungskonzepts für eine Einzelparzelle sei ein öffentliches Interesse nur schwer nachzuweisen und es liege auch keine Notwendigkeit vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die geplante Umwidmung entspreche dem örtlichen Entwicklungskonzept, da dieses Arrondierungen bis max. 1.300 m2 für zulässig erkläre. Das Grundstück befinde sich unmittelbar im Anschluss an traditionelle Kleinlandwirtschaften mit Wohn- und Nebengebäude. Das örtliche Entwicklungskonzept verfolge u.a. auch das Ziel, die Bevölkerungszahl zu halten und eine Abwanderung zu vermeiden. Es werde weder in das Landschaftsbild eingegriffen noch werde eine Baulandinsel geschaffen. Die belangte Behörde habe sich mit den umfangreichen Ausführungen des Ortsplaners nicht auseinander gesetzt und den beantragten Lokalaugenschein unterlassen.

Gemäß § 36 Abs. 2 Oö Raumordnungsgesetz 1994 (im Folgenden idF LGBl. Nr. 1/2007; ROG) können Flächenwidmungspläne geändert werden, wenn öffentliche Interessen, die nach diesem Landesgesetz bei der Erlassung von solchen Plänen zu berücksichtigen sind, insbesondere Interessen einer ökologischen Energienutzung, dafür sprechen oder diese Änderung den Planungszielen der Gemeinde nicht widerspricht; außerdem dürfen Interessen Dritter nicht verletzt werden. Für das Verfahren gilt (Abs. 4) unter anderem die Bestimmung des § 34 ROG. Diese Bestimmung regelt das Aufsichtsverfahren und die Kundmachung; sein Abs. 2 lautet:

"(2) Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn der Plan

1. Raumordnungszielen und -grundsätzen einschließlich den aus der SEVESO II-Richtlinie erwachsenden Pflichten oder festgelegten Planungen angrenzender Gemeinden oder

2. einem Raumordnungsprogramm oder einer Verordnung gemäß § 11 Abs. 6 oder

3. - soweit nur der Flächenwidmungsteil (§ 18 Abs. 1 zweiter Satz Z. 1) betroffen ist - dem örtlichen Entwicklungskonzept (§ 18 Abs. 1 zweiter Satz Z. 2) oder

4. sonstigen gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere den Baulandanforderungen gemäß § 21 und den Verfahrensbestimmungen,

widerspricht oder

5. die geordnete wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung anderer Gemeinden oder des Landes wesentlich beeinträchtigen würde."

§ 2 ROG gibt die Raumordnungsziele und -grundsätze vor; gemäß § 3 ROG haben sich alle bedeutsamen Maßnahmen des Landes, der Gemeinden sowie der landesrechtlich eingerichteten Gemeindeverbände und Körperschaften öffentlichen Rechts daran auszurichten. Die belangte Behörde hat als Versagungsgrund § 2 Abs. 1 Z. 7 ROG herangezogen; diese Bestimmung lautet:

"(1) Die Raumordnung hat insbesondere folgende Ziele:

...

7. die Vermeidung von landschaftsschädlichen

Eingriffen, insbesondere die (Anm: Richtig: der) Schaffung oder Erweiterung von Baulandsplittern (Zersiedelung);"

Der derzeit bestehende Freiraum zwischen dem Ende des Dorfgebietsriegels (Grundstück Nr. 434 mit dem Gebäude Nr. 165/1) und der bebauten Parzelle nahe der Landesstraße, Grundstück Nr. 441/5, beträgt aus dem Plan gemessen rund 90 m; durch die begehrte Umwidmung würden davon rund 30 m, also ein Drittel, dem Grünland verloren gehen. Die belangte Behörde ging davon aus, dass diese durchgehende Grünlandzone ein wesentliches Landschaftsmerkmal des Talraumes darstelle und mit der beantragten Widmung ein erster Schritt zu einem baulichen Querriegel in sehr exponierter Lage gesetzt würde. Auch der von der Beschwerdeführerin herangezogene Ortsplaner hat erklärt, diese landwirtschaftlich genutzte Fläche und wertvolle Zone solle auch weiterhin deutlich erkennbar bleiben, weshalb der Umwidmung nur dann zugestimmt werde, wenn sich die Bebauung auf den nordwestlichen Bereich des beantragten Grundstückes beschränke; dabei fällt auf, dass der Vorschlag des Ortsplaners, die südlichsten 10 m des neu zu schaffenden Baulandes mit einer "Schutzzone im Bauland, Frei- und Grünfläche, welche nicht bebaut werden darf (Ff1)" zu überlagern, vom Gemeinderat nicht aufgegriffen wurde. Es kann nun der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie bei einer bestehenden 90 m breiten Grünlandzone, die noch dazu auf einem Geländerücken liegt, die Umwidmung im Ausmaß von 30 m als landschaftsschädlichen Eingriff im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 7 ROG angesehen hat.

Aber auch der Widerspruch zum örtlichen Entwicklungskonzept ist evident: Danach werden Baulanderweiterungsgebiete durch eine entsprechende Pfeildarstellung festgelegt; eine solche Darstellung findet sich für dieses Grundstück nicht. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf folgende Anmerkung im örtlichen Entwicklungskonzept:

"Dort wo keine Entwicklungsziele (Baulanderweiterungspfeile und Siedlungsgrenzen) festgelegt sind, bzw. in allen Gebieten, die sich aus Bauland eignen, sind Baulückenschließungen und geringfügige Arrondierungen (bis maximal 1.300 m2 oder zwei Parzellen) im Anschluss an bestehendes Bauland und nach dem Ergebnis einer vorangegangenen Einzelprüfung zulässig."

Dies bedeutet keineswegs, dass Umwidmungen bis maximal

1.300 m2 beliebig zulässig wären, sondern ist Voraussetzung, dass es sich um eine Baulückenschließung oder geringfügige Arrondierung handelt. Die Erweiterung des bestehenden Dorfgebietsriegels in südöstlicher Richtung ist aber weder eine Baulückenschließung noch eine geringfügige Arrondierung, sodass es nicht darauf ankommt, ob die 1.300 m2-Grenze eingehalten wird.

Dass es Ziel des örtlichen Entwicklungskonzeptes sei, ein maßvolles Erhöhen der Bevölkerungszahl und eine Verringerung der Abwanderung herbeizuführen, kann dem hier vorgelegten Verordnungstext nicht entnommen werden; im Übrigen kann einem derartigen Ziel durch eine mittels Pfeildarstellung ausgewiesene Baulanderweiterung Rechnung getragen werden. Auf einen nicht gedeckten Baulandbedarf hat sich die beschwerdeführende Gemeinde im Übrigen nicht berufen. Es ist daher auch der Versagungsgrund des § 34 Abs. 2 Z. 3 ROG zu bejahen.

Ob die Nichtdurchführung des beantragten Lokalaugenscheins einen Verfahrensmangel darstellt, kann dahingestellt bleiben, weil die Beschwerdeführerin dessen Wesentlichkeit nicht dargetan hat.

Damit erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am