VwGH vom 16.09.2009, 2008/05/0038
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1. des Ing. G M, 2. der I M, beide in Korneuburg, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in 2000 Stockerau, Th. Pampichler-Straße 1a, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-564/003-2007, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde Korneuburg in Korneuburg, 2. S GmbH in Korneuburg, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1014 Wien, Tuchlauben 17), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die zweitmitbeteiligte Partei (in der Folge: Bauwerberin) ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 1347 der Liegenschaft EZ 1727 Grundbuch Korneuburg, welches an die Wienerstraße B 3 und die in diese im spitzen Winkel einmündende Kaiserallee grenzt. Insoweit dieses Grundstück an die öffentliche Verkehrsfläche Kaiserallee grenzt, ist es als Bauland-Kerngebiet, im Übrigen als Bauland-Betriebsgebiet gewidmet.
Die Bauwerberin beantragte die baubehördliche Bewilligung "zur Betriebserweiterung (Neubau einer Produktionshalle mit Büroräumen)" auf diesem Grundstück.
Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer eines in der Kaiserallee liegenden Grundstückes, gewidmet als Bauland-Wohngebiet; dieses Grundstück grenzt unmittelbar an den als Bauland-Betriebsgebiet gewidmeten Teil des Baugrundstückes. Sie erhoben Einwendungen, dass das Vorhaben im Widerspruch zur bestehenden Widmungsart "Bauland-Kerngebiet" liege. Die Bauwerberin beabsichtige eine Erweiterung ihres Industriebetriebes, welcher sich mit der Weiterverarbeitung von Kunststoffteilen beschäftige. Auf Grund der Betriebsart sowie des Umfangs des Betriebes sei mit weiteren Lärm- und Geruchsemissionen sowie entsprechenden Auswirkungen auf die Gesundheit der Anrainer (Nachbarn) zu rechnen. Im Hinblick auf die zu erwartenden Emissionen werde die Einholung entsprechender Sachverständigengutachten aus den Bereichen Lärmtechnik, Umwelttechnik, Humanmedizin sowie Raumordnung beantragt.
In der mündlichen Bauverhandlung vom wurde festgehalten, dass es sich bei dem Betrieb der Bauwerberin um eine gewerbliche Betriebsanlage handle, für deren Erweiterung auch eine Bewilligung der Gewerbebehörde erforderlich sei. Die Prüfung der Immissionen sei im Baubewilligungsverfahren daher gemäß § 20 Abs. 6 NÖ Bauordnung 1996 auf jene Bestimmungen eingeschränkt, deren Regelungsinhalt im Rahmen des Gewerbeverfahrens nicht erfasst werde. Es sei von der Baubehörde nur insoweit auf Immissionsfragen einzugehen, als diese für die Beurteilung der Übereinstimmung des Projekts mit der Widmung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes von Bedeutung seien. Die örtliche Lage wurde wie folgt beschrieben:
"Die unmittelbare Umgebung des Bauplatzes ist charakterisiert durch eine Durchmischung von Nutzungen, die sich auch in der Vielfalt der baulichen Gestaltung der Objekte zeigt. Das am selben Grundstück schon vorhandene Gebäude, die der B 3 gegenüber liegenden Objekte, sowie das stadteinwärts über die Ungarweggasse liegende Hallenobjekt zeigen typischen Betriebs- und Lagercharakter. Zusätzlich befinden sich in der unmittelbaren Umgebung einige Tankstellen. Andererseits schließen im Osten bzw. entlang der B 3 in Richtung Bisamberg Wohngebäude unterschiedlicher Größe, wie Einfamilienhäuser oder Wohnblocks an.
Dieser typische 'Stadteinfahrtscharakter' ergibt sich aus einer teilweise historisch gewachsenen Ansammlung von Kleinbetrieben außerhalb des damals verbauten Stadtgebietes. Durch den weiter fortschreitenden Bedarf an Wohnbauland wurden sukzessive auch die Bereiche an den Einfallsstraßen bebaut. Das vergleichsweise geringe Verkehrsaufkommen sowie geringere Umweltstandards erlaubten auch durchaus entlang von Hauptverkehrswegen bzw. in Nachbarschaft von Betrieben die Ansiedlung von Wohnhäusern.
