VwGH vom 25.04.2018, Ra 2017/13/0016

VwGH vom 25.04.2018, Ra 2017/13/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart in 7001 Eisenstadt, Neusiedlerstraße 46, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7106041/2015, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2014 (mitbeteiligte Partei: R in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, der in einem Dienstverhältnis zu einer Landwirtschaftskammer stand, wurde von dieser nach Vollendung seines 60. Lebensjahres zum gekündigt, obwohl er die Voraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension noch nicht erfüllte, und bekämpfte diese Kündigung vor Gericht. Er betrieb auch eine kleine pauschalierte Landwirtschaft. Sein Einkommen als Dienstnehmer hatte die sozialversicherungsrechtliche Höchstbeitragsgrundlage überschritten, sodass er während des Bestands des Dienstverhältnisses keine Beiträge an die Sozialversicherungsanstalt der Bauern zu entrichten hatte. Nach dem (vermeintlichen) Ende des Dienstverhältnisses schrieb ihm die Sozialversicherungsanstalt der Bauern Beiträge vor. Mit Urteil vom stellte das Oberlandesgericht Wien fest, dass das Dienstverhältnis des Mitbeteiligten über den hinaus bis zum bestanden habe, woraufhin ihm die Sozialversicherungsanstalt der Bauern im Streitjahr 2014 die zu Unrecht vorgeschriebenen Beiträge zurückerstattete. Gemäß § 69 Abs. 5 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 wurde darüber ein Lohnzettel ausgestellt und dem Finanzamt übermittelt.

2 Im Einkommensteuerbescheid vom für das Jahr 2014 bezog das Finanzamt die zurückerstatteten Beiträge in die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ein, woraus sich eine Nachforderung von EUR 4.300,-- ergab.

3 In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung über die vom Mitbeteiligten gegen den Einkommensteuerbescheid erhobene Beschwerde verwies das Finanzamt zu der in § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 vorgesehenen Zuordnung der zurückerstatteten Pflichtbeiträge zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u. a. auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/13/0189, VwSlg 8844/F.

4 Der Mitbeteiligte beantragte die Vorlage der Beschwerde. 5 Das Bundesfinanzgericht ermittelte - wie es im

angefochtenen Erkenntnis heißt - "im Überprüfungsverfahren, dass der Bf. zwar eine Landwirtschaft betrieb, diese aber aufgrund der geringen Größe, mangels steuerlicher Auswirkungen, steuerlich nicht erfasst wurde." Der Betrieb sei, "da aufgrund der Pauschalierung die Einnahmen unter der Besteuerungsgrenze lagen, nicht steuerlich erfasst" worden. Der Mitbeteiligte habe die Sozialversicherungsbeiträge daher auch nicht als Betriebsausgabe geltend machen können. Bei den gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassenden Beträgen handle es sich nach den Vorstellungen des Gesetzgebers um "rückgängig gemachte Werbungskosten". Im Fall des Mitbeteiligten seien "jedoch keine Werbungskosten/Betriebsausgaben geltend gemacht" worden, weshalb die rückerstatteten Beiträge auch "keine steuerlich zu erfassenden Einnahmen" seien und der Beschwerde stattzugeben sei. Eine Revision dagegen sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden worden sei.

6 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Finanzamtes, für deren Zulässigkeit in ihr eine Abweichung des Bundesfinanzgerichtes sowohl vom Wortlaut des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 als auch von dem bereits erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ins Treffen geführt wird.

7 Der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet, in der er u.a. darlegt, er sei im strittigen Zeitraum ausschließlich nach dem BSVG sozialversichert gewesen, wozu es nur gekommen sei, weil sich sein Arbeitgeber rechtswidrig verhalten habe. Die vom Finanzamt herangezogene Bestimmung sei auf seinen Fall auch deshalb nicht anwendbar, weil "keine Werbungskosten/Betriebsausgaben geltend gemacht worden sind, bzw. deren Geltendmachung im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung vom Finanzamt wiederholt zurückgewiesen worden ist".

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Die Revision ist aus den in ihr angeführten Gründen zulässig und begründet.

10 § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 wurde mit dem Abgabenänderungsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 28/1999, eingeführt und hatte zunächst folgenden Wortlaut:

"§ 25. (1) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) sind:

1. a) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.

(...)

3. (...)

d) Rückzahlungen von Pflichtbeiträgen, sofern diese ganz

oder teilweise auf Grund des Vorliegens von Einkünften im Sinne der Z 1 einbehalten wurden."

