VwGH vom 21.02.2007, 2005/06/0309
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde des Dr. WW in W, vertreten durch Dr. Georg Fialka, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Josefstädterstraße 87, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , GZ. FA13B-12.10 A 152 - 05/2, betreffend Zurückweisung der Berufung wegen Verlust der Parteistellung in einem Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien:
1. Hotel W Gesellschaft mbH in B, vertreten durch Hohenberg Strauß Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6;
2. Stadtgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bauansuchen vom beantragte die Erstmitbeteiligte bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Erteilung der baurechtlichen Bewilligung für den Zu- und Umbau des Hotels W auf näher angeführten Grundstücken in der KG R.
Mit Ladung und Kundmachung vom wurde die Bauverhandlung für den Dienstag, den , um ca. 10.00 Uhr festgelegt. In dieser Ladung ist im Hinblick auf Einwendungen von Nachbarn angegeben, dass solche, wenn sie nicht spätestens am Tage vor Beginn der Bauverhandlung beim Gemeindeamt eingebracht oder während der Verhandlung vorgebracht werden, gemäß § 42 AVG 1991, BGBl. Nr. 51, in der jeweils geltenden Fassung keine Berücksichtigung fänden. Bei Parteien und Beteiligten, die trotz Ladung nicht erscheinen würden und keine Einwendungen erhoben hätten, - so heißt es weiter - werde angenommen, dass sie dem Bauvorhaben zustimmen.
Diese Ladung wurde u.a. dem Beschwerdeführer mit RSb-Brief zur Adresse W, R-Straße, zugestellt. Nach dem im Akt einliegenden Zustellschein wurde die Sendung am nach einem Zustellversuch und einer in das Hausbrieffach eingelegten Verständigung über die Hinterlegung beim Postamt W hinterlegt, vom Beschwerdeführer aber nicht behoben. Das diesbezügliche Kuvert ging an die Baubehörde zurück mit dem Vermerk "zurück, nicht behoben".
Mit dem am bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingelangten Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer für den Fall, dass beim Zustellvorgang ein Fehler unterlaufen sei, der ihm die Kenntnisnahme der Ladung unmöglich gemacht habe, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in diesem Bauverfahren. Weiters erhob der Beschwerdeführer Einwendungen gegen das Bauvorhaben (u.a. betreffend die Umweltverträglichkeit des Bauvorhabens).
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung des Bauverfahrens mit Bescheid vom zurück (Spruchpunkt I) und wies in Spruchpunkt II. dieses Bescheides die erhobenen Einwendungen als unzulässig zurück.
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde erteilte der Erstmitbeteiligten mit Bescheid vom die baurechtliche Bewilligung für den beantragten Zu- und Umbau des Hotels W auf den näher angeführten Grundstücken.
Der Beschwerdeführer erhob sowohl gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom als auch gegen den Bescheid vom Berufung.
Der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde wies die gegen die Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung erhobene Berufung mit Bescheid vom ab. Die Berufungsbehörde ging von der rechtswirksamen Zustellung der Ladung des Beschwerdeführers zur Verhandlung aus und wies insbesondere darauf hin, dass gemäß § 17 Abs. 4 Zustellgesetz die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig sei, wenn die im Abs. 2 oder im § 21 Abs. 2 Zustellgesetz genannte Verständigung beschädigt oder entfernt worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Unkenntnis der Zustellung des Bescheides wäre nur dann zu bewilligen gewesen, wenn der Beschwerdeführer glaubhaft gemacht hätte, dass die ordnungsgemäß angebrachte Benachrichtigung von der Hinterlegung durch dritte Personen entfernt worden wäre.
Der Gemeinderat wies die gegen die Baubewilligung erhobene Berufung des Beschwerdeführers ebenfalls mit einem Bescheid vom als unzulässig zurück. Der Beschwerdeführer sei mittels RSb-Briefes an seinem Hauptwohnsitz in W geladen worden. Die Zustellung sei durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 4 Zustellgesetz erfolgt. Der Beschwerdeführer habe weder bis vor dem Tag der Verhandlung schriftlich noch am Tag der Verhandlung mündlich Einwendungen erhoben, weshalb er in Bezug auf das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben auch keine Parteistellung erlangt habe (ein Verfahren betreffend den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung des Bauverfahrens sei anhängig). Der Beschwerdeführer habe im vorliegenden Bauverfahren (bislang) keine Parteistellung erlangt, daher auch keine Parteienrechte. Sollte der Beschwerdeführer im gesondert anhängigen Formalverfahren betreffend seinen Antrag auf Wiedereinsetzung letztlich durchdringen und (nachträglich) Parteistellung erlangen, wäre ihm ohnedies der Baubewilligungsbescheid förmlich zuzustellen und hätte er dann Gelegenheit, seine Einwendungen darzutun.
Der Beschwerdeführer erhob gegen beide Berufungsbescheide jeweils Vorstellung.
Die belangte Behörde wies die Vorstellung betreffend den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Bescheid vom ab. Es sei auf Grund der Aussage des Zustellorganes ohne Zweifel davon auszugehen, dass die Zustellung der Kundmachung vom über die Anberaumung der mündlichen Verhandlung rechtswirksam erfolgt sei. Demnach sei die Kundmachung nach einem ersten Zustellversuch am hinterlegt worden, wobei die Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt worden sei. Der Beschwerdeführer hätte gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG glaubhaft machen müssen, durch welches unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis er verhindert gewesen sei, zur Verhandlung zu erscheinen bzw. rechtzeitig Einwendungen zu erheben. Dies setze ein entsprechendes behauptungsmäßiges Antragsvorbringen voraus. Ein solches Vorbringen enthalte der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag nicht. Es erscheine die in der Vorstellung dargelegte Vermutung plausibel, dass offensichtlich die Hinterlegungsnachricht in die Werbepost geraten und mit dieser versehentlich ungelesen entsorgt worden sei. Nach der höchstgerichtlichen Judikatur habe im Falle eines mit Werbematerial angefüllten Postkastens die Durchsicht des Inhaltes des Postkastens besonders genau zu erfolgen, um nichts zu übersehen. Die Entleerung des Postkastens obliege offensichtlich der Mutter des Beschwerdeführers. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei nichts zur Vornahme der jeweiligen Entleerung des Postkastens zu entnehmen und darüber, welche Vorkehrungen er für den Fall der Entleerung der Hausbriefanlage durch seine Mutter getroffen habe, damit ihm tunlichst kein für ihn bestimmtes Schriftstück entgehe. Der Beschwerdeführer habe daher betreffend die Versäumung der mündlichen Verhandlung kein einen minderen Grad des Versehens darstellendes Verschulden glaubhaft machen können.
Der Verwaltungsgerichtshof wies die dagegen erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers mit Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0308, als unbegründet ab. Der Verwaltungsgerichtshof teilte die Auffassung der belangten Behörde, dass das vom Beschwerdeführer vermutete Übersehen der Hinterlegungsanzeige unter umfangreichem Werbematerial durch seine betagte Mutter nicht bloß einen minderen Grad des Versehens darstelle.
Die belangte Behörde wies die im Baubewilligungsverfahren erhobene Vorstellung gegen den zurückweisenden Berufungsbescheid vom mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie führte dazu insbesondere aus, dass wegen der rechtskräftigen Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Bad Aussee vom sowie des Gemeinderates vom , die mit Bescheid der belangten Behörde bestätigt worden sei, davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer rechtswirksam keine Einwendungen im vorliegenden Baubewilligungsverfahren erhoben habe. Darüber hinaus ging die belangte Behörde in einem obiter dictum auf die Einwendungen des Beschwerdeführers ein und erachtete sie als unbegründet.
Der Beschwerdeführer erhob dagegen zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 989/05-3 u.a., gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der nach Aufforderung ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltende gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die erstmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im vorliegenden Fall kommt das Stmk. Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 78/2003 (Stmk. BauG), zur Anwendung.
Gemäß § 25 Abs. 1 Stmk. BauG hat die Anberaumung einer Bauverhandlung durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Als bekannte Beteiligte gelten insbesondere die Nachbarn (Z. 5), die der Behörde durch das auf seine Vollständigkeit und Richtigkeit hin überprüfte Verzeichnis nach § 22 Abs. 2 Z. 4 bekannt geworden sind. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung gemäß dieser Bestimmung überdies durch Anschlag in der Gemeinde oder durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung kundzumachen.
Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung hat die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung den Gegenstand, die Zeit und den Ort der Bauverhandlung einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 27 Abs. 1 eintretenden Folgen (Verlust der Parteistellung) zu enthalten.
Gemäß § 27 Abs. 1 Stmk. BauG hat, wenn eine Bauverhandlung gemäß § 25 Abs. 1 letzter Satz und zusätzlich in geeigneter Form kundgemacht wurde, dies zur Folge, dass ein Nachbar seine Stellung als Partei verliert, soweit er nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 26 Abs. 1 erhebt. Eine Kundmachungsform ist geeignet, wenn sie sicherstellt, dass ein Nachbar von der Anberaumung der Bauverhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.
Wurde eine Bauverhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung die darin bezeichnete Rechtsfolge (Verlust der Parteistellung) nur auf jene Nachbarn, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Bauverhandlung erhalten haben.
Der vorliegenden Beschwerde kommt schon deshalb Berechtigung zu, weil der Beschwerdeführer im verfahrensgegenständlichen Bauverfahren schon aus dem Grund die Parteistellung nicht verloren hat, weil die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung den Hinweis auf die gemäß § 27 Abs. 1 leg. cit. eintretenden Folgen (Verlust der Parteistellung) nicht enthalten hat. Nach der diesbezüglichen Judikatur zur gleichartigen Regelung des Verlustes der Parteistellung in § 42 Abs. 1 und 2 AVG (seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998) tritt diese Rechtsfolge nur bei entsprechendem Hinweis auf diese in der Ladung bzw. Kundmachung ein (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/06/0068). Die Verständigung hat vielmehr einen Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 B-VG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 enthalten, wonach Nachbarn, die bis am Tag vor der Verhandlung bzw. während der Verhandlung keine Einwendungen eingebracht haben, als dem Projekt zustimmend angesehen werden. Es stellt sich daher als rechtswidrig dar und verletzte den Beschwerdeführer in Rechten, dass die Berufungsbehörde die im Baubewilligungsverfahren erhobene Berufung des Beschwerdeführers wegen Verlust der Parteistellung zurückgewiesen hat. An dieser Rechtsverletzung ändert auch der Umstand nichts, dass die belangte Behörde in einem obiter dictum auf die Einwendungen inhaltlich eingegangen ist und sie als nicht begründet angesehen hat. Dem Beschwerdeführer steht nämlich ein Recht auf Entscheidung in der Sache gegenüber der Berufungsbehörde zu.
Da die belange Behörde diese Rechtsverletzung des Beschwerdeführers nicht erkannt hat, belastete sie ihrerseits den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am