Diese Gegebenheiten haben sinngemäß auch Eingang in die erst später festgelegte Flächenwidmung gefunden, bei der hier Betriebsgebiet (BB), Kerngebiet (BK) und Wohngebiet (BW) aufeinander treffen. Die Widmung BK für den verfahrensgegenständlichen Grundstücksteil ist daher bereits als Verbesserung der Gegebenheiten anzusehen. Früher traf hier die Widmung BB unmittelbar an die Widmung BW.
In diesem Sinne passt sich der geplante Zubau durchaus harmonisch an den bestehenden Gebietscharakter an."
Bezüglich der Prüfung der Lärm- bzw. Geruchsbelästigung auf die Umgebung stützte sich die Baubehörde auf die Einreichunterlagen, mit denen eine schalltechnische Untersuchung, ein Prüfbericht über die Geruchskonzentration und Geruchsimmissionen von Privatgutachtern der Bauwerberin vorgelegt wurden.
Die Baubehörde hielt hiezu fest, dass diese Gutachten auch Bestandteil des bereits durchgeführten gewerberechtlichen Verfahrens gewesen seien. Dabei sei nach Würdigung der Gutachten durch die Sachverständigen der BH Korneuburg von der Amtsärztin folgender Schluss gezogen worden:
"Aus amtsärztlicher Sicht besteht daher unter Einhaltung der vom lärmtechnischen SV formulierten Auflagen und der Voraussetzung, dass durch etwaige Geruchsgrundbelastungen die Geruchsimmissionen bei den Nachbarn nicht erhöht werden, kein Einwand. Wobei zum Bereich Geruch festgestellt wird, dass die Grenze der Zumutbarkeit (bis 3 % der Jahresstunden für stark wahrnehmbare Gerüche) bei den Nachbarn nicht überschritten wird. Zum Bereich Lärm ist festzuhalten, dass die prognostizierten Immissionen um mehr als 10 dB unterhalb des festgestellten Basispegel für Tag- und Nachtzeit zu liegen kommen."
Der von der Baubehörde beigezogene Bausachverständige führte hiezu aus, dass auf Grund dieser Ermittlungsergebnisse durch den Betrieb keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- oder Geruchsbelästigungen sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursacht würden.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt.
Mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Durch die von der Bauwerberin vorgelegten Gutachten sei nachgewiesen, dass durch das Bauvorhaben keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- oder Geruchsbelästigungen sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung entstehen werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Baubehörden zur Beurteilung der Frage, ob mit dem Bauvorhaben eine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- oder Geruchsbelästigung verbunden sei, Sachverständigengutachten eingeholt hätten. Der von der Baubehörde erster Instanz beigezogene Amtssachverständige für Bau- und Raumordnungsfragen habe im Zuge der Bauverhandlung am festgestellt, dass durch das Bauvorhaben keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- oder Geruchsbelästigung zu erwarten sei. Der Sachverständige habe sich in seinem Gutachten nicht ausschließlich auf die von der Bauwerberin vorgelegten Lärm- und Geruchsgutachten, sondern auch auf die von den Amtssachverständigen im anhängigen Betriebsanlagenverfahren erstatteten Lärm- und Geruchsgutachten sowie auf die dort erstattete amtsärztliche Stellungnahme gestützt. Im Rahmen der amtsärztlichen Stellungnahme, die der Amtssachverständige seinem Gutachten im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren zu Grunde gelegt habe, werde ausgeführt, dass durch das Bauvorhaben die Grenze der Zumutbarkeit der Geruchsbelästigung der Nachbarn nicht überschritten werde und die vom Bauvorhaben verursachten Lärmimmissionen im Hinblick auf die örtliche Umgebungssituation zumutbar seien. Auf Grund dieser Feststellungen sei der Amtssachverständige zu Recht zum Ergebnis gelangt, dass durch das Bauvorhaben keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- oder Geruchsbelästigungen zu erwarten seien und die von den Beschwerdeführern behauptete Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte (unzulässige Immissionen) nicht vorliege. Dem Gutachten seien die Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Versagung der Baubewilligung verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und tragen vor, dass bezüglich der Überprüfung der Übereinstimmung des Bauvorhabens mit der gegebenen Widmungsart Bauland-Kerngebiet keine entsprechenden Feststellungen getroffen worden seien. Es fehlten jedenfalls Feststellungen zum Ausmaß der zu erwartenden Lärm- bzw. Geruchsimmissionen sowie zum höchsten zulässigen Maß der