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VwGH vom 22.12.2011, 2010/07/0030

VwGH vom 22.12.2011, 2010/07/0030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der H S in W, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Dr. Siegfried Sieghartsleitner und Mag. Dr. Michael Pichlmair, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 27, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. Wa- 2010-305672/3-Mül/Ka, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist unter anderem Eigentümerin der Grundstücke Nr. 915 und 916, KG W.

Die mitbeteiligte Gemeinde beantragte bei der Bezirkshauptmannschaft W (im Folgenden: BH) mit Schreiben vom und vom die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für das Detailprojekt "Hochwasserfreilegung des Ortskerns der Gemeinde." Dabei sollten - neben anderen Maßnahmen - im örtlichen Nahebereich der Grundstücke der Beschwerdeführerin folgende Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes durchgeführt werden:

"Vor der W-Brücke:

Absenken des rechten Uferdammes

Erstellen von drei Kastendurchlässen 2,6 m x 0,9 m Vorgelagerte Hochwasserdammerhöhung für bestehende

Zufahrtsstraße zum Betriebsbaugebiet und M Landesstraße

Nach der W-Brücke:

Absenken des rechten Uferdammes auf einer Länge von 40 m Errichtung eines Hochwassersickerbeckens mit Begleitmulde

entlang des W-Baches

Erhöhung des Güterweges"

Der Beschwerdeführerin wurde von der mitbeteiligten Gemeinde eine mit datierte Zustimmungserklärung zum vorliegenden Projekt mit der Aufforderung zugeschickt, diese zu unterfertigen.

Mit Schreiben vom an die mitbeteiligte Gemeinde erklärte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, dass aus der übermittelten Zustimmungserklärung nicht ersichtlich sei, zu welchen konkreten Beeinträchtigungen und Eingriffen die Beschwerdeführerin ihre Zustimmung erteilen solle. Es müsse zunächst nachvollziehbar geklärt werden, welche Auswirkungen auf die Grundstücke der Beschwerdeführerin mit dem vorliegenden Projekt verbunden seien. Nur dadurch könne geprüft werden, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen eine Zustimmung von Seiten der Beschwerdeführerin erteilt werden könne.

Mit Schreiben vom an die BH meldete das um eine Stellungnahme ersuchte wasserwirtschaftliche Planungsorgan verschiedene Bedenken hinsichtlich des gegenständlichen Projektes an. Unter anderem forderte es eine Ergänzung der hydraulischen Daten durch tatsächlich abgelaufene Hochwässer; das hydraulische Modell sei an diesen Daten zu kalibrieren.

Nach Vorlage weiterer Unterlagen führte die BH am eine mündliche Verhandlung durch, bei der die Beschwerdeführerin, rechtsfreundlich vertreten, folgende Einwendungen erhob:

"Gegen das vorliegende Projekt werden Einwendungen erhoben, weil zu befürchten ist, dass die Grundstücke Nr. 915 und 916 im Eigentum ( der Beschwerdeführerin ) bei Ausführung des Projektes zusätzlichen Überschwemmungen ausgesetzt werden und zusätzliche Mengen auf die Grundstücke gelangen, wodurch auch die Gefahr einer Versumpfung besteht. Durch das vorliegende Projekt wird im bachaufwärtigen Bereich der Retentionsraum verkleinert. Das Betriebsbaugebiet und die M Straße sollen durch einen Wall geschützt werden. Durch diese Dämme und Wälle wird sich die fließende Welle automatisch bachabwärts verlagern. Die damit erhöhte Wassermenge soll dann durch ein Kastenprofil unter die M Straße auf die Parzelle Nr. 280 geleitet werden, wodurch sie letztendlich zu den tiefer gelegenen Grundstücken Nr. 915 und Nr. 916 gelangt. Durch die Errichtung des Kastenprofiles ist eine Verschlechterung des bestehenden Zustandes schon deshalb zu befürchten, weil der Abfluss der Wässer vom Westen her (vom Grundstück Nr. 278/1) derzeit durch die M Straße und die Zufahrtsstraße zum Betriebsbaugebiet nur eingeschränkt möglich ist, während durch die Kastenrinne nunmehr jederzeit möglich ist. Der bestehende Zustand ist derart, dass das Grundstück Nr. 278/1 einen gewissen Retentionsraum bietet, der bewirkt, dass bei Niederschlagsereignissen die unterhalb eines 30-jährlichen Ereignisses liegen, die Grundstücke Nr. 915 und 916 geschützt werden. Durch das vorliegende Projekt werden daher häufiger Überschwemmungserscheinungen auf diesen Grundstücken auftreten, weshalb Verschlechterungen des Bodens zu befürchten sind. Dem vorliegenden Projekt kann auch nicht entnommen werden, in wie weit bei dessen Ausführung die Häufigkeit von Überschwemmungen der Grundstücke Nr. 915 und 916 anlässlich von solchen Regenereignissen zunimmt, die das Maß eines 30-jährlichen Hochwassers nicht erreichen."

