Suchen Hilfe
VwGH vom 15.06.2010, 2008/05/0039

VwGH vom 15.06.2010, 2008/05/0039

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie den Senatspräsidenten Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der Marktgemeinde Liebenfels, vertreten durch Klaus Partner Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt, Villacher Ring 19, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 15-ALL-433/28-2007, betreffend Kanalanschluss (mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. HW, 2. WW, 3. MW, 4. JW, 5. AW, alle in 9556 Liebenfels), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegenstand der Beschwerde ist die den Mitbeteiligten auferlegte Pflicht, ihr Wohngebäude an die Kanalisationsanlage der beschwerdeführenden Gemeinde anzuschließen. Zur Vermeidung von Wiederholungen sei bezüglich des Sachverhaltes auf die beiden Vorerkenntnisse vom , Zl. 2001/05/0331, und vom , Zl. 2005/05/0112 (Vorerkenntnis II) verwiesen. Im ersten Rechtsgang war die Beschwerde der nunmehr Mitbeteiligten gegen die von den Gemeindebehörden ausgesprochene, von der belangten Behörde bestätigte Anschlusspflicht erfolgreich, weil keine Feststellungen darüber getroffen worden waren, ob durch eine neu errichtete Senkgrube eine schadlose Verbringung der Abwässer gewährleistet sei.

Im zweiten Rechtsgang wurde die von den Gemeindebehörden ausgesprochene Anschlussverpflichtung von der belangten Behörde aufgehoben. Die dagegen von der Gemeinde erhobenen Beschwerde war erfolgreich. Wörtlich führte der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis II aus:

"Hier steht bezüglich des Erfordernisses der 'sonstigen schadlosen Verbringung' fest, dass eine 9 m3 große, dichte Senkgrube zur Verfügung steht, die regelmäßig, entleert wird. Streit besteht alleine darüber (wenn man von den Verkehrsverhältnissen während der Tauwetterperiode absieht), ob von einer Senkgrube dieser Größe die - also alle - Abwässer erfasst werden. Auch der Amtssachverständige ging davon aus, dass der tatsächliche Abwasseranfall von 63 m3 einem durchschnittlichen Ein- bis Zweipersonenhaushalt entspricht und dass diese Menge für die Größe des Wohnhauses 'gering' ist; die belangte Behörde hat dies mit der geringen Anwesenheit der mit Hauptwohnsitz gemeldeten

(7) Personen begründet.

...

Wenn das Gesetz sowohl bei der Verpflichtung der Gemeinde zur Herstellung der Kanalisationsanlage wie auch der Verpflichtung der Grundeigentümer zum Anschluss auf objektive Merkmale abstellt, muss, mangels anderer Anhaltspunkte im Gesetz, auch die Anwendbarkeit der korrespondierenden Ausnahmebestimmung nach objektiven Kriterien geprüft werden. Wenn es um die schadlose Verbringung "der Abwässer" geht, können damit nur jene Abwässer gemeint sein, die bei einer derartigen Baulichkeit typischerweise zu erwarten sind; nur so ist ein Gleichklang mit § 4 Abs. 1 erster Satz K-GKG bzw. § 17 Bauordnung für Kärnten zu erzielen. Das Gesetz bietet nicht den geringsten Hinweis dafür, dass die Anschlusspflicht von den Lebensgewohnheiten der Bewohner abhängig sein soll (und sich womöglich bei Änderung der Lebensgewohnheiten wieder ändern soll). Vielmehr kommt es darauf an, ob eine für einen Ein- bis Zweipersonenhaushalt dimensionierte Anlage geeignet ist, den Abwasseranfall eines Wohngebäudes der gegebenen Größenordnung und baulichen Ausstattung zu bewältigen.

Dadurch, dass die belangte Behörde die 'geringe Anwesenheit' der Bewohner als Kriterium für die Eignung der bestehenden Abwasseranlage herangezogen hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes."

Darauf holte die belangte Behörde vom Amtssachverständigen ihrer Abteilung 18-Wasserwirtschaft ein Gutachten darüber ein, ob die beim gegenständlichen Wohnhaus vorhandene 9 m3 große dichte Senkgrube geeignet sei, den Abwasseranfall dieses Wohngebäudes mit seiner gegebenen Größenordnung und baulichen Ausstattung zu bewältigen.