Emissionen aus der Betriebsanlage der Bauwerberin. Beim Betrieb der Bauwerberin handle es sich um einen ständig wachsenden Industriebetrieb mit internationalem Format. In unmittelbarer Nachbarschaft zum bestehenden Bauland-Kerngebiet befinde sich Bauland-Wohngebiet. Das Zusammentreffen der verschiedenen Widmungsarten wäre anhand der am wenigsten zulässigerweise belastenden Widmung zu prüfen gewesen. Die Baubehörden hätten weder über die Art noch das Ausmaß der zu erwartenden Emissionen noch zu den Grenzwerten entsprechende Feststellungen getroffen. Solche Feststellungen könnten nur durch Beiziehung von technischen bzw. medizinischen Sachverständigen getroffen werden. Der beigezogene Amtssachverständige hätte die entsprechenden Aussagen mangels Befähigung nicht treffen können. Die von der Bauwerberin getroffenen Angaben sowie die von ihr vorgelegten Privatgutachten seien mehr oder weniger ungeprüft übernommen worden. Der Amtssachverständige sei auf die maßgeblichen Fragen der Emissionen überhaupt nicht eingegangen. Das medizinische Sachverständigengutachten sei gleichsam vom Verhandlungsleiter erstattet worden. Auf Grund des bestehenden Naheverhältnisses beider Sachverständigen zu den Baubehörden sowie auf Grund der Tatsache, dass diese Sachverständigen selbst als Entscheidungsorgan und Verhandlungsleiter eingeschritten seien, liege Befangenheit vor.
Die belangte Behörde legte Teile des Verwaltungsaktes vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligte Bauwerberin erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Von folgender Rechtslage ist im Beschwerdefall auszugehen:
NÖ Bauordnung 1996 (in der Folge: BO) in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. 8200-12:
"§ 6
Parteien, Nachbarn und Beteiligte
(1) Im Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach §§ 32, 33 Abs. 2, 34 Abs. 2 und 35 haben Parteistellung:
...
3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen und von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), und
4. die Eigentümer eines ober- oder unterirdischen Bauwerks auf den Grundstücken nach Z. 2 und Z. 3, z.B. Superädifikat, Baurechtsobjekt, Keller, Kanalstrang (Nachbarn).
Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.
...
(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die
...
2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,
gewährleisten. ...
...
§ 20
Vorprüfung
(1) Die Baubehörde hat bei Anträgen nach § 14 vorerst zu prüfen, ob dem Bauvorhaben
1. die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart des Baugrundstückes, seine Erklärung zur Vorbehaltszone oder der Aufschließungszone,
2. der Bebauungsplan,
...
6. eine Bestimmung dieses Gesetzes, des Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, des NÖ Kleingartengesetzes, LGBl. 8210, oder eine Durchführungsverordnung zu einem dieser Gesetze entgegen steht.
...
Bei gewerblichen Betriebsanlagen, die einer Genehmigung durch die Gewerbebehörde bedürfen, ist die Prüfung nach Z. 6 auf jene Bestimmungen eingeschränkt, deren Regelungsinhalt durch diese Genehmigung nicht erfasst ist.
...
§ 23
Baubewilligung
(1) Die Baubehörde hat über einen Antrag auf Baubewilligung einen schriftlichen Bescheid zu erlassen.
Eine Baubewilligung ist zu erteilen, wenn kein Widerspruch zu den im § 20 Abs. 1 Z. 1 bis 6 angeführten Bestimmungen besteht.
Bei gewerblichen Betriebsanlagen gilt § 20 Abs. 1 letzter Satz sinngemäß.
...
§ 48
Immissionsschutz
(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen
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1. | das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden; | |||||||||
2. | Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen. |
(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zur NÖ Bauordnung 1996 ausgesprochen, dass den Baubehörden bei gewerblichen Betriebsanlagen (nur) eine "Restkompetenz" zukommt. Soweit der Regelungsinhalt einer Bestimmung der Bauordnung durch die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung erfasst ist, besteht keine gesetzliche Grundlage für die Baubehörde, die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Bauvorhabens nach diesen Bestimmungen zu beurteilen. Soweit der Regelungsinhalt baurechtlicher Vorschriften durch die gewerberechtlichen Vorschriften in diesem Sinne hingegen nicht abgedeckt ist, hat die Baubehörde vor Erteilung der Baubewilligung eine entsprechende Prüfung vorzunehmen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0057, mwN).
