zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 30.05.2007, 2005/06/0375

VwGH vom 30.05.2007, 2005/06/0375

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Khozouei, über die Beschwerde der Gemeinde L in G, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , GZ. FA13B-12.10 L 202-05/46, betreffend Devolutionsantrag in Bezug auf Anträge in einem Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: Umweltanwalt des Landes Steiermark in 8010 Graz, Stempfergasse 7) zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bürgermeisterin der Beschwerdeführerin erteilte der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom die Baubewilligung für die Errichtung eines "Aussichtsturmes L..." am K-Berg, Gst. Nr. X, KG U., und in der Folge mit Bescheid vom die Benützungsbewilligung für den errichteten Turm.

Die mitbeteiligte Partei stellte mit Schriftsatz vom die Anträge, dem ergänzend durchzuführenden Verfahren als Partei zugezogen zu werden, in eventu das Bauverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG wieder aufzunehmen und dem Mitbeteiligten Parteistellung einzuräumen.

Die mitbeteiligte Partei wies mit der an die Bürgermeisterin der Beschwerdeführerin gerichteten Eingabe vom auf die Bestimmung des § 73 Abs. 1 AVG hin und stellte das Ersuchen, den Antrag vom einer behördlichen Erledigung zuzuführen, die Entscheidungsfrist laufe am ab.

Die Bürgermeisterin der Beschwerdeführerin teilte der mitbeteiligten Partei mit Schriftsatz vom unter Verweis auf ein weiteres Schreiben mit, dass seitens der Fachabteilung 17C (der belangten Behörde) ein schalltechnisches Projekt ausgearbeitet werde, welches Verbesserungen der Situation erbringen solle. Erst nach Vorliegen dieser Vorschläge könne eine Abänderung des rechtskräftigen Bescheides erfolgen. Die Bürgermeisterin würde sich freuen, wenn es möglich wäre, innerhalb einer Fachabteilung (FA 13) einen gemeinsamen Nenner zu finden. Frau Liliane Pistotnig vom Büro des Umweltanwaltes antwortete darauf der Bürgermeisterin der Beschwerdeführerin mit e-Mail vom , dass die Ausarbeitung des schalltechnischen Projektes und dessen Umsetzung abgewartet werde, um die Ausarbeitung von Lösungen nicht zu behindern.

Die mitbeteiligte Partei wies in der Folge in ihrem Schreiben (Fax) vom u.a. darauf hin, dass der Antrag vom nach wie vor unerledigt geblieben sei.

Mit Schriftsatz vom stellte die mitbeteiligte Partei einen Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG an den Gemeinderat der Beschwerdeführerin, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung über ihre Anträge vom auf diesen, als sachlich in Betracht kommender Oberbehörde, übergehe.

Der Gemeinderat der Beschwerdeführerin wies diesen Antrag mit Bescheid vom ab. Mit dem Mail vom habe die mitbeteiligte Partei implizit auf einen unmittelbaren Abspruch über den Antrag vom verzichtet bzw. sei der Behörde an der Nichtentscheidung kein überwiegendes Verschulden anzulasten. Aus der in dem Telefax vom erfolgten Urgenz der mitbeteiligten Partei auf Erledigung des Antrages sei zu schließen gewesen, dass der ausgesprochene Verzicht auf Erledigung des Antrages nicht mehr wirksam sein sollte. Die Frist des § 73 Abs. 1 AVG von 6 Monaten habe daher mit dem Schriftsatz vom begonnen. Lange vor Ablauf der 6-Monats-Frist sei der vorliegende Devolutionsantrag vom gestellt worden. Der verfrüht gestellte Antrag sei daher abzuweisen.

Die mitbeteiligte Partei machte in der dagegen erhobenen Vorstellung u.a. geltend, dass sie mit dem Mail vom keinesfalls auf die Erledigung ihrer Anträge vom habe verzichten wollen. Sie habe nur das behördliche Ermittlungsverfahren nicht behindern wollen.

Die belangte Behörde gab der Vorstellung der mitbeteiligten Partei mit dem angefochtenen Bescheid Folge und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Beschwerdeführerin.

