VwGH vom 11.05.2010, 2008/05/0014
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie den Senatspräsidenten Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde 1. des AH und 2. der BH, beide in W, beide vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BauR-013747/2-2007-Ba/En, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde W, vertreten durch Holme und Weidinger Rechtsanwälte-OG in 4600 Wels, Dr. Koss-Straße 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren der Beschwerdeführer wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer einer Liegenschaft in der mitbeteiligten Marktgemeinde, auf welcher sich ein ca. 100 Jahre altes Wohngebäude befindet.
Nachdem die Beschwerdeführer mehrmals dem zuständigen Rachfangkehrer den Zutritt für die vorgeschriebene Kehrung verweigerten, ordnete der Bürgermeister für den eine bau- und feuerpolizeiliche Überprüfung des Gebäudes an. Dieser Überprüfung wurde auch der Sachverständige Ing. M. hinzugezogen. Die Dachgeschoßwohnung konnte nicht überprüft werden, weil sie versperrt war.
In seinem Befund vom führte der Sachverständige Ing. M. aus, dass wegen des Alters des Wohnobjektes von etwa 100 Jahren keine Einreichpläne bestünden. Die Beschwerdeführer hätten das Wohngebäude, das drei Wohnungen aufweise, entsprechend saniert. In baupolizeilicher Hinsicht würden keine Mängel bestehen. Die beiden Wohnungen im Erd- und Obergeschoss seien als Bestand vorhanden gewesen. Im Dachgeschoss sei eine kleine Wohnung, die nicht besichtigt habe werden können, laut Auskunft der Eigentümer "eingebaut". In seinem anschließenden Gutachten führte der Sachverständige aus, für die nachträglich eingebaute Kleinwohnung müsse um eine Baubewilligung angesucht oder eine Bauanzeige mit den entsprechenden Unterlagen eingebracht werden.
Laut einem Aktenvermerk vom über ein Telefongespräch einer Bediensteten des Gemeindeamtes mit dem Voreigentümer K. des Wohngebäudes sei beim Verkauf des Wohngebäudes an die Beschwerdeführer (lt. nunmehr angefochtenem Bescheid im Jahr 2001) im Dachgeschoß nur ein ca. 12 m2 großes, als Abstellraum genütztes Zimmer vorhanden gewesen.
Mit Verständigung vom ordnete der Bürgermeister für den erneut eine baupolizeiliche Überprüfung an. Als Sachverständiger wurde wieder Ing. M. beigezogen.
In seinem Gutachten hielt der Sachverständige fest, dass im Dachgeschoss eine Wohnung eingebaut worden sei. Die Beschwerdeführer hätten ausgeführt, dass diese Wohnung beim Kauf bereits vorhanden gewesen und lediglich adaptiert worden sei, indem ein Nassraum (Bad und WC) eingebaut worden sei. Aus dem Aktenvermerk vom über ein Telefongespräch vom Gemeindeamt der mitbeteiligten Partei mit dem Voreigentümer des Wohngebäudes K. sei jedoch hervorgegangen, dass diese Räumlichkeiten nicht vorhanden gewesen seien. Laut diesen Angaben habe im Dachgeschoss nur ein Abstellraum in einer Größe von 12 m2 bestanden. Der Sachverständige gehe daher davon aus, dass die gegenständliche Wohnung im Dachgeschoss von den Beschwerdeführern neu errichtet worden sei. Da außen am Wohngebäude (ausgenommen Dachflächenfenster) keine Veränderungen vorgenommen worden seien, handle es sich um ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben. In einem Aktenvermerk vom selben Tag wurde festgehalten, im Zuge der baupolizeilichen Überprüfung sei der Einbau einer "kompletten" Wohnung im Dachgeschoss festgestellt worden. Die Niederschrift über die Überprüfung wurde den Beschwerdeführern zur Stellungnahme übermittelt; die eingeräumte Frist blieb ungenützt.
Ein vom Bürgermeister mit Bescheid vom erteilter Auftrag, eine Bauanzeige für die Wohnung im Dachgeschoss einzubringen, bestätigt vom Gemeinderat auf Grund einer Berufung durch die Beschwerdeführer, verfiel der Aufhebung durch den Bescheid der belangte Behörde vom . Die Baubehörde hätte mit einem Alternativauftrag vorgehen müssen; bei bewilligungsfähigen Bauvorhaben sei den Bauwerbern aufzutragen, entweder um eine Baubewilligung anzusuchen oder das bereits errichtete Bauvorhaben innerhalb einer angemessen Frist zu entfernen. Im gegenständlichen Fall seien die Beschwerdeführer aber nur aufgefordert worden, eine Anzeige einzubringen. Im fortgesetzten Verfahren sei durch ein Gutachten zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Bauanzeige tatsächlich vorlägen.