Gemäß § 48 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 ist die im Flächenwidmungsplan für das Baugrundstück festgelegte Widmungsart zu berücksichtigen.
Im vorliegenden Fall ist daher die Widmung Bauland-Kerngebiet, auf welchem das beschwerdegegenständliche Bauvorhaben errichtet werden soll, nach § 16 Abs. 1 Z. 2 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 maßgebend, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Flächenwidmung Bauland-Kerngebiet nach der zitierten Gesetzesstelle den Nachbarn einen Immissionsschutz und damit ein subjektives Recht auf Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan gewährt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0162). Wesentlich ist aber auch, dass § 48 NÖ Bauordnung 1996 eingehalten wird. Das bedeutet, dass zwar die Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen (§ 48 Abs. 1 Z. 1 NÖ Bauordnung 1996) von der Baubehörde nicht zu prüfen ist, da diese Frage bereits Prüfgegenstand der Gewerbebehörde im gewerberechtlichen Betriebsanlagenverfahren gemäß § 77 Abs. 1 iVm § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 ist, allerdings die Prüfpflicht der Baubehörde hinsichtlich § 48 Abs. 1 Z. 2 iVm Abs. 2 leg. cit., also ob eine örtliche unzumutbare Belästigung von Menschen durch Emissionen vorliegt, jedenfalls gegeben ist. Die örtliche Zumutbarkeit ist dabei nach § 48 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen. Eine derartige Prüfung hat die Gewerbebehörde nämlich nicht vorzunehmen. Diese hat vielmehr gemäß § 77 Abs. 2 GewO 1994 die Zumutbarkeit der Belästigungen auf Grund der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse zu prüfen. Das bedeutet, dass die Gewerbebehörde die bei den Nachbarn nach den - tatsächlichen - örtlichen Verhältnissen zu erwartenden Immissionen aus der zu genehmigenden Betriebsanlage anhand der - tatsächlich - bestehenden Immissionen jedweder Art, einschließlich jener bereits genehmigter Betriebsanlagen, zu beurteilen hat. Die Lösung der Frage, ob von einer Betriebsanlage ausgehende Emissionen unzumutbare Belästigungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1994 bewirken, hängt also nicht von der Widmung des Betriebsanlagenstandortes im Flächenwidmungsplan ab (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0041).
Nach der Regelung des § 48 NÖ Bauordnung 1996 dürfen hingegen nicht nur im entfernteren Grundstücksbereich der Nachbarliegenschaft, sondern jedenfalls auch schon an der Grundgrenze des Nachbarn keine unzulässigen Immissionen auftreten. Dies gilt hinsichtlich § 48 Abs. 1 Z. 2 NÖ Bauordnung 1996 schon deshalb, da ansonsten die Maßgeblichkeit der Widmung des hier zu bebauenden Grundstückes im Sinne des § 48 Abs. 2 leg. cit. nicht gewährleistet wäre.
Erst wenn immissionstechnische (hier lärmtechnische und geruchstechnische) Feststellungen vorhanden sind, welche Belästigungen an der Grundgrenze der Nachbarliegenschaft durch das gegenständliche Projekt hervorgerufen werden, kann der medizinische Sachverständige beurteilen, ob die Anforderungen des § 48 Abs. 1 Z. 2 iVm Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 eingehalten werden. Nach § 48 NÖ Bauordnung 1996 kommt es also nicht auf die Änderung der (diesem Paragraphen eventuell schon widersprechenden) Lärmsituation an, sondern darauf, dass vom geplanten Bauwerk oder dessen Benützung Emissionen nur im bestimmten Ausmaß ausgehen dürfen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0054).
