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VwGH vom 13.04.2010, 2008/05/0001

VwGH vom 13.04.2010, 2008/05/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie den Senatspräsidenten Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Dr. Klaus-D. Strobach, Dr. Wolfgang Schmidauer und Mag. Renate Aigner, Rechtsanwälte in 4710 Grieskirchen, Stadtplatz 5, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. UR- 2007-8283/2-ZO/KN, betreffend Kanalanschluss (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Y), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Liegenschaft E 11 in der mitbeteiligten Gemeinde, auf welcher sich ein landwirtschaftlicher Betrieb sowie ein angeschlossener Wohnbereich befindet. Für die entstehenden Abwässer ließ der Beschwerdeführer drei Senkgruben errichten.

Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Ausnahmebewilligung von der Kanalanschlusspflicht gemäß § 13 Oö. Abwasserentsorgungsgesetz. Die in diesem Objekt gemeldeten fünf Personen würden gemäß dem vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antragsblatt insgesamt jährlich 190 m3 Abwässer erzeugen. (Der Abwasseranfall je Person in Höhe von 38 m3 ist auf dem Antragsformular vorgegeben.) Die selbstbewirtschaftete landwirtschaftliche Nutzfläche (Eigentumsfläche), die für die Ausbringung geeignet sei, betrage 3,24 ha. Die Summe des Grubenraumes der vorhandenen drei Senkgruben betrage 48,26 m3.

Mit Schreiben vom teilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer mit, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung von der Kanalanschlusspflicht nicht erfüllt seien, weil weder der erforderliche Grubenraum von 95 m3 noch die erforderliche Ausbringungsfläche von 3,80 ha vorhanden seien.

Mit Stellungnahme vom erwiderte der Beschwerdeführer, dass die Senkgruben mit Gesamtvolumen von 48,26 m3 in einem sehr guten Zustand und nie von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft beanstandet worden seien. Sein landwirtschaftlicher Betrieb sei seit zur Gänze an seine Tochter verpachtet. Bis seien Stiere gezüchtet worden, seither sei der Betrieb viehlos. Daher setzten sich die Abwässer nur mehr aus Abwasser von WC, dem Bad und der Küche zusammen. Während aufrechter Tierhaltung habe ausreichend Raum in den Senkgruben bestanden. Der Beschwerdeführer besitze Grundflächen im Ausmaß von 3,59 ha, wobei 3,24 ha landwirtschaftlich genützt würden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung abgewiesen. Der Beschwerdeführer verfüge nicht über ausreichend selbstbewirtschaftete Ausbringungsflächen zu Düngezwecken, die Ausbringungsflächen habe er an seine Tochter verpachtet.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, es handle sich trotz Verpachtung um selbstbewirtschaftete Flächen, da das ABGB in dessen § 40 als "Familie" die Stammeltern und ihre Nachkommen ansehe. Die Tochter wohne mit ihrer Familie (insgesamt 4 Personen) im selben Haus.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde wies mit seinem Bescheid vom die Berufung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer verfüge über zu wenig selbstbewirtschaftete Ausbringungsflächen zu Düngezwecken und die vorhandenen Senkgruben würden für eine sechsmonatige Lagerung der Abwässer nicht ausreichen. Im Übrigen müssten die Ausbringungsflächen im Eigentum des Antragstellers stehen, die er auch selbst zu bewirtschaften habe. Die Verpachtung an ein Familienmitglied genüge diesem Erfordernis nicht.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge. Wenn der Beschwerdeführer seinen landwirtschaftlichen Betrieb im Ganzen an seine Tochter verpachtet habe, bewirtschafte er den landwirtschaftlichen Betrieb nicht selbst. § 13 Oö. Abwasserentsorgungsgesetz gehe jedoch davon aus, dass der antragsberechtigte Eigentümer die Ausbringungsflächen selbst zu bewirtschaften habe. Der Vorstellung sei bereits aus diesem Grund keine Folge zu geben, sodass auf das Volumen der Senkgruben und die Größe der Ausbringungsflächen nicht mehr einzugehen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift. Die mitbeteiligte Gemeinde legte keine Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die Legitimation für die Antragstellung zur Befreiung von der Kanalanschlusspflicht gemäß dem Oö. Abwasserentsorgungsgesetz eng mit dem Eigentumsrecht verbunden sei. Eine Antragslegitimation für den Pächter sei systemwidrig und würde zudem die Rechte eines Eigentümers ungebührlich beschränken. Der Antrag auf Befreiung von der Kanalanschlussverpflichtung sei daher nur vom Beschwerdeführer als grundbücherlicher Eigentümer zu stellen.