In dem vom Bürgermeister im Folgenden in Auftrag gegebenen Gutachten vom führte der Sachverständige Ing. M. aus, der gegenständliche Dachgeschoßausbau sei auf Grund der Auswirkungen auf den Brandschutz und den Einfluss auf tragende Bauteile anzeigepflichtig.
In ihrer Stellungnahme zu diesem Gutachten rügten die Beschwerdeführer insbesondere, dass die Schlussfolgerung, die Bauführung entfalte Auswirkungen auf den Brandschutz und auf tragende Bauteile, durch keinerlei Ermittlungsergebnisse gedeckt sei.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides vom dahingehend abgeändert, dass die Beschwerdeführer den Einbau der Wohnung im Dachgeschoss gemäß § 49 Abs. 1 Oö. BauO binnen einer Frist von drei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides anzeigen oder binnen einer weiteren Frist von drei Monaten den Einbau abtragen bzw. rückbauen und den ordnungsgemäßen Zustand wiederherstellen müssten. Im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen. Auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen Ing. M. hinsichtlich des Brandschutzes und des Einflusses auf tragende Bauteile sei der Einbau der Dachgeschosswohnung als anzeigepflichtig anzusehen. Auch wenn dieser Einbau der Dachgeschosswohnung vor dem Kauf des Wohnobjektes durch die Beschwerdeführer durchgeführt worden sei, so seien dennoch die Beschwerdeführer auf Grund der dinglichen Wirkung zur Anzeige verpflichtet.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer keine Folge. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass es sich bei der gegenständlichen Dachgeschosswohnung um eine von den Beschwerdeführern nach deren Erwerb des Hauses im Jahr 2001 errichtete, anzeigepflichtige Ausführung gehandelt habe. Die nach Ansicht der belangten Behörde schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen hinsichtlich des Brandschutzes und des Einflusses auf tragende Bauteile würden zu einer Anzeigepflicht führen, weil es nicht auf konkrete Auswirkungen, sondern auf die abstrakte Eignung eines solchen Einflusses ankomme.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehren.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - wie die mitbeteiligte Marktgemeinde - eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer bringen vor, dass sie entgegen den Ausführungen des Sachverständigen Ing. M. lediglich Sanitärräume eingebaut hätten und die Wohnung saniert hätten. Die gegenständliche Dachgeschosswohnung sei bei ihrem Kauf des Wohnobjektes bereits vorhanden gewesen. Die Dachgeschosswohnung sei vom baubehördlichen Konsens mitumfasst und es könne daher auch diesbezüglich keine dingliche Wirkung der Anzeigepflicht bestehen. Der Einbau lediglich der Nassräume und die Sanierung der Wohnung begründe jedenfalls keine Anzeigepflicht. Die belangte Behörde habe nicht festgestellt, dass Baumaßnahmen der Beschwerdeführer vom ursprünglichen Baukonsens abgewichen seien. Im Übrigen hätten die Baubehörden zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens festgestellt, wie viele Zimmer die Wohnung habe oder ob etwaige andere Ausbauten bestehen würden. Diese Unbestimmtheit der Feststellungen des Bescheides würde zu einer Verletzung des Bestimmtheitsgebotes führen. Die Ausführungen des Sachverständigen Ing. M. würden die rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde unzulässig vorwegnehmen. Der Sachverständige Ing. M. begründe nicht nachvollziehbar, wieso ein Einfluss der Dachgeschoßwohnung auf tragende Bauteile und den Brandschutz bestehe und es so zu einer Anzeigepflicht komme. Der Sachverständige habe nicht jene Baumaßnahmen konkretisiert, die solche Auswirkungen hätten. Es liege ein Begründungsmangel vor, da die belangte Behörde nicht jene Baumaßnahmen darstelle, durch welche der baurechtliche Konsens überschritten werde.
Der vorliegende Alternativauftrag wurde auf § 49 Oö. BauO (im Folgenden stets idF LGBl. Nr. 96/2006) gestützt; die Bestimmungen des § 49 Oö. BauO gelten nach § 25a Abs. 5 Oö. BauO sinngemäß auch für anzeigepflichtige Bauvorhaben. § 49 Oö. BO lautet auszugsweise:
"(1) Stellt die Baubehörde fest, dass eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, hat sie - unabhängig von § 41 - dem Eigentümer der baulichen Anlage mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist die Baubewilligung zu beantragen oder die bauliche Anlage innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist zu beseitigen und gegebenenfalls den vorigen Zustand wiederherzustellen. Die Möglichkeit, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, ist dann nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden kann."
Die Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages setzt voraus, dass für die betreffende bauliche Anlage sowohl im Zeitpunkt seiner Errichtung als auch im Zeitpunkt der Erlassung des baupolizeilichen Auftrages die Bewilligungspflicht gegeben war und ist, also die bauliche Anlage zu beiden Zeitpunkten einer baubehördlichen Bewilligung bedurfte und bedarf (siehe die Nachweise bei Neuhofer , Oberösterreichisches Baurecht6, 369), was gemäß § 25a Abs. 5 Oö. BauO sinngemäß auch für anzeigepflichtige Bauvorhaben gelten muss.