11 In der Regierungsvorlage wurde die Regelung wie folgt erläutert (1471 BlgNR 20. GP 20):

"Erstattete Pflichtbeiträge stellen als rückgängig gemachte Werbungskosten steuerpflichtige Einkünfte dar. Sofern diese Pflichtbeiträge (auch teilweise) auf Grund des Vorliegens von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einzubehalten bzw. zu entrichten waren, sind die erstatteten (rückgezahlten) Beiträge zur Gänze als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen. Zur Erfassung dieser Beiträge im Rahmen der Veranlagung soll ein Verfahren eingerichtet werden, das eine einfache Administration gewährleistet. Sofern die rückgezahlten Beiträge ausschließlich auf Grund von selbständig ausgeübten Tätigkeiten zu entrichten waren, kommt es zu keiner Änderung der steuerlichen Behandlung; diese Beträge sind wie bisher als Betriebseinnahmen bei den jeweiligen Einkünften zu erfassen."

12 In Rz 688 der mit Erlass vom als Auslegungsbehelf verlautbarten Lohnsteuerrichtlinien 2002 wurde den bis dahin (Rz 688 der Lohnsteuerrichtlinien 1999) im Wesentlichen die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 1998 wiederholenden Ausführungen ein Beispiel hinzugefügt (so nun auch Rz 687a der aktuellen Fassung):

"Werden zB von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern Pflichtbeiträge zurückgezahlt, weil der Nebenerwerbslandwirt auf Grund seiner nichtselbständigen Bezüge die Höchstbeitragsgrundlage überschritten hat, stellen die von der Sozialversicherungsanstalt der Bauern rückgezahlten Pflichtbeiträge Einkünfte im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 dar."

13 Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 84, erhielt die Bestimmung - auf Grund eines Abänderungsantrags im Finanzausschuss - ihre für den Revisionsfall maßgebliche, durch Einfügung der Worte "oder zurückgezahlt" veränderte Fassung:

"§ 25 Abs. 1 Z 3 lit. d lautet:

‚d) Rückzahlungen von Pflichtbeiträgen, sofern diese ganz oder teilweise auf Grund des Vorliegens von Einkünften im Sinne der Z 1 einbehalten oder zurückgezahlt wurden.'"

14 Die dem Mitbeteiligten zurückerstatteten Pflichtbeiträge waren weder "ganz" noch "teilweise" auf Grund des Vorliegens von Bezügen gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 und auch nicht aus anderen Gründen "einbehalten", sondern dem Mitbeteiligten wegen des vermeintlichen Wegfalls des Dienstverhältnisses vorgeschrieben worden. Vom ursprünglichen Wortlaut des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 wären sie daher an sich nicht erfasst gewesen. Zurückgezahlt wurden sie jedoch auf Grund des Vorliegens von Bezügen gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, womit die Rückzahlung unter den für den Revisionsfall maßgeblichen Wortlaut des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 fällt.

15 Das Bundesfinanzgericht hielt dem nur entgegen, der Mitbeteiligte habe die Beiträge wegen der geringen Einkünfte aus seiner Landwirtschaft nicht (wirksam) als Betriebsausgabe geltend machen können.

16 Mit der Ansicht, dies stehe einer Anwendung des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 entgegen, setzt sich das Bundesfinanzgericht aber in Widerspruch zu dem in der Amtsrevision zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/13/0189, VwSlg 8844/F. Die Bestimmung kann danach auch zur Anwendung kommen, wenn "die Beiträge in den Jahren der Beitragszahlung tatsächlich nicht einkommensmindernd berücksichtigt" wurden. Diese Entscheidung betraf einen Fall, in dem sich die Beiträge nicht einkommensmindernd auswirken konnten, weil die Einkünfte aus der Landwirtschaft schon ohne sie mit EUR 0,00 festzustellen waren und nach § 13 Abs. 2 der damals maßgeblichen Verordnung BGBl. II Nr. 258/2005 (vgl. ähnlich § 13 Abs. 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 471/2010 und § 15 Abs. 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 125/2013) die darin ausdrücklich vorgesehene Berücksichtigung der Beiträge zu keinem Verlust führen durfte. Die Besteuerung der Rückzahlung bedeutete daher eine Steuerbelastung, zu der es ohne die Entrichtung der später zurückgezahlten Beiträge nicht gekommen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof führte dazu aus, dies sei eine Folge der Inanspruchnahme der Pauschalierung und der damit verbundenen Beschränkungen in der Geltendmachung der tatsächlichen Betriebsausgaben.

17 Nichts anderes gilt auch im vorliegenden Fall, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017130016.L00

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