Amtssachverständige für Grundwasserwirtschaft und Hydrologie und für Wasserbautechnik und Hydrologie erstatteten im Rahmen der mündlichen Verhandlung ihre Gutachten. Dabei hielten die Amtssachverständigen für Wasserbautechnik und Hydrologie unter anderem fest, dass der W-Bach ein hydrografisch nicht beobachtetes Gewässer sei. Es lägen demnach keine Wasserführungsdaten vor, welche auf Basis von Beobachtungen an einer Pegelstelle ermittelt worden seien. Die vorliegenden Wasserführungen seien aufgrund von empirischen Berechnungen unter Zugrundelegung von Abflussformen ermittelt worden.

Zur Stellungnahme der Beschwerdeführerin führten sie unter anderem aus:

"Aus hydrologischer Sicht ist dazu zu vermerken, dass seitens des planenden Büros eine Ist-Zustand-Erhebung bei Auftreten eines HQ30 bzw. eines HQ100 mit Hilfe einer zweidimensionalen Abflussmodellierung durchgeführt wurde. Im Zuge des Wasserrechtsverfahrens wurde auch eine Ist-Zustands-Erhebung bei Auftritt eines HQ10 vom Projektanten vorgelegt, ebenso wurde im Zuge des Vorprüfungsverfahrens in den Projektsergänzungen die Abflusskapazität des Flussbettes des W-Baches nachgerechnet.

Diese Abflussberechnung hat ergeben, dass im Bereich P16 (unmittelbar im Bereich unterhalb der M Straßenbrücke) das Bachbett des W-Baches eine Abflusskapazität von 4,4 m3/s im Istzustand aufweist. Das bedeutet, dass es im Istzustand bereits bei Abflussereignissen von kleiner HQ1 zu Ausuferungen auf das angrenzende Grundstück Nr. 280 und in weiterer Folge (uferbegleitend) auch auf das Grundstück Nr. 916 der ( Beschwerdeführerin ) kommt. Ab ca. einem Hochwasserereignis der Größe HQ8 bis HQ10 kommt es zu einer Überströmung der M Landesstraße im Bereich der Zufahrtsstraße zum Betriebsbaugebiet auf die Grundstücke Nr. 915, 934 und 208.

Hierbei ist auch zu erwähnen, dass im Bereich des Projektpunktes P2 (Beginn des Projektsgebietes) die Abflusskapazität des W-Baches ein Ausmaß von 7,8 m3 aufweist. Dies entspricht in etwa einem Hochwasserereignis HQ5, womit nachgewiesen ist, dass ab einem HQ5 der W-Bach linksufrig in Richtung Tennisplatz- und Sportplatzbereich und in Richtung Grundstück Nr. 278/1 auswirft. Zu diesem Zeitpunkt hat die linksufrige Ausuferung des W-Baches im Bereich des Grundstückes Nr. 280 sowie 916 bereits begonnen. Die Befürchtung (der Beschwerdeführerin ), dass ihre Grundstücke nach Errichtung der Maßnahmen insbesondere durch die Errichtung des Kastendurchlasses unter der M Landesstraße öfters durch Hochwässer des W-Baches beeinträchtigt werden, kann somit entkräftet werden. Ihre Grundstücke wurden schon bei einem HQ1 beeinträchtigt. Die Gefahr der 'Versumpfung' bleibt somit im gleichen Ausmaß wie bisher aufrecht, zumal in diesem Bereich die Höhen des Ufers auf der linken Seite auch nicht verändert werden. Zu einer Verbesserung für die Grundstücke der ( Beschwerdeführerin ) kommt es nach Verwirklichung der Maßnahmen insofern auch noch, als dass das rechte Ufer im dortigen Bereich abgesenkt wird und auf einer sogar noch tieferen Kote (ca. - 5 cm) als jene des linken Ufers zu liegen kommt. Dadurch wird bewerkstelligt, dass häufigere Ereignisse zuerst über das rechte Ufer abwerfen und erst Hochwässer größer gleich HQ1 über das linke Ufer auf das Grundstück der ( Beschwerdeführerin ) ausufern. Dies stellt hinsichtlich der 'Versumpfungsgefahr' ihrer Grundstücke wiederum eine Verbesserung dar.

Bei Hochwasserereignissen ab einem HQ10 kann von einer wesentlichen Verbesserung der Hochwassersituation auf ihren Grundstücken bei Verwirklichung der geplanten Maßnahmen ausgegangen werden, da diese laut Berechnungen weniger flächenhaft überflutet und auch weniger tief eingestaut werden. Grund dafür ist die Schaffung von zusätzlichen Retentionsräumen im Bereich der Grundstücke Nr. 284/2 und 320/2 des …. sowie durch die geplante Minderverfüllung (0,5 m) der Bodenaustauschfläche der Firma …. Durch diese Maßnahmen werden verloren gegangene Retentionsräume im Bereich des Ortskernes … (großteils rechtsufrig des W-Baches) nicht nur kompensiert, sondern um rund 16.000 m3 vergrößert. Die derzeitigen Überflutungsflächen und die Überflutungsflächen nach Verwirklichung des Projektes sind in den vorgelegten Lageplänen, in denen die Überflutungsflächen und jeweiligen Einstautiefen dargestellt sind, ersichtlich.

Weiters wird … bemängelt, dass der im Projektszustand dargestellte Abflusszustand bei einem HQ30 und HQ100 in der Praxis nicht erreicht wird.

Hiezu wird aus hydrologischer Sicht vermerkt, dass das vom Planungsbüro angewandte zweidimensionale hydraulische Abflussmodell (stationärer Abfluss) dem Stand der Technik entspricht und bereits vielfach bei ähnlichen Problemstellungen zur Anwendung kam. Die in diesem Abflussmodell anzusetzenden Abflussbeiwerte wurden aus hydrologischer Sicht plausibel und entsprechend den vorherrschenden Gegebenheiten angesetzt.

Bei der Wahl der vorher erwähnten Beiwerte ist es nicht üblich Sicherheiten mit einzuberechnen. Lediglich bei der Errichtung eines Schutzdammes sind solche Sicherheiten in Form einer Festsetzung eines Freibordes üblich.

Weiters wurden entsprechende Geländeaufnahmen durchgeführt, um bei der Darstellung der Überflutungsflächen die entsprechenden Abflussräume darstellen zu können."

Dazu vermerkte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, dass nach ihrem Kenntnisstand und den ihr vorliegenden Wahrnehmungen und Berichten nicht davon ausgegangen werden könne, dass die M Landesstraße im Bereich der Zufahrt zum Betriebsbaugebiet bei Ereignissen im Ausmaß von HQ8 bis HQ10 überströmt werde. Nach den vorliegenden Informationen sei dies lediglich beim Hochwasserereignis 2002 der Fall gewesen. Möglicherweise seien die diesbezüglichen Divergenzen darauf zurückzuführen, dass der W-Bach im Bereich des Projektes hydrographisch nicht erfasst sei und daher die Annahmen lediglich auf fiktiven Berechnungen beruhten, die mit den tatsächlichen Wassermengen nicht in Einklang zu bringen seien.

Die mitbeteiligte Gemeinde verfasste im Mai 2009 eine Projektsergänzung, zu der der wasserbautechnische Amtssachverständige mit Schreiben vom eine fachliche Stellungnahme abgab.

Mit Bescheid vom erteilte die BH der mitbeteiligten Gemeinde die wasserrechtliche Bewilligung im Rahmen des eingereichten Projektes unter Vorschreibung zahlreicher Bedingungen, Befristungen und Auflagen. Die Einwendungen der Verfahrensparteien wurden, soweit diese rechtzeitig und rechtserheblich gemäß dem WRG 1959 seien und soweit diesen durch die erteilten Auflagen noch nicht entsprochen worden sei, als unbegründet abgewiesen; soweit die Einwendungen nicht rechtzeitig und nicht rechtserheblich gemäß dem WRG 1959 seien, wurden sie als unzulässig zurückgewiesen.

Die BH vertrat den Standpunkt, dass aufgrund der Verhandlungsergebnisse davon ausgegangen werden könne, dass bei Einhaltung der Bedingungen, Befristungen und Auflagen öffentliche Interessen nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt würden. Hinsichtlich der Einwendungen der Beschwerdeführerin wurde im Wesentlichen auf die Darlegungen der Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung verwiesen, welche schlüssig und nachvollziehbar seien und aus welchen sogar eine Verbesserung für die Grundstücke der Beschwerdeführerin durch die Durchführung des Projektes ersichtlich würde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom Berufung, welche sie hauptsächlich darauf stützte, dass die Tatsachenfeststellung, wonach die Grundstücke Nr. 915 und 916 bereits in der Ist-Situation von einem Hochwasserereignis der Größe HQ1 beeinträchtigt würden, unrichtig sei. Durch die Ausführung des Projektes sei somit diesbezüglich eine Verschlechterung zu erwarten. Die Projektannahmen stünden nicht mit den faktischen Verhältnissen in Einklang. Der Antrag der mitbeteiligten Gemeinde sei somit wegen Beeinträchtigung der Rechte der Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959 abzuweisen.

Darüber hinaus brachte die Beschwerdeführerin vor, dass das gegenständliche Projekt nach der mündlichen Verhandlung zusätzlich erweitert worden sei, ohne ihr die Möglichkeit einzuräumen, dazu Stellung zu nehmen. Diese Projekterweiterung, die sich auf einen bachaufwärts gelegenen Bereich beziehe, hätte zwangsläufig Einfluss auf die Abflussverhältnisse im Bereich P16, also im Bereich der Grundstücke der Beschwerdeführerin. Da die belangte Behörde eine diesbezügliche Ergänzung des Ermittlungsverfahrens unterlassen habe, liege ein Verfahrensmangel vor.

Mit Schreiben vom holte die belangte Behörde eine fachliche Stellungnahme des wasserbautechnischen Amtssachverständigen vom ein. Nach einem Hinweis darauf, dass der Nachweis hinsichtlich der Beeinflussung der Grundstücke der Beschwerdeführerin seitens des Projektanten weder planlich noch verbal dargestellt worden sei, meinte der Sachverständige, die im Ergänzungsprojekt vom Mai 2009 enthaltenen, geplanten lokalen Maßnahmen beeinträchtigten und veränderten aus hydrologischer Sicht das Abflussgeschehen des W-Baches in den unterhalb gelegenen Bereichen im Hochwasserfall nicht. Eine Beschleunigung der Hochwasserwelle und eine möglicherweise damit verbundene Beeinträchtigung von unterhalb gelegenen Liegenschaften, wie etwa jener der Beschwerdeführerin, werde aus fachlicher Sicht durch die neuen Planungen nicht eintreten. Der W-Bach im Bereich des Grundstückes Nr. 280 (unmittelbar oberhalb der Liegenschaften der Beschwerdeführerin) weise eine Abflusskapazität von kleiner HQ1 auf. Es käme in weiterer Folge uferbegleitend schon bei diesen sehr häufigen Hochwässern zu Überflutungen auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin. Bei diesen Ereignissen träten im südlichen Projektbereich weder im Ist- noch im Ausbauzustand Überflutungen am W-Bach auf. Die geplanten Maßnahmen seien in diesem Ereignisfall für das Abflussgeschehen nicht wirksam.

Die Beschwerdeführerin nahm dazu mit Schreiben vom Stellung. Die Äußerung des Sachverständigen beruhe auf der unzutreffenden These, wonach ihre Grundstücke bereits dann überschwemmt würden, wenn die im langjährigen statistischen Mittel einmal jährlich erreichte Durchflussmenge erreicht oder überschritten würde. Tatsächlich komme es im Bereich des Grundstückes Nr. 280 nur bei großen Hochwasserereignissen zu relevanten Wasseraustritten, dies etwa zuletzt im Jahr 2002. Davor habe etwa auch im Jahr 1984 ein erhebliches Hochwasserereignis stattgefunden, welches aber die Grundstücke der Beschwerdeführerin nicht einmal erreicht habe. Der Sachverständige habe nicht nachvollziehbar dargestellt, dass bei einjährigen Hochwasserereignissen die Grundstücke der Beschwerdeführerin beeinträchtigt würden.

Zum Beweis dafür, dass auf das Grundstück Nr. 280 bei Abflussereignissen von kleiner oder gleich HQ1 keinerlei Wasseraustritte aus dem W-Bach, sondern solche Wasseraustritte nur bei wesentlich größeren Hochwasserereignissen stattfänden und die ihr gehörigen Grundstücke Nr. 915 und 916 in den letzten 30 Jahren lediglich einmal, nämlich anlässlich der Hochwasserereignisse 2002, von Hochwässern betroffen gewesen seien, beantragte die Beschwerdeführerin die Einvernahme namentlich genannter Zeugen und die Durchführung eines Ortsaugenscheines, wobei zweckmäßigerweise die Zeugen im Zuge des Ortsaugenscheines vernommen werden mögen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin ab.

Nach Wiedergabe des Sachverhaltes führte die belangte Behörde begründend aus, dass hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdeführerin, wonach es zu einer Verringerung des Retentionsraumes käme, auf die Ausführungen des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik und Hydrologie hingewiesen werde, wonach die durch die geplanten schutzwasserbaulichen Maßnahmen ausgeschalteten Retentionsräume durch Schaffung neuer Retentionsräume im Ausmaß von 16.000 m3 überkompensiert würden. Auch das Berufungsvorbringen betreffend die nachteiligen Auswirkungen eines bachaufwärts der Grundstücke der Beschwerdeführerin geplanten Dammes und des unter der M Landesstraße geplanten Kastendurchlasses auf die Grundstücke der Beschwerdeführerin sei durch die Ausführungen des Amtssachverständigen entkräftet worden. Außerdem sei angesichts der Lage dieser Anlagen oberhalb der Grundstücke der Beschwerdeführerin eine stauende Wirkung dieser Anlagen auf die Grundstücke der Beschwerdeführerin offenbar nicht möglich. Entgegen dem Berufungsvorbringen enthalte das Projekt Angaben zur Durchführung der hydraulischen Berechnungen mittels einer 2d-Abflussmodulierung, unter anderem zur Maschenweite des Berechnungsnetzes und zu den in die Berechnungen eingegangenen Rauigkeitsbeiwerten.

Auch aus dem in der Berufung angeführten Umstand, dass sich aus der graphischen Darstellung der Wassertiefen bei dreißigjährigen Hochwässern im Ist-Zustand ergebe, dass auch solche Hochwässer nicht das ganze Grundstück Nr. 915 der Beschwerdeführerin überfluteten, ergebe sich keine Unschlüssigkeit in der Beweisführung des Verfahrens erster Instanz. Dass dieses Grundstück von Hochwässern nicht einheitlich überflutet werde, liege an den unterschiedlichen Geländehöhen auf diesem Grundstück. So sei in den Lageplänen auch ein Geländehochpunkt auf der von dreißigjährigen Hochwässern nicht erreichten Fläche eingetragen. Das Berufungsvorbringen, wonach ein Hochwasseraustritt auf Grundstück Nr. 915 bei einjährigen Ereignissen ausgeschlossen sei, stimme mit den Ausführungen des Amtssachverständigen überein.

Die Beschwerdeführerin sei den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens der BH nicht mit Beweismitteln entgegen getreten. Den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zufolge würden die Grundstücke der Beschwerdeführerin durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt, weshalb die Berufung abzuweisen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Gemeinde erstattete ebenfalls eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 41 Abs. 1 WRG 1959 muss zu allen Schutz- und Regulierungswasserbauten in öffentlichen Gewässern einschließlich der Vorkehrungen zur unschädlichen Ableitung von Gebirgswässern nach dem Gesetze vom 30. Juni 1884, RGBl. Nr. 117, sofern sie nicht unter die Bestimmungen des § 127 fallen, vor ihrer Ausführung die Bewilligung der Wasserrechtsbehörde eingeholt werden. Nach Abs. 4 dieser Bestimmung sind Schutz- und Regulierungswasserbauten einschließlich größerer Räumungsarbeiten so auszuführen, dass öffentliche Interessen nicht verletzt werden und eine Beeinträchtigung fremder Rechte vermieden wird. Die Bestimmungen des § 12 Abs. 3 und 4 finden sinngemäß Anwendung.

Im vorliegenden Fall ist es unstrittig, dass das verfahrensgegenständliche Projekt einer Bewilligung nach § 41 WRG 1959 bedarf.

Die Bewilligungen nach § 41 WRG 1959 verleihen kein Wasserbenutzungsrecht. § 41 Abs. 3 und § 41 Abs. 5 WRG 1959 erklären jedoch mehrere Bestimmungen betreffend Wassernutzungen für sinngemäß anwendbar. Insbesondere wird auf § 12 Abs. 3 WRG 1959 verwiesen, welcher bezüglich der Möglichkeit, bestehende Rechte durch Einräumung von Zwangsrechten zu beseitigen oder zu beschränken, auf die Vorschriften des sechsten Abschnittes dieses Gesetzes verweist (§ 60 ff WRG). Die nach § 41 WRG 1959 erforderliche Bewilligung ist demnach unter anderem zu versagen, wenn fremde Rechte dieser Bewilligung entgegenstehen, die nach entsprechender Interessenabwägung nicht durch Zwangsrechte überwunden werden können (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 96/07/0080, vom , 2003/07/0105, und vom , 2008/07/0089). Als fremde Rechte im Sinne des § 41 Abs. 4 WRG 1959 sind nach § 12 Abs. 2 leg. cit. Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen.

Die Parteistellung der Beschwerdeführerin ergibt sich aus ihrer Eigenschaft als Eigentümerin von benachbarten Grundstücken, die durch mit dem Projekt verbundene Maßnahmen bzw. deren Auswirkungen, wie etwa eine Erhöhung der Überschwemmungshäufigkeit bei einem bestimmten Hochwasserereignis, beeinträchtigt werden könnten.

In ihrer Beschwerde bemängelt die Beschwerdeführerin neuerlich die fehlende Ermittlung der Wasserführungsdaten des W-Baches; wie schon in ihren Stellungnahmen im Verfahren und in der Berufung bezweifelt sie die Richtigkeit der Projektsunterlagen in Hinblick auf die Ermittlung des Ist-Zustandes. Als Verfahrensmängel rügt sie unter anderem ihre unterlassene Einvernahme bzw die der von ihr genannten Zeugen.

Die Beschwerdeführerin hatte während des Verfahrens geltend gemacht, die den Berechnungen und Abflussmodellen zu Grunde liegenden Daten in Bezug auf die Wasserführung bei HQ1, HQ5 bzw HQ10 im Bereich ihrer Grundstücke sei nicht richtig. Insbesondere treffe es nicht zu, dass im Istzustand ihr Grundstück 916 bereits bei einem Abflussereignis von kleiner HQ1 beeinträchtigt würde und dass die M Straße und ihr Grundstück 915 bereits ab einem Hochwasserereignis von HQ8 bis HQ10 überflutet würden. Solche Überflutungen träten erst ab einen HQ30, wie etwa im Jahr 2002 geschehen, ein.

Träfe die Behauptung der Beschwerdeführerin zu, so wären die den Berechnungen des Istzustandes und auch des Projektszustandes zu Grunde liegenden Daten und Berechnungen des Projektes unrichtig, sodass nicht ausgeschlossen werden könnte, dass durch das Projekt und die im Bereich der Grundstücke der Beschwerdeführerin zu setzenden Maßnahmen Verschlechterungen für ihre Grundstücke eintreten könnten. Solche Verschlechterungen im Vergleich zum von der Beschwerdeführerin behaupteten Ist-Zustand (Überschwemmungen erst ab HQ30) wären aber jedenfalls gegeben, wenn man diesem behaupteten Ist-Zustand die im Projekt dargestellten Annahmen des Projektszustandes gegenüberstellt, da demnach eine Überflutung des Grundstückes 916 bereits bei Hochwässern größer gleich HQ1 eintreten und auch ein Teil des Grundstückes 915 bereits bei HQ10 überflutet würde.

Dem Akt und den Projektsunterlagen ist nun zu entnehmen, dass bereits das wasserwirtschaftliche Planungsorgan in seiner Stellungnahme vom die Ergänzung der hydraulischen Daten durch tatsächlich abgelaufene Hochwässer und eine Kalibrierung des hydraulischen Modells an diesen Daten gefordert hat. Dass Daten über tatsächlich abgelaufene Hochwässer in weiterer Folge in die Projektsberechnungen eingeflossen seien, ist nicht erkennbar. Der Amtssachverständige für Wasserbautechnik und Hydrologie hielt im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom vielmehr fest, dass der W-Bach ein hydrografisch nicht beobachtetes Gewässer sei und keine Wasserführungsdaten vorlägen, die auf Basis von Beobachtungen an einer Pegelstelle ermittelt worden seien. Die dem Projekt zugrunde gelegten Wasserführungen seien "aufgrund von empirischen Berechnungen unter Zugrundelegung von Abflussformen" ermittelt worden. Diese Abflussberechnung durch den Projektanten habe die entsprechenden Daten der Abflusskapazität ergeben, denen zufolge zB das Grundstück 916 der Beschwerdeführerin bereits bei Abflussereignissen von kleiner HQ1 überflutet werde.

Die Sachverständigen hielten auch fest, dass das vom Projektanten den Projektsberechnungen zu Grunde gelegte, zweidimensionale hydraulische Ablaufmodell dem Stand der Technik entspreche und dass die in diesem Ablaufmodell anzusetzenden Abflussbeiwerte plausibel und den vorherrschenden Gegebenheiten entsprechend angesetzt worden seien. Geländeaufnahmen seien durchgeführt worden, um die Überflutungsflächen und die entsprechenden Abflussräume darstellen zu können.

Einem Gutachten eines Amtssachverständigen kann aber nicht nur mit einem Gegengutachten entgegengetreten werden. Es ist der Partei auch ohne Gegengutachten möglich, Unvollständigkeiten oder Unrichtigkeiten in den Befundannahmen eines Gutachtens aufzuzeigen. Eine Verfahrenspartei ist nicht gehalten, einem unvollständigen bzw. unrichtigen Befund in einem Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten; die unvollständige und unrichtige Befundaufnahme vermag auch ein Laie nachvollziehbar darzulegen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 98/05/0066, und vom , 2009/05/0169, ua).

Nun mag es zutreffen, dass das genannte Ablaufmodell dem Stand der Technik entspricht und dass die Geländeaufnahmen und die Abflussbeiwerte plausibel in die Berechnungen eingeflossen sind. Unklar ist allerdings, auf welche "empirischen Berechnungen unter Zugrundelegung von Abflussformen" sich die Annahme der Wasserführung des W-Baches stützten; diese Daten waren aber Grundlage für alle weiteren Berechnungen.

So ist evident, dass es in Bezug auf diesen Bach wegen des Fehlens einer Pegelstelle keine gemessenen Wasserführungsdaten gibt, die Berechnungen können daher nur versuchen, der tatsächlichen Situation möglichst nahe zu kommen. Genau auf diese tatsächliche Situation im Bereich der unmittelbar neben dem Bach liegenden Grundstücke zielt die - auch durch Namhaftmachung von Zeugen gestützte - konkrete Behauptung der Beschwerdeführerin ab, dass die Daten über die Wasserführung bei kleineren Hochwässern in für die Situation ihres Grundstückes entscheidenden Punkten anders seien.

Die belangte Behörde hätte daher angesichts dieser auf eigene bzw die Beobachtung von Zeugen gestützte Bestreitung der im Projekt (lediglich) errechneten Befundannahmen über die Wasserführung mit den Einwendungen der Beschwerdeführerin inhaltlich näher befassen müssen. Dies ist aber nicht geschehen; im Gegenteil erweist sich die Feststellung der belangten Behörde, wonach die Beschwerdeführerin den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens nicht "mit Beweismitteln entgegen getreten sei", in diesem Zusammenhang als aktenwidrig und übersieht, dass die Beschwerdeführerin sehr wohl neben ihrer eigenen Einvernahme die Einvernahme näher genannter Zeugen als Beweismittel geltend gemacht und auch angegeben hatte, zu welchem Beweisthema diese Zeugen einzuvernehmen seien.

Auch das von der belangten Behörde ergänzend eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen nimmt auf die Behauptungen der Beschwerdeführerin über die faktische Situation ihrer Grundstücke bei Hochwasserereignissen keinen Bezug sondern stützte sich neuerlich auf die im Projekt errechneten Annahmen über die Wasserführung. Dies gilt auch für die im Verfahren erster Instanz eingeholten Gutachten; auch die dort beigezogenen Sachverständigen legten ihrer fachlichen Beurteilung die errechneten Projektsdaten zu Grunde.

Es kann daher derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass nach Einvernahme der Beschwerdeführerin und der von ihr geltend gemachten Zeugen, gegebenenfalls nach neuerlicher Befassung von Sachverständigen, andere Daten der Wasserführung bzw andere Daten in Bezug auf die Auswirkungen kleinerer Hochwässer auf die Grundstücke der Beschwerdeführerin ermittelt worden wären. Diesfalls wäre es möglich, dass die darauf aufbauenden Abflussmodelle zu anderen Ergebnissen geführt hätten, die wiederum eine Verschlechterung der Situation der Grundstücke der Beschwerdeführerin im Projektszustand belegten. Es kann zwar auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich auch bei Zugrundelegung der Angaben der Beschwerdeführerin (bzw der von ihr namhaft gemachten Zeugen) keine Verschlechterung zwischen Ist-Zustand und Projektzustand ergibt; dies bedürfte aber ebenfalls einer sachverständigen Darlegung.

Der von der Beschwerdeführerin aufgezeigte Verfahrensmangel erweist sich somit als relevant für den Verfahrensausgang.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am