Nach § 24 Abs. 1 Z. 1 Oö. BauO bedürfen der Neu-, der Zu- oder der Umbau von Gebäuden einer Baubewilligung, soweit die §§ 25 und 26 nichts anderes bestimmen. Die in § 25 Oö. BauO aufgezählten Vorhaben sind anzeigepflichtig; dessen Abs. 1 auszugsweise lautet:
"(1) Folgende Bauvorhaben sind der Baubehörde vor Beginn der Bauausführung anzuzeigen (Bauanzeige), soweit § 26 nichts anderes bestimmt:
3. die nicht unter § 24 Abs. 1 Z. 1 fallende Änderung oder Instandsetzung von Gebäuden, wenn eine solche Baumaßnahme von Einfluss auf die Festigkeit tragender Bauteile, den Brandschutz, die gesundheitlichen oder hygienischen Verhältnisse oder das Orts- und Landschaftsbild ist oder das äußere Aussehen des Gebäudes wesentlich verändert;"
§ 26 Oö. BauO zählt die bewilligungs- und anzeigefreien Bauvorhaben auf; diese Bestimmung lautet auszugsweise:
"Weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige bedürfen die in den §§ 24 und 25 nicht angeführten Bauvorhaben; dies gilt insbesondere für
1. den Einbau von Sanitärräumen und den sonstigen Innenausbau von bestehenden Gebäuden, soweit er nicht unter § 24 Abs. 1 Z. 1 oder unter § 25 Abs. 1 Z. 3 fällt;"
Ein Dachbodenausbau als Wohnung kann bewilligungspflichtig (§ 24 Abs. 1 Z. 1), anzeigepflichtig (§ 25 Abs. 1 Z. 3) oder als Innenausbau bewilligungs- und anzeigefrei (§ 26 Z. 1) sein; dies kann nur im Einzelfall entschieden werden ( Neuhofer , aaO, 196).
Eine Bewilligungspflicht wurde von den Behörden nicht angenommen; zu prüfen war im Beschwerdefall einerseits, ob Baumaßnahmen gesetzt wurden, die über den Umfang des § 26 Z. 1 Oö. BauO hinausgehen, andererseits, wann welche Maßnahmen gesetzt wurden, weil, wie oben zu § 49 Oö. BauO ausgeführt, die Unterordnung unter den Anzeigetatbestand zeitbezogen erfolgt. Dazu kommt, dass Baumaßnahmen, die von dem seit 100 Jahren bestehenden Konsens gedeckt sind, keinesfalls Gegenstand eines Bauauftrages sein können.
Eine Befundaufnahme hinsichtlich des Bestandes am Dachgeschoß erfolgte nicht. Die belangte Behörde stellte lediglich fest, "die in Rede stehende Dachgeschoßwohnung" sei nach dem Erwerb des Gebäudes durch die Beschwerdeführer im Jahr 2001 hergestellt worden (der Erwerbszeitpunkt 2001 lässt sich aus dem Akt nicht nachvollziehen, wird aber von den Beschwerdeführern nicht bestritten). Woraus die "in Rede stehende" Wohnung besteht, wurde nicht geklärt; es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sie auch nur aus dem vom Voreigentümer angegebenen, 12 m2 großen Abstellraum und dem hinzugekommenen Sanitärraum besteht. Bezüglich des Entstehungszeitpunktes beruft sich die Behörde auf die mit dem Sachverständigen im Gemeindeamt am aufgenommene Niederschrift (die Beschwerdeführer werden nicht als anwesend geführt), in der es heißt: "Im Dachgeschoß wurde eine kleine Wohnung, welche nicht besichtigt werden konnte, laut Auskunft der Eigentümer eingebaut". Es kann dahingestellt bleiben, ob damit, wie die belangte Behörde meint, in Verbindung mit der Aussage des Voreigentümers auf einen Errichtungszeitpunkt nach 2001 zwingend geschlossen werden kann, weil nach wie vor nicht feststeht, was - außer einem Sanitärraum - errichtet wurde.
Ohne Feststellung des konsenslosen Bestandes kann aber auch nicht beurteilt werden, ob getroffene Baumaßnahmen die abstrakte Eignung aufweisen, einen Einfluss auf die Festigkeit tragender Bauteile, den Brandschutz, die gesundheitlichen oder hygienischen Verhältnisse ausüben. Ein solcher Einfluss mag durch den Einbau einer Heizung zu bejahen sein; es steht aber nicht fest, ob dort eine Heizung vorhanden ist oder nicht.
Jedenfalls belastete die belangte Behörde dadurch, dass sie die aufgezeigten Mängel des Gemeindeverfahrens nicht wahrnahm, ihrerseits ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2; die dort vorgesehenen Pauschbeträge beinhalten auch die Umsatzsteuer.
Wien, am