VwGH vom 21.03.2018, Ra 2017/13/0007
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7102541/2012, betreffend u.a. Einkommensteuer für das Jahr 2001 (mitbeteiligte Partei: K in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Anfechtung (Einkommensteuer für das Jahr 2001) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die Mitbeteiligte war u.a. im Streitjahr 2001 als atypisch stille Gesellschafterin an einer aus einer GmbH als Geschäftsherrin und atypisch stillen Gesellschaftern bestehenden Mitunternehmerschaft beteiligt. Eine Prüfung bei dieser Mitunternehmerschaft ergab, dass den stillen Gesellschaftern, darunter auch der Mitbeteiligten, durch Scheinfakturierungen des Geschäftsführers der GmbH künstlich erzeugte Verluste zugewiesen wurden, was in der Folge auch bei der Mitbeteiligten zu einer Verkürzung der Einkommensteuer führte.
2 Das Finanzamt erließ im November 2011 einen entsprechend geänderten Feststellungsbescheid für das Jahr 2001, auf dessen Grundlage gegenüber der Mitbeteiligten mit gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeändertem Bescheid die Einkommensteuer für das Jahr 2001 höher als bisher festgesetzt wurde.
3 In der Berufung dagegen wandte die Mitbeteiligte ein, der Abänderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO stehe die bereits eingetretene Festsetzungsverjährung entgegen. Für die Beurteilung dieses Einwandes war unter den im Übrigen unstrittigen Umständen des Falles von Bedeutung, ob die Abgabe im Umfang der strittigen Abänderung hinterzogen gewesen und daher gemäß § 207 Abs. 2 BAO die längere (im Revisionsfall siebenjährige) Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben maßgeblich war.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der von ihm als Beschwerde zu behandelnden Berufung für das Streitjahr 2001 (anders als für das nicht revisionsgegenständliche Folgejahr, für das die fünfjährige Verjährungsfrist gewahrt war) statt. Es vertrat die Ansicht, die längere Verjährungsfrist komme nicht zur Anwendung, weil der Mitbeteiligten keine vorsätzliche Mitwirkung an der Abgabenhinterziehung zur Last liege:
"Einleitend ist anzumerken, dass die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 vom unstrittiger Maßen keine nachvollziehbare Feststellungen, wonach die Bf. nämliche Abgaben nachweislich hinterzogen hat, respektive, vorsätzlich an der Hinterziehung derselben mitgewirkt hat (ergänze: enthalten), sondern diese lediglich mit den - im Verwaltungsgeschehen ausführlich dargestellten - Feststellungen der Betriebsprüfung bei der zwischenzeitig aufgelösten X GmbH & atypisch stille Gesellschaft begründet wurden.
(...)
Vor dem Hintergrund vorstehender Ausführungen steht zwar unbestrittener Maßen fest, dass durch die Scheinfakturierungen des Geschäftsführers den atypisch Beteiligten, sprich sohin auch der Bf. ‚überhöhte' Verluste zugewiesen worden sind, so dass in objektiver Betrachtung eine Verkürzung der Einkommensteuer bewirkt wurde. Dessen ungeachtet, lässt - wie schon an oberer Stelle ausgeführt - die Begründung jegliche Ausführungen in Bezug auf eine vorsätzliche (Mit)beteiligung der Bf. an voran geführten Malversationen vermissen.
Nach Auffassung des BFG ist - aber ohne Nachweisführung vorsätzlichen Handelns der Bf. - die im Zuge der Maßnahme nach § 295 Abs. 1 BAO ‚automatisch' erfolgte Zugrundelegung der Siebenjahresfrist weder mit der betreffend die Höhe der Einkünfte resultierenden uneingeschränkten Bindungswirkung zwischen Gewinnfeststellungsverfahren und Einkommensteuerveranlagungsverfahren begründbar, noch stehen im zu beurteilenden Verfahren der die Scheinfakturen erstellende Geschäftsführer und die am Unternehmen atypisch beteiligte Bf. in einem Gesamtschuldverhältnis, mit der Folge dass auf Grund der ‚Einheitlichkeit des Abgabenanspruchs' jeder, wenn auch schuldloser Gesamtschuldner die dem Abgabenanspruch anhaftende Abgabenhinterziehung via Anwendung der verlängerten Verjährungsfrist gegen sich gelten lassen muss (Stoll, BAO, Band 2, § 207, Seite 2172)."
5 Da die Siebenjahresfrist nicht zur Anwendung komme und die Fünfjahresfrist für das Jahr 2001 auch bei Berücksichtigung der unternommenen Amtshandlungen nicht gewahrt sei, sei dem Rechtsmittel in Bezug auf dieses Jahr stattzugeben.
6 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
7 Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Finanzamtes. Die Mitbeteiligte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Die Revision ist zulässig und begründet.
10 Auch das Finanzamt geht davon aus, dass die von der Mitbeteiligten bekämpfte Abänderung des Einkommensteuerbescheides gemäß § 295 Abs. 1 BAO nur bis zum Ablauf der Verjährungsfrist erfolgen durfte (vgl. § 302 Abs. 1 BAO) und dies für das Streitjahr 2001 voraussetzte, dass die Abgabe hinterzogen und daher die in § 207 Abs. 2 BAO für diesen Fall vorgesehene längere Verjährungsfrist maßgeblich war.
11 Mit Recht macht das Finanzamt aber geltend, dass das Bundesfinanzgericht bei der Beurteilung der Frage, ob die Abgabe hinterzogen war, von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, wonach nicht der Abgabepflichtige selbst für die Hinterziehung der Abgabe verantwortlich sein muss (vgl. dazu die Nachweise bei Ritz, BAO6, § 207 Tz 16; zuletzt ). Der für die Hinterziehung Verantwortliche kann dabei auch ein Beitragstäter sein (vgl. , VwSlg 8294/F). Dass die rechtswidrige Zuweisung von Verlusten eine solche Beitragstäterschaft begründen kann, wurde für Konstellationen wie die hier vorliegende schon bejaht (vgl. , und , 95/15/0184, VwSlg 7180/F, jeweils im Zusammenhang mit der Rechtzeitigkeit einer Selbstanzeige; ). Mangels qualitativer Akzessorietät der Beitragstäterschaft (vgl. dazu etwa ; , 13 Os 105/15p; Winkler in Tannert/Kotschnigg, Finanzstrafgesetz (2014), § 11 Rz 63) ist es dafür nicht erforderlich, dass auch der Ausführende (im vorliegenden Fall: die Mitbeteiligte) vorsätzlich handelt.
12 Im Hinblick auf diese Rechtsprechung ließ sich das Vorliegen einer hinterzogenen Abgabe und die Anwendbarkeit der längeren Verjährungsfrist bloß damit, dass keiner der bei Stoll behandelten Fälle einer Gesamtschuld vorliege und der Mitbeteiligten kein Vorsatz zur Last liege, nicht fehlerfrei verneinen.
13 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017130007.L00 |
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