Der Amtssachverständige führte in seiner Stellungnahme vom aus, schon aus der gutachterlichen Stellungnahme vom gehe hervor, dass die bestehende dichte Senkgrube ca. im sieben-Wochen-Intervall entleert werden müsse. Das Entsorgungsintervall habe sich auf Grund der geringen Abwassermenge auf 63 m3 pro Jahr bezogen. Da das Wohngebäude drei Haushalte, ausgestattet mit zwei Waschmaschinen und Geschirrspülern, beinhalte, würde dadurch eine theoretische Abwassermenge von rund 8 Einwohnerwerten anfallen. Bei rund 40 m3 Abwasser je Einwohnerwert und Jahr würde sich die Abwassermenge auf rund 320 m3 belaufen. Dadurch ergebe sich ein kürzeres nötiges Entleerungsintervall (36 mal pro Jahr, entsprechend alle zehn Tage, bei der bestehenden 9 m3 großen Senkgrube). Sollten die notwendigen Entsorgungsintervalle eingehalten und die Abwässer nachweislich fachgerecht durch ein befugtes Unternehmen entsorgt werden, so könne die vorhandene dichte Senkgrube den Abwasseranfall des bestehenden Wohngebäudes bewältigen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde neuerlich den Bescheid des Gemeindevorstandes der beschwerdeführenden Gemeinde vom auf und verwies die Angelegenheit zur Entscheidung an die Gemeinde zurück. Die vom Verwaltungsgerichtshof aufgeworfene Frage, ob eine für einen Ein- bis Zwei-Personenhaushalt dimensionierte Anlage geeignet sei, den Abwasseranfall eines Wohngebäudes der gegebenen Größenordnung und baulichen Ausstattung zu bewältigen, sei durch das von der belangten Behörde eingeholte Amtssachverständigengutachten geklärt. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass bei einer Entleerung 36 mal pro Jahr die Abwässer fachgerecht entsorgt würden sodass die bestehende dichte Senkgrube den Abwasseranfall bewältige. Es sei davon auszugehen, dass bei Vollfüllung der Grube der Inhalt nachweislich durch ein dazu befugtes Unternehmen zur Kläranlage des Reinhalteverbandes St. Veit an der Glan transportiert werde. Damit werde das Senkgrubenräumgut aus der Senkgrube der Mitbeteiligten im Sinne des § 8 Abs. 2 Kärntner Gemeindekanalisationsgesetz dem Gesetz entsprechend entsorgt. Da der regelmäßige Abtransport im Wartungsbuch bzw. mit Belegen der Stadtgemeinde belegt sei, sei die Entsorgungssicherheit gegeben. Sollte sich das Entsorgungsintervall auf neun Tage (40 Räumungen pro Jahr) reduzieren, so würde dies noch immer nichts an der Tatsache ändern, dass die häuslichen Abwässer vom Wohnhaus der Mitbeteiligten in die Kläranlage des Reinhalteverbandes St. Veit an der Glan entsorgt werden können. Selbst wenn der Klärwagen täglich kommen müßte, wäre dies Sache der Mitbeteiligten, sofern die Fäkalien ordnungsgemäß in die Kläranlage entsorgt würden. Die Kostenfrage sei Privatangelegenheit der Mitbeteiligten. Die Abwässer dieses Gebäudes würden den hygienischen Grundsätzen und dem Stand der Technik entsprechend auf schadlose und umweltfreundlichen Art entsorgt werden. Damit sei die schadlose Verbringung der Abwässer gewährleistet. Ein Anschlussauftrag dürfe im konkreten Fall nicht erteilt werden, da die Kosten der baulichen Herstellung des Anschlusskanals diejenigen eines vergleichbaren, dem örtlichen Durchschnitt eines Bauabschnittes entsprechenden Anschlusses um 50 v.H. überstiegen und eine sonstige schadlose Verbringung der Abwässer gewährleistet sei.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde beantragte die beschwerdeführende Gemeinde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, hilfsweise wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bezüglich der anzuwendenden Bestimmungen des Kärntner Gemeindekanalisationsgesetzes 1999, LGBl. Nr. 62 (K-GKG) wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Darstellung im Vorerkenntnis II verwiesen. Zu klären war nunmehr, ob das Ausnahmekriterium der "sonstigen schadlosen Verbringung" bei der bestehenden, 9 m3 großen, dichten Senkgrube, die regelmäßig entleert werde, zur Bewältigung des Abwasseranfalles eines Wohngebäudes der gegebenen Größenordnung und baulichen Ausstattung erfüllt sei. Unter Bezugnahme auf das eingeholte Sachverständigengutachten bejahte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid das genannte Ausnahmekriterium abermals, weil die Bewältigung eines dem Wohngebäude entsprechenden Abwasseranfalles mit der gegebenen Senkgrube dadurch erfolgen könne, dass das Entleerungsintervall nicht sieben Wochen, sondern nur 10 Tage betragen würde. In Fortführung dieser Rechenoperation meint die belangte Behörde diesen Ausnahmetatbestand auch dann bejahen zu können, wenn wegen der Menge des Abwasseranfalles der Klärwagen täglich kommen müsste.

Diesen Erwägungen vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen: Im Vorerkenntnis II wurde (unter Ablehnung der Bedachtnahme auf die besonderen Lebensgewohnheiten der Bewohner) darauf abgestellt, dass die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung nach objektiven Kriterien zu prüfen sei und dass es auf die Abwassermenge ankomme, die typischerweise zu erwarten sei. Wenn fest steht, dass eine jährliche Abwassermenge von 63 m3 einem Zwei-Personenhaushalt entspricht und dafür eine 9 m3 Senkgrube ausreichend ist, dann inkludiert dies typische, dem Normalfall entsprechende Entsorgungsintervalle. Wird das Entsorgungsintervall beliebig abgeändert, kann von der hier postulierten Durchschnittsbetrachtung keine Rede mehr sein. Ein zehntägiges Entsorgungsintervall bei einem Wohngebäude entspricht nicht dem Normalfall ganz zu schweigen von der von der belangten Behörde ins Spiel gebrachten täglichen Entsorgung.

Jedenfalls ist die rechtliche Schlussfolgerung der belangten Behörde, die schadlose Verbringung der Abwässer sei gewährleistet, in Anbetracht der vom Verwaltungsgerichtshof geforderten objektiven, typische Gegebenheiten berücksichtigenden Betrachtungsweise nicht nachvollziehbar. Die belangte Behörde belastete ihren Bescheid somit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG (abermals) aufzuheben war. Auf § 63 Abs. 1 VwGG wird ausdrücklich hingewiesen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am

Fundstelle(n):
RAAAE-73936