Begründend führte die belange Behörde im Wesentlichen aus, dem Schreiben der mitbeteiligten Partei vom könne nicht der Inhalt beigemessen werden, dass damit ein Verzicht auf einen Abspruch über den Antrag vom verbunden sei. Sei ein Anbringen nicht klar und zweifelsfrei formuliert, so dürfe ihm nicht von Vornherein ein für den Antragsteller ungünstiger Inhalt unterstellt werden. Vielmehr ergebe sich aus der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur, dass bei einem Zweifel über den Inhalt eines Anbringens der Wille der Partei von Amts wegen zu erforschen sei. Der vom Gemeinderat angenommene Inhalt sei dem Schreiben vom nicht zu entnehmen. Es wäre die Pflicht der Behörde gewesen, den Gegenstand dieses Anbringens näher zu ermitteln.

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift samt Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 73 Abs. 1 und 2 AVG 1991, BGBl. Nr. 51 i.d.F.

BGBl. I Nr. 65/2002 lauten:

"§ 73

(1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

..."

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ansicht der belangten Behörde, dem Schreiben der mitbeteiligten Partei vom könne nicht der Inhalt beigemessen werden, dass damit ein Verzicht auf einen Abspruch über den Antrag vom verbunden sei. Nach dem Wortlaut der Eingabe vom ("Die Ausarbeitung des schalltechn. Projektes und die Umsetzung in der Realität werde ich selbstverständlich abwarten, um die Ausarbeitung von Lösungen nicht zu behindern") habe die mitbeteiligte Partei unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie die Ausarbeitung des gegenständlichen schalltechnischen Projekts und seine Umsetzung abwarten wolle, bevor sie ihren Antrag vom erledigt wissen wollte. Der Umweltanwalt habe zu verstehen gegeben, dass er eine Sistierung der Behandlung seines Antrages und solcherart der Unterbrechung der Entscheidungsfrist bis zur Umsetzung des schalltechnischen Projektes akzeptiere. Zweifel über den so zu verstehenden Inhalt der gegenständlichen Eingabe hätten die Behörden der Beschwerdeführerin nicht haben müssen. Angesichts des Wortlautes dieser Eingabe treffe daher die Beschwerdeführerin kein Verschulden im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Der Gemeinderat der Beschwerdeführerin hat nicht - wie die Beschwerdeführerin nun meint - die Ansicht vertreten, dass die mitbeteiligte Partei vorübergehend (ab ihrer Erklärung) auf die Erledigung des Antrages vom verzichtet hat, sondern sie hat dem gegenüber angenommen, dass die mitbeteiligte Partei überhaupt mit ihrer Erklärung auf die Erledigung dieses Antrages verzichtet hat und dieser Verzicht mit der neuerlichen Urgenz vom unwirksam wurde, von welchem Zeitpunkt an ihrer Ansicht nach die Frist neu zu laufen begonnen habe. Gerade die Beschwerdeausführungen selbst machen deutlich, dass die Bedeutung der Erklärung der mitbeteiligten Partei vom zweifelhaft war. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Deutung einer Parteienerklärung als Verzicht ausgesprochen, dass dabei besondere Vorsicht geboten sei. Diese Annahme sei nur zulässig, wenn die entsprechenden Erklärungen der Partei keinen Zweifel offen lassen. Gegebenenfalls habe die Behörde eine Klarstellung durch die Partei herbeizuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/10/0192). Der belangten Behörde ist auch darin zu folgen, dass bei Unklarheit eines Anbringens nicht von vorneherein ein für den Antragsteller ungünstiger Inhalt unterstellt werden darf. Parteienerklärungen sind vielmehr im Zweifel so auszulegen, dass die diese abgebende Partei nicht um ihren Rechtschutz gebracht wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/07/0070). Eine Unklarheit eines Anbringens - wie im vorliegenden Fall - gebietet vielmehr, dass die Behörde von Amts wegen darüber beim Antragsteller Ermittlungen anstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/20/0530), wozu im Beschwerdefall auch die Überprüfung gehörte, der die Mitteilung vom überhaupt dem Umweltanwalt zuzurechnen war. Da die Gemeindebehörden dies unterlassen haben, erfolgte die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates zu Recht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch auf Kostenersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II. Nr. 333/2003.

Wien, am