Wegen der im AVG herrschenden Unbeschränktheit der Beweismittel (§ 46 AVG) ist es grundsätzlich nicht unzulässig, im Baubewilligungsverfahren die in einem parallel geführten Verfahren (hier gewerbebehördlichen Verfahren) gewonnenen Ermittlungsergebnisse zu berücksichtigen, wobei allerdings die unterschiedlichen Aufgabestellungen für die Baubehörde und die Gewerbebehörde zu beachten sind. Es können also Gutachten aus anderen Verfahren einer behördlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Es bedarf dann aber einer nachvollziehbaren und umfassenden Darlegung in der Bescheidbegründung, weshalb diese Gutachten auch im konkreten Fall Verwendung finden können (vgl. hiezu nochmals das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0041).
Dem im gemeindebehördlichen Instanzenzug ergangenen Baubewilligungsbescheid ist eine derartige Begründung nicht zu entnehmen, zumal sich die Behörde erster Instanz im Rahmen ihrer Entscheidung auch nicht auf die Bestimmung des § 48 NÖ Bauordnung 1996 gestützt hat.
Nur wenn die im erstinstanzlichen Verfahren erstellten und in den Baubewilligungsbescheid eingeflossenen Gutachten hinsichtlich der rechtserheblichen Befunde und der medizinischen Beurteilung vollständig und schlüssig sind, kann sich die Berufungsbehörde im Hinblick auf den Verfahrensgrundsatz der möglichsten Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2 AVG) auf diese Gutachten stützen, ohne die betreffenden Sachverständigen selbst zu befassen. Aufgabe der Berufungsbehörde ist es aber regelmäßig, die mit dem in Berufung gezogenen Bescheid bereits entschiedene Sache neuerlich zu entscheiden, und zwar im Prinzip so, als ob diese Sache erstmals entschieden würde.
Die belangte Behörde ging offenbar von der irrigen Rechtsauffassung aus, dass die Baubehörden in einem Verfahren betreffend ein Vorhaben, das auch einer gewerbebehördlichen Bewilligungspflicht unterliegt, die Immissionseinwände der Nachbarn gemäß § 6 Abs. 2 Z. 2 iVm § 48 NÖ Bauordnung 1996 nicht im Sinne der dargestellten Rechtslage zu prüfen haben, und hat deshalb das von der Baubehörde erster Instanz ihrer Entscheidung zu Grunde gelegte Gutachten für ausreichend angesehen, obwohl aus der Begründung dieses Bescheides, der sich auf dieses Gutachten bezieht, hervorleuchtet, dass die aufgezeigten Verfahrensgrundsätze nicht eingehalten worden sind.
Mangels vorliegender Unterlagen vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu beurteilen, ob die Beschwerdeführer im gewerberechtlichen Verfahren auch Parteistellung hatten. Nachbarn haben nämlich im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 359b Gewerbeordnung 1994 keine Parteistellung. Sie haben daher auch keine Gelegenheit, in diesem Verfahren den Immissionsschutz geltend zu machen. § 23 Abs. 1 dritter Satz NÖ Bauordnung 1996 iVm § 20 Abs. 1 leg. cit. muss daher im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 15.417, so ausgelegt werden, dass den Nachbarn dort, wo ihnen im gewerberechtlichen Verfahren keine Parteistellung zukommt, im Baubewilligungsverfahren die Möglichkeit eingeräumt ist, den ihnen durch die NÖ Bauordnung 1996 gewährten Immissionsschutz geltend zu machen (vgl. hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0041).
Soweit die Beschwerdeführer im Verfahren vor den Baubehörden vorgebracht haben, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen gewesen wäre, ist zu bemerken, dass die diesbezügliche Einwendung auf die Geltendmachung der Unzuständigkeit hinausläuft und insofern von den Baubehörden in der Sache auch aufzugreifen ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0109). Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof schon im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0090, darauf hingewiesen hat, dass sowohl nach § 48 Abs. 1 Z. 1 als auch nach § 48 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 bei der Prüfung der örtlichen Zumutbarkeit auch auf eine allenfalls bestehende Vorbelastung Bedacht zu nehmen ist und bei Prüfung der Immissionsbelastung nicht nur die neu zu errichtenden Teile, welche von der Baubewilligung erfasst sind, einer Emissionsprüfung, sondern der gesamte Betrieb der Bauwerberin in Prüfung zu ziehen ist (vgl. hiezu in diesem Zusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0107).
Aus den dargelegten Gründen erweist sich daher der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am