Die Ausbringungsflächen müssten jedoch nicht vom Eigentümer bewirtschaftet werden um als "selbstbewirtschaftet" im Sinne des Oberösterreichischen Abwasserentsorgungsgesetzes zu gelten. Die Bestimmung des § 13 leg. cit. solle verhindern, dass nebeneinander Eigentümer und Pächter Abwässer auf dieselbe Fläche ausbringen würden. Diese Problemstellung trete im gegenständlichen Fall nicht auf, da die Tochter des Beschwerdeführers nur die Abwässer des von ihr gepachteten Betriebes ausbringe. Eine doppelte Belastung der Ausbringungsfläche sei auszuschließen. Nach Auskunft der Landwirtschaftskammer Oberösterreich verhindere eine Verpachtung von Ausbringungsflächen nicht die Erteilung der begehrten Ausnahme. Die belangte Behörde habe keine Einsicht in den Pachtvertrag genommen und kenne somit nicht den Einfluss der Verpachtung auf die Abwässerausbringung.

Gemäß § 12 Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001, LGBl. Nr. 27, besteht unter den dort genannten Voraussetzungen eine Anschlusspflicht von Grundstücken an die öffentliche Kanalisation.

§ 13 leg. cit. nennt Ausnahmen von der Anschlusspflicht; dessen Abs. 1 lautet:

"(1) Die Behörde hat land- und forstwirtschaftliche Objekte oder Objektteile über Antrag des Eigentümers mit Bescheid von der Anschlusspflicht auszunehmen, wenn

1. es sich nicht um Objekte oder Objektteile handelt, die gemäß § 30 Abs. 6 und 8 des Oö. Raumordnungsgesetzes 1994 verwendet werden, und

2. nachgewiesen wird, dass die anfallenden Abwässer auf selbstbewirtschaftete geeignete Ausbringungsflächen nach Maßgabe der Bestimmungen des Oö. Bodenschutzgesetzes 1991 und sonstiger Rechtsvorschriften zu Düngezwecken ausgebracht werden können."

Die belangte Behörde hat das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes allein deshalb verneint, weil die Ausbringungsflächen nicht "selbstbewirtschaftet" sind. Zur Frage, ob im gegebenen Zusammenhang tatsächlich eine derart restriktive Interpretation geboten ist, wie sie von der belangten Behörde vorgenommen wurde, ist zunächst auf die Gesetzesmaterialien zu verweisen. Im Bericht des Ausschusses für Umweltangelegenheiten, Beilage 997/2001 zum kurzschriftlichen Bericht des Oö Landtags, XXV. Gesetzgebungsperiode, wird zu § 13 ausgeführt (Hervorhebung nicht im Original):

"§ 13 legt die Ausnahme von der Anschlusspflicht für landwirtschaftliche Objekte fest, wobei es dabei nur um den Anschluss hinsichtlich der häuslichen Abwässer geht. Landwirtschaftliche Abwässer dürfen ohnedies nicht in die öffentliche Kanalisation eingeleitet werden. Ausnahmen für Abwasser aus Sondernutzungen (§ 30 Abs. 6 und 8 Oö. ROG) sind - wie bisher - ausgeschlossen (Abs. 1 Z. 1). Ein Objekt, dass verschiedene Verwendungen hat, darf daher nur so weit ausgenommen werden, als es sich um häusliches Abwasser aus der herkömmlichen Landwirtschaft handelt. Die Definition des Objekts (§ 2 Abs. 1 Z. 13) ermöglicht eine Gleichbehandlung von landwirtschaftlichen Anwesen: die Ausnahme kann für einzelne Gebäude gewährt werden, wenn der Hofbereich aus mehreren Gebäuden gebildet wird (z.B. zwei Wirtschaftsgebäude, von denen eines für den landwirtschaftlichen Betrieb bestimmt ist und das andere gemäß § 30 Abs. 6 und 8 Oö. ROG genützt wird). Die Ausnahme kann aber auch für den Teil eines Gebäudes gewährt werden (z.B. wenn ein Vierkanthof unterschiedlich genutzt wird). Die Ausnahme ist antragsbedürftig; dem Antrag ist auch ein Nachweis anzuschließen, dass die anfallenden Abwässer nach den Bestimmungen des Oö. Bodenschutzgesetzes oder sonstiger Rechtsvorschriften auf selbstbewirtschaftete Flächen ausgebracht werden können. Dieser Nachweis wird dadurch erbracht, dass der Antragsteller entweder über genügend eigene, aus Sicht des Oö. Bodenschutzgesetzes für die Ausbringung geeignete Kulturflächen verfügt oder dass er entsprechende Kulturflächen rechtlich gesichert hat . ...

Im Übrigen ist anzumerken, dass § 13 nur auf jene Objekte anzuwenden ist, die innerhalb des 50 m-Bereichs der öffentlichen Kanalisation liegen. Das Auszugshaus teilt dabei das 'rechtliche Schicksal' des Hauptgebäudes: Die Ausnahme des Hauptgebäudes von der Anschlusspflicht gilt daher - ebenso wie der Widerruf - auch für das Auszugshaus."

Nach diesem Bericht könnte das Erfordernis, dass der Antragsteller über genügend eigene Kulturflächen verfügt, dadurch ersetzt werden, dass er entsprechende Kulturflächen "rechtlich gesichert hat"; dies hat der Gesetzgeber allerdings nicht ins Gesetz aufgenommen. Im Beschwerdefall muss aber nicht geprüft werden, ob die Ausbringungsmöglichkeit auch durch Vereinbarung mit irgendwelchen Dritten gesichert werden kann.

Ein vergleichbares Erfordernis war nämlich schon in der Vorgängerbestimmung, dem § 38 Abs. 1 Oö BauO 1976, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 66/1994, formuliert: Danach konnten von der Anschlusspflicht land- und forstwirtschaftliche Bauten und dazugehörige Grundflächen so weit ausgenommen werden, als die Abwässer im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb zu Düngezwecken verwendet werden.

Zu dieser Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 83/05/0037, VwSlg 11202/A (zitiert bei Neuhofer , Oö. Baurecht 20005, 377), ausgeführt, auch dann, wenn der Ausnehmer seinen landwirtschaftlichen Betrieb verpachtet habe, sei die gesetzliche Voraussetzung der Verwendung der Abwässer im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb zu bejahen. Der Verwaltungsgerichtshof hat somit im Zusammenhang mit einer Ausnahme von der Kanalanschlusspflicht der Frage, ob die Übergabe des landwirtschaftlichen Betriebes an die nächste Generation durch Eigentumsübertragung, oder zunächst bloß durch Verpachtung erfolgt, keine Bedeutung beigemessen und auch bei der Verpachtung einen "eigenen landwirtschaftlichen Betrieb" angenommen.

Wenn nunmehr nicht auf einen "eigenen landwirtschaftlichen Betrieb", sondern auf "selbstbewirtschaftete Ausbringungsflächen" abgestellt wird, ist kein Grund erkennbar, dass das Attribut "selbst" im gegebenen Zusammenhang eine andere Bedeutung haben soll als "eigene"; wenn der Betrieb im Familienverband verpachtet wurde, müssen die Ausbringungsflächen daher als "selbstbewirtschaftet" angesehen werden. Dafür spricht schließlich auch der Umstand, dass nach dem zitierten Ausschussbericht, ganz im Sinne der genannten Rechtsprechung, die Ausnahme des Hauptgebäudes von der Anschlusspflicht auch für ein Auszugshaus gelten soll. Auch wenn das Eigentum bereits an die nächste Generation übertragen wurde und die Übergeber in einem Auszugshaus leben, ist trotzdem von "selbstbewirtschafteten Ausbringungsflächen" auszugehen.

Ausgehend von ihrer Rechtsauffassung, dass eine Verpachtung, auch innerhalb der Familie, der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung im Wege stehe, hat sich die belangte Behörde mit der Frage, ob allenfalls andere Versagungsgründe bestünden, nicht auseinander gesetzt. Da diese Rechtsauffassung aber vